Ich rede zu viel. Francis Rossi

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Название Ich rede zu viel
Автор произведения Francis Rossi
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854456674



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– Key – sich darüber unterhielten, außerhalb der Penne eine kleine Beatband zu gründen. Keys älterer Bruder spielte in Rolf Harris’ Begleitband, die einige Hits hatte mit „Tie Me Kangaroo Down, Sport“ und „Sun Arise“, das damals eine ganz große Sache war. Er erlaubte Alan seine Ersatz-Stratocaster zu benutzen, weshalb ich ihn zutiefst beneidete. Ein anderer Freund aus der Schule, Jess Jaworski, spielte Orgel und Alan Lancaster den Bass. Irgendwie gelang es ihm, dass seine Eltern für einen hellblonden Höfner Bass blechten. Ich war verblüfft – und beeindruckt. Es war ein wunderschön anzusehendes Instrument, doch er konnte sich keinen Koffer leisten, weshalb er den Höfner in einer alten Einkaufstüte aus Plastik mit sich herumschleppte.

      Der Drummer war ein Typ namens Barry. Ich kann mich nur noch an seinen Vornamen erinnern, wofür er mich wohl hassen wird, doch wahrscheinlich hasst er mich sowieso. (Einen Moment noch, dann werde ich das erklären.) Damit blieb ich an der Gitarre über, was okay war, denn wir „muckten“ rum und versuchten uns an Shadows-Instrumentals wie „Apache“ und „Kon-Tiki“. Nicht dass ich in der Lage gewesen wäre, wie ein Hank Marvin zu spielen! Für solch raffinierte Soli war ich viel zu faul, weswegen Jess einen Großteil der Soloarbeit auf der Orgel übernahm. Doch dann wollte die restliche Band einen Sänger – und ich sollte es sein! Nicht, dass ich darum gefeilscht hätte. Es war eine Sache, den Text von „Wake Up Little Susie“ oder „Love Me Do“ zu kennen, aber eine ganz andere, ihn auf der Bühne vor einem Publikum zu singen. Doch sie erklärten in aller Deutlichkeit, sich um einen anderen Sänger zu kümmern, wenn ich es nicht machen wolle. Ich hielt also die Luft an und sprang ins tiefe Becken. Und … es schien zu funktionieren. Ich glaube, ich sang „Michael (Row The Boat Ashore)“. Tja, da wir so einen Krach veranstalteten, konnte man den Gesang nicht wirklich gut hören, womit ich für den Moment erst mal sicher war. So sah ich das damals zumindest.

      Der ganze Firlefanz mit dem Singen fing in der Schule im Orchester an. Im Grunde genommen orientierten wir uns an Kenny Ball and His Jazzmen, einer der neuen, aber auch traditionell ausgerichteten Combos aus Essex, die in den frühen Sechzigern einige Hits hatten. Der Bandleiter Kenny Ball legte an einigen Stellen seine Trompete zur Seite, um einige Worte zu trällern. Wir spielten einen von Kennys großen Hits, „When The Saints Come Marching In“.

      Doch es war lediglich Schulkram, wir wussten das. In einer Band zu singen, während man noch Gitarre spielt, war auf einer ungleich höheren Ebene angesiedelt. Heute kann ich darüber lächeln, denn wir schafften es nicht – und da bin ich mir ziemlich sicher –, auch nur einen einzigen Auftritt zu machen. Wir probten lediglich in Jess’ Zimmer. Die Band hieß übrigens die Scorpions. Doch dann entschied sich Alan Key, der ironischerweise die Gruppe ins Leben gerufen hatte, zum Ausstieg. Er gab die Absicht bekannt, seine Freundin zu heiraten – sie war tatsächlich das Mädchen von nebenan –, sobald sie beide 16 Jahre alt seien. Für ihn schien es das Beste zu sein, von seinem Posten abzutreten und uns damit genügend Zeit zu geben, uns nach einem neuen Organisten umzusehen. Alan war sehr liebenswert, immer höflich und bedacht. Man möchte behaupten, viel zu nett, um Profimusiker zu werden.

      Zurückzutreten, stellte für einen 14-Jährigen eine noble Geste dar, sehr großzügig und vorausschauend. Wir ich später herausfand, müssen sich junge Musiker in einer Band früher oder später mit der Frage auseinandersetzen, ob sie mit einem Partner sesshaft werden wollen oder alles aufgeben, um es als Musiker zu versuchen. Die meisten schieben die Entscheidung aber viel zu lange auf. Das behindert entweder die Bandarbeit oder zerrüttet die Beziehung. In meinem Fall traf das Letztere zu. Alan Key sah das hingegen alles voraus und machte das für ihn Richtige. Seine Belohnung: Er ist immer noch mit dem Schwarm seiner Teenagerzeit zusammen. Meine Belohnung: Ich spiele immer noch in einer Band.

      Ich hatte nie das Gefühl, aus einer sicheren häuslichen Situation in die Welt hinauszugehen, wo mein Weg in ein sogenanntes normales Leben schon vorgezeichnet war – Schule, Job, Frau, Kinder, Tod. Für die Familie Rossi bedeutete Schule das, was wir zuhause lernten, Jobs das, was wir von zuhause aus machten, und Frauen mussten sich da irgendwie einfügen. Kinder waren Frauensache, und der Tod stand für etwas, das mir niemals zustoßen würde, vielen Dank auch!

