Название | Ich rede zu viel |
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Автор произведения | Francis Rossi |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854456674 |
Es war ein grauenvoller, entsetzlicher Augenblick, und ich fühlte mich zutiefst beschämt – dafür, ein Weißer zu sein, ein Mann und aus demselben Land zu stammen wie dieser Wichser. Doch Madeline, die schon ihr Leben lang mit diesem Scheiß zurechtkommen musste, schüttelte es einfach ab. Für mich stellte das aber eine Lektion dar. Ich musste mich schon als Kind mit rassistischen Sprüchen abplagen, dachte aber, das alles hinter mir gelassen zu haben. Mal wieder falsch gelegen. Im Grunde genommen musste man nur Fernsehsendungen wie Till Death Us Do Part anschauen und sich das Gequatsche des damals immens beliebten Alf Garnett über „Neger“ und „Nigger“ anhören, um klar zu erkennen, wie weit Großbritannien dem Zeitgeist hinterherhinkte. Die Leute liebten Alf, der alles „ansprach“, für seine Direktheit. Wir lebten in einer Welt, in der man immer noch von „Bimbos“ und „Negerpüppchen“ sprach.
Plötzlich war das Leben voller auf die harte Tour gelernter Lektionen. Nach Tourende fragten wir, wo denn das ganze Geld von den Verkäufen von „Pictures“ geblieben sei. Dann entdeckte ich, wie fast jeder zur damaligen Zeit – und ich bin mir sicher, dass das auch noch heute zutrifft –, dass unser Vertrag mit der Plattenfirma Pye für uns einen Betrag von exakt einem halben Prozent des Großhändlerabgabepreises vorsah. 1967 verkaufte man eine Single für ungefähr sieben Schilling, was nach heutigen Maßstäben ungefähr 35 Pence sind. Der Großhändlerpreis lag bei annähernd der Hälfte. Das bedeutet, dass wir ungefähr 0,087 Pence pro verkaufter Scheibe erhielten. Meine Rechenkünste mögen wohl nicht ganz genau sein, aber man kann das Ganze einen ausgemachten Schwachsinn nennen. Was die Kompositionstantiemen anbelangte, hatten wir mit Valley Music einen etwas besseren Vertrag abgeschlossen. Doch auch diese Zahlungen wurden extrem aufgeweicht, als sie den Song unzählige Male an verschiedene Label in der ganzen Welt lizenzierten, die wohl nur selten ihre Umsätze korrekt angaben oder Tantiemen überwiesen – zumindest erfuhren wir nichts davon! Und dann musste man sich noch mit den kleingeschriebenen und kniffligen Vertragspunkten auseinandersetzen. Dazu gehörten unter anderem die Studiokosten, die Honorare für die Beteiligten und der „Bruch“. Letztgenannte Klausel stammte noch aus seligen Schellackzeiten, in denen Tonträger leicht zerbrachen, doch das hatte natürlich wenig mit dem schwabbeligen Vinyl zu tun, auf dem wir unsere Musik nun veröffentlichten. All das wurde von den Tantiemen abgezogen.
Als ich meinen ersten Scheck für „Pictures“ erhielt – und das muss ich leider zugeben – juckte mich das nicht besonders, denn ich erblickte verblüfft eine Summe von 1.200 Pfund. Das entsprach nach heutigen Maßstäben grob umgerechnet 20.000 Pfund. Zudem muss man bedenken, dass die Kaufkraft 1968 wesentlich höher war. Man bekam in der Zeit mit diesen 1.200 Pfund Eigenkapital bereits eine Hypothek für ein anständiges Haus im Süden Londons eingeräumt, und ein nigelnagelneuer Ford Capri (hey-hey) kostete schlappe 800 Pfund. Und so wäre ich beinahe hintenübergefallen, als ich den Brief mit dem Scheck öffnete. Ich dachte zuerst, dass es sich um einen Fehler handelte, und wollte es keinem der Bosse verraten, aus Angst, sie würden das Geld zurückfordern.
Dann zeigte ich Rick den Scheck, und er begann zu hyperventilieren. Doch er freute sich für mich und gelobte, bald auch eigene Songs zu schreiben. Keiner von uns hätte erwartet, so eine immense Summe mit einer Band zu verdienen. Plötzlich wollte jeder einen eigenen Song für die nächste Single komponieren. Das konnte verdammt nerven. Nicht, weil ich unbedingt im Rampenlicht stehen wollte, sondern weil die anderen mit schlappen Ideen um die Ecke kamen. Alan schlug vor, Musik wie Pink Floyd zu machen, und schrieb einen Song mit dem Titel „Sunny Cellophane Skies“, den er auch sang. Er war gar nicht mal so schlecht, doch lange kein „Interstellar Overdrive“. Rick und ich unternahmen damals die ersten Anläufe als Songwriting-Duo und schrieben „When My Mind Is Not Live“, bei dem Rick den Hauptgesang übernahm. Um es mal höflich auszudrücken: Es war ein Song seiner Zeit. Was bedeutet: ungefähr so kitschig und verklemmt „Sixties“ wie unsere Bühnenklamotten.
Der größte Missetäter war jedoch ich, da ich viel zu bemüht versuchte, einen offensichtlichen Nachfolger von „Pictures“ zu schmieden, der auf der A-Seite der nächsten Single sein sollte. Es wurde „Black Veils Of Melancholy“, eine Nummer zum sich Winden und Krümmen. Abgesehen vom fürchterlichen Titel, kann man es grundsätzlich als zweites „Pictures“ beschreiben, nur nicht so gut! Das ging sogar bis zum – bitte halten Sie sich die Ohren zu – „Poppa Piccolino“-Gitarren-Lick als Intro. Natürlich war dann auch niemand mehr überrascht als ich selbst, als es ein phänomenaler Flop wurde. Ich dachte, ich hätte es kapiert, das Rad neu erfunden – den klassischen Nachfolger geschrieben, der dem Original glich, aber sich so weit unterschied, um noch interessant zu sein. So sollte das damals eigentlich laufen. Falsch. Ich hatte eine Niete gezogen. Oh Mann, oh Mann …
Glücklicherweise hatte ich das bei „Pictures“ verdiente Geld in einem Zuhause für mich, Jean und Simon angelegt. Mir war zuvor gelungen, Gott sei Dank, uns aus dem Haus von Jeans Mutter herauszubugsieren, doch es reichte zuerst nur für ein Zimmer bei meinen Eltern. Mit den regelmäßigen Tantiemen mietete ich uns eine Wohnung in der Lordship Lane, Dulwich. Auch Bob Young und seine Frau wohnten in dem Gebäude. Wahrscheinlich kam von ihm der Tipp zur leerstehenden Wohnung. Wir wohnten direkt über ihm, und darunter befand sich der örtliche Co-op-Supermarkt, an den wiederum eine Leichenhalle angrenzte. Ich glaube, man kann „beim Co-op“ immer noch relativ günstige Beerdigungen bestellen. Bob und ich machten einige Witze über Geister und Gespenster, doch weder Jean noch mich juckte das. Es war einfach toll, eine eigene Bude zu haben.
Das verbleibende Geld aus den Tantiemen steckte ich in die Gruppe, um sie über Wasser zu halten. Als sich „Back Veils“ als Flop erwies, ging mir das am Arsch vorbei. Es schien wohl in den Sternen zu stehen, dass wir nur einen Hit haben sollten. Glücklicherweise schlug das Schicksal aber einen anderen Weg ein. Im Laufe der Jahre tauchte „Pictures Of Matchstick Men“ dann übrigens an allen nur erdenklichen und auch unerwarteten Orten auf. Das reichte von Soundtracks wie Men in Black III und Computerspielen (Mafia 3) bis hin zu Coverversionen von Camper Van Beethoven und sogar Ozzy Osbourne. Die meisten Leute erinnern sich jedoch an die Single im Kontext eines Playback-Clips bei Top of the Pops, wo wir in unseren „Swinging“-Carnaby-Street-Klamotten auftraten. Anscheinend findet sich das Video in nahezu allen Dokus über die Sechziger.
Sicherlich hatten wir damals einen „Look“, doch wir konnten uns dessen leider nicht rühmen. Tim Boyle, ein junger Modekenner, verwandelte unser Image. Tim arbeitete als Promoter bei der Agentur von Arthur Howe und buchte all unsere Konzerte. Er war es, der die Band in Läden wie Take 6, Lord John und die Carnaby Cavern in der Carnaby Street schleppte. Dort lernten wir den Filialleiter Colin kennen, der auch zu den häufig bei Top of the Pops zu sehenden Tänzern zählte. Colin war ultra cool und gab uns immer Tipps, welche anderen Bands sich in der jeweiligen Woche blicken ließen und sich neue Outfits kauften. Man nahm ein Sakko aus dem Ständer, und Colin warnte: „Nicht, lass das mal. Steve Marriott war gestern hier und hat sich das Gleiche gekauft.“
Rick und ich ließen die Hosen bei Bona Clouts in Soho speziell für uns anfertigen – echte Eierkneiferhosen mit einem Schlag von ungefähr 50 Zentimeter Gesamtlänge. Die Haare ließen wir uns beim selben Friseur stylen wie alle Bands. Das war damals eine richtige Szene. Es war eine unserer größten Sorgen nach dem Flop von „Black Veils“, dass wir es uns nicht mehr leisten könnten, dort zu shoppen. Noch kurz zuvor hatte sich Pat eines Tages bei einer Probe mit uns zusammengesetzt und erklärt: „Okay, Jungs. Ihr könnt jetzt alle eure Jobs aufgeben. Ich möchte, dass ihr euch von nun an auf das hier konzentriert.“ Damals hatten wir schon einen eigenen Tourmanager – es fühlte sich an, als sei die ganz große Zeit angebrochen – und spielten die sogenannten „Package-Tourneen“, an denen verschiedene Künstler teilnahmen. Wir traten zusammen mit Gene Pitney auf und Love Affair, und