Название | Bewegungen, die heilen |
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Автор произведения | Harald Blomberg |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954841400 |
Anfang 2010 veröffentlichte das westaustralische Gesundheitsministerium eine Langzeit-Outcome-Studie15 über den Einsatz stimulierender