      An diesem Punkt tauchte dann John Coghlan in der Geschichte auf. Nicht als Ersatz für Alan Key, sondern um Barrys Aufgabe zu übernehmen. Das lief alles ein wenig kompliziert ab, weshalb ich mich auf die Kurzversion beschränke. Barrys Dad hatte uns einen anständigen Proberaum beschafft, eine alte Garage in der Lordship Lane, Dunwich, im Süden Londons. Sie lag direkt neben dem Hauptquartier des Air Training Corps (ATC). Alle Piloten in Ausbildung mussten dorthin, und so trafen wir auf John, einen der Kadetten. Wir spielten erst seit einigen Wochen in dem Garagenkomplex, als wir entdeckten, dass die Soldaten ihre eigene Band hatten, die ebenfalls dort probte. Sie nannten sich – lassen Sie sich überraschen – die Cadets. Eines Abends gingen wir zu den Musikern rüber – die alle ein wenig älter waren als wir –, um sie uns mal anzuhören. Obwohl sie noch nicht viele Gigs gespielt hatten, wurde schnell klar, dass sie uns haushoch überlegen waren – besonders der Drummer.

      Das brachte uns auf verschwörerische Gedanken. Barry war ein guter Typ, doch ein ziemlich durchschnittlicher Drummer. Das überraschte kaum, denn er war noch blutjung, so wie wir alle. John spielte als Schlagzeuger schon in einer anderen Klasse. Es war ein Unterschied, der augenblicklich auffiel. Wenn man kein guter Gitarrist oder Bassist ist, kann man das bis zu einem gewissen Grad irgendwie vertuschen, doch die Drums sind so wichtig in einer Band, dass man es entweder „hat“ oder nicht „hat“.

      Ich muss gestehen, dass es aber auch noch einen anderen Grund gab, warum wir Barry nicht mehr bei uns haben wollten. Ich „traf“ seine Freundin. Soweit ich mich erinnere, kann man sie als „Anstifterin zur Tat“ bezeichnen. Sie war größer als ich und bekam immer das, was sie wollte. Ich behaupte nicht, dass sie mir eine Pistole an den Kopf hielt, doch als sie mir das erste Mal einen blies, verstand ich nicht so recht, warum sie ihren Kopf nach unten neigte. In Wahrheit wusste ich gar nicht, was sie vorhatte – etwa meinen Schwanz in den Mund nehmen? Gütiger Himmel! Was wird ihr wohl das nächste Mal einfallen?

      Als der Gedanke aufkam, John für unsere Band zu „stehlen“, verriet ich den anderen nichts davon, doch man kann durchaus sagen, dass ich mich erleichtert fühlte. Dafür steht doch eine Band: selbstsüchtig bis auf die Knochen zu sein! Ich hätte zuerst eigentlich „junge Bands“ gesagt, doch in Wahrheit betrifft das Bands in jedem Alter. Man will immer besser in der Musik werden – und den Pimmel zur Schau stellen. Tut mir leid, Barry. Aber vielleicht hättest du auch so gehandelt.

      Und so brachten wir John in die Band, und er trommelte fantastisch – sein Spiel ließ uns in eine andere Liga aufsteigen. Wir hießen nun The Spectres und begannen, zeitgleich mit Johns Einstieg alles sehr ernst zu nehmen. Drei Jahre älter als der Rest hatte John zuvor die Gesamtschule Kingsdale in Dunwich besucht und war nun angehender Pilot, was ihm einen Hauch von Autorität verlieh. Das traf natürlich nicht auf Alan Lancaster zu, der jeden herausforderte, egal wie alt – und fast immer gewann. Besonders wichtig für uns: John Coghlan war schon das, was man einen „richtigen Drummer“ nannte. Er hatte bei einem gewissen Lloyd Ryan Unterricht genommen, der nun wirklich ein „richtiger Drummer“ war und schon mit Matt Monro und Gene Vincent gespielt hatte. Ryan lässt sich als wunderbarer Mensch beschreiben, der in den Sechzigern mit allen nur erdenklichen Stars auftrat, darunter P. J. Proby, die New Seekers und Tony Christie. Und er wurde auch – interessanterweise, wenn auch ein wenig bizarr – der Manager und Sprecher des maskierten Wrestlers Kendo Nagasaki.

      Als John zur ersten Probe kam, wussten alle, dass wir einen Gang höher schalteten. Er tauchte in einem Minicab auf. Diese Vehikel waren 1962 der letzte Schrei, und wir dachten, man hätte ihn chauffiert! Später, als John zur Band gehörte, gab er den Ratschlag seines Vaters preis: „Lass es protzig aussehen, mein Sohn.“

      Glücklicherweise war John der unscheinbarste Typ, dem man begegnen konnte, und überhaupt kein Aufschneider. Für einen Drummer – die meist ziemlich verrückt sind – verhielt er sich recht ruhig. Abgesehen von den Episoden, in denen das nicht zutraf. Es gab Zeiten, da wurde er richtig sauer und explodierte förmlich. Um es mal so auszudrücken: John war kein Gemeinschaftstyp. Er machte alles mit sich selbst aus, sah sich nicht gezwungen, etwas vorzutäuschen, was nicht zutraf – und spielte einfach weiter auf seinen Drums. Aber die Hauptsache