Название | Ich rede zu viel |
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Автор произведения | Francis Rossi |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854456674 |
Und so baten wir Pat also, Rick anzurufen und zu fragen. Ich glaube, er willigte ein, noch bevor Pat seine Frage beendet hatte. Am nächsten Tag erschien er in unserem neuen Probedomizil, das im Keller von Pats Ausstellungsraum am Lambeth Walk lag. Er setzte sich hin, schob den Klinkenstecker in den Verstärker – und heraus kam ein schrecklicher Krach. Bis zu dem Moment hatte noch niemand bemerkt, dass Rick nicht besonders gut Gitarre spielte. Vor unserem geistigen Auge sahen wir ihn immer nur „Baby Face“ schrubben.
Nachdem er gegangen war, wollten die anderen ihn unbedingt wieder loswerden, doch ich bestand darauf, dass er blieb. Ich spürte, dass er etwas hatte – und natürlich gut sang –, und glaubte fest daran, dass er auf der Gitarre nur noch besser werden konnte. Murrend stimmten die anderen zu. Beim ersten Gig stöpselten wir seine Gitarre jedoch insgeheim aus. Doch das war das einzige Mal, dass wir zu so einer Notlösung griffen. Rick sah den Einstieg in die Band als seine große Chance und zeigte sich zum zügigen Üben fest entschlossen. Und das tat er auch.
Rick Parfitt – wie man ihn nun nannte – in der Band zu haben, verlief nicht nach den Vorstellungen von Pat Barlow und den anderen. Ich glaube, sie erhofften sich einen neuen Frontmann, der singen und Gitarre spielen konnte. Stattdessen entwickelten Rick und ich von Anfang an eine Art harmonisierendes „Frontmann-Duo“, dass ich mir seit den Tagen wünschte, als ich meinen Bruder für eine Band im Stil der Everly Brothers gewinnen wollte. Als Rick zu uns stieß, waren die Beatles das größte Ding überhaupt, und sie hatten mit John Lennon und Paul McCartney ein ähnliches Line-up. Das glich auch Mike Pender und Tony Jackson von den Searchers und vielen anderen Bands der Ära wie den Merseybeats.
Es gab noch einen zusätzlichen Punkt, der sich durch Ricks Einstieg bei der Gruppe verbesserte, zumindest meiner Auffassung nach. Welchen? Ich mochte ihn! Roy war für mich viel zu alt, um mit ihm auf einer gleichberechtigten Ebene zu stehen. John war eher verschlossen – bis er nicht mehr verschlossen war und durch die Decke ging. Und Alan gab sich viel zu dominant, weshalb ich mich nie richtig entspannen konnte.
Rick und ich hatten dasselbe Alter, und er verhielt sich immer sehr angenehm. Er war einfach nur nett – eine wahrhaft sanfte Seele mit einem großartigen Sinn für Humor. Bei ihm fühlte ich etwas, das ich bei den anderen Bandmitgliedern nicht erlebte. Wenn ich als Teenager die Schnauze voll hatte oder genervt war, begann ich schnell zu weinen. Alan schäumte dann vor Wut: „Hör sofort damit auf! Das ist doch peinlich“ Doch Rick ging auf mich zu, umarmte mich kurz und versuchte, mich zu trösten. Er war immer ein richtiger „Umarmer“.
Beim ersten gemeinsamen Gig lieh ich ihm einige meiner Klamotten, denn er hatte keinen „trendigen“ Bühnendress – sagte er zumindest. Natürlich besaß er einige schicke Outfits, doch er wollte sichergehen, stilistisch zu uns zu passen.
Man kann uns tatsächlich als Brüder bezeichnen. Bei den frühen Tourneen schliefen wir manchmal sogar in einem Bett. Aber nicht wie Bowie oder Elton – wie ich unterstreichen möchte. Eher wie Morecombe and Wise in den Sketchen, wo sie zusammen in einem Bett liegen und sich zanken und auf den Arm nehmen. Damals mussten sich junge Männer häufig ein Bett teilen. Waren es Einzelbetten schoben wir sie immer zusammen. Das war alles okay, bis auf den Fall, wenn einer von uns eine Mieze anschleppte. Oftmals lag Rick mit irgendeinem Mädchen im Bett neben mir, und ich musste mir anhören, was da vor sich ging. Einmal stritt er sich mit einem Mädel, und sie stand auf und fluchte: „Ich muss pissen!“ Ich erinnere mich noch an den Kommentar, den ich in Gedanken anbrachte: „Die Frau hat Klasse!“ Dann kam sie zurück und giftete: „Ich hab das Gefühl, dass ich heute noch einen erdolchen muss!“ In der Nacht machte ich kein Auge mehr zu. Rick auch nicht.
Da damals anscheinend jeder glaubte, Rick sei schwul – oder eine Tunte, wie man sagte –, machten wir uns manchmal einen Spaß daraus und hielten in der Öffentlichkeit Händchen.
Das brachte Alan und John – die buchstäblichen Macho-Typen – auf die Palme. Besonders Alan ärgerte sich, denn ich glaube ernsthaft, dass er so seine Zweifel hegte. Um den Kontext herzustellen und das Verständnis solcher Vorurteile zu erleichtern, muss man darauf hinweisen, dass Homosexualität in Großbritannien bis 1967 illegal war. Gab man sich öffentlich „homo“, musste man sich auf jeden nur erdenklichen Ärger einstellen. Das begann mit der Ahndung des Gesetzesverstoßes und endete – war man nicht vorsichtig – mit Alan, der zu brüllen anfing.
Die Live-Szene hatte sich über den Sommer unseres Gastspiels hinweg verändert, und die Art von Beatband mit ausgeflippten Sachen, für die die Spectres standen, war aus der Mode gekommen. Wir hatten schon eine zweite Single mit dem Titel „Hurdy Gurdy Man“ auf den Markt gebracht. Nein, nicht den superben Donovan-Hit, der ein Jahr später erschien, sondern ein kleines Liedchen, das Alan angeschleppt hatte. Es war schmissig und poppig und ein totaler Reinfall. Es gab auch noch die dritte Single „(We Ain’t Got) Nothing Yet“, das Cover eines Songs der Blues Magoos, früher im Jahr ein Hit in den USA. Ich glaubte, mit der Nummer eine Chance zu haben, da wir das Original beinahe Note für Note kopierten. Das Stück klang packend und vereinnahmend. Aber nein, auch diese Single starb ihren frühzeitigen Tod.
Es war der Beginn der Mod-Ära und neuer Londoner Formationen wie der Small Faces, der Kinks und von The Who. Plötzlich konnte Pat kaum mehr Gigs für die Spectres buchen, und deshalb nannten wir uns Traffic – bis man wenige Monate später bekanntgab, dass Steve Winwood die Spencer Davis Group verlassen habe, um eine neue Gruppe ins Leben zu rufen – mit dem schönen Namen Traffic. Es schien einfach nicht fair zu sein, dass er das so einfach machen konnte, da wir eindeutig die ersten mit dem Namen gewesen waren. Doch er hieß nun mal Steve Winwood, hatte mit Singles wie „Keep On Running“ und „Gimme Some Lovin’“ Hits gehabt, und ich mähte immer noch Grünanlagen. Somit änderten wir den Namen in Traffic Jam – jetzt haben wir es dir aber gegeben, du „Idiot“! Die biederen Anzüge und die schmalen Krawatten gehörten nun auch der Vergangenheit an, und wir „experimentierten“ mit bemusterten Hemden mit offenen Kragen. Verrückt!
Pat, der Dank gebührt ihm, versuchte sein Möglichstes, um die Show am Laufen zu halten. Mit dem Namen Traffic Jam sicherte er uns mehr Gigs und brachte die Band sogar in den Saturday Club von Radio 1, die beliebte Samstagmorgensendung mit Brian Matthew. Wir ergatterten auch einige Auftritte als Begleitmusiker für amerikanische Künstler wie P. J. Proby, damals weniger berühmt für seine Gesangskünste, sondern eher dafür, dass er die Hosennaht bei fast jedem Konzert im Schritt platzen ließ! Die Band arbeitete auch für eine weibliche Gesangsformation mit dem Namen Dixie Cups, die mit „Chapel Of Love“ und „Iko Iko“ zwei bekannte Hits hatte – großartige Mädels. Ich erinnere mich speziell an ihren Gitarristen, einen sehr coolen schwarzen Typen und zugleich die erste Person, die mich auf die große Rolle aufmerksam machte, die Marihuana und Amphetamine im Leben vieler Musiker spielten.
Bis dahin waren wir jeglichen Drogen immer aus dem Weg gegangen. Wir wussten von „Uppers“, wie man sie nannte, und hatten auch schon von „Kiffern“ gehört. Doch wie bei den meisten Teenagern Mitte der Sechziger beschränkte sich das Wissen darauf, dass Drogen „schlecht“ sind und einen dazu bringen, von einem Dach zu springen. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis wir tatsächlich da drin steckten.
Der Wendepunkt kam während einer Tour mit den Small Faces. Sie rauchten Joints so oft wie Zigaretten, warfen täglich Speed und standen total auf psychedelische Drogen, obwohl mir persönlich die ganze Sache mit LSD nie gefiel und ich mich davon fernhielt. Stattdessen brachte Steve Marriott, der brillante Sänger und Gitarrist der Band, Rick und mich dazu, dass wir vor jedem Gig mit ihm eine halbe Flasche Brandy kippten. Und nach dem Gig drehte ein Joint die Runde. Bis zu dem Zeitpunkt war John Coghlan der Einzige, der sich einige Bier genehmigte, während der Rest immer noch Tizer trank, eine Limonade.
Ich hatte einen Wahnsinnsspaß, mit den Kerlen zu touren. Stevie, seine Jungs und ich teilten denselben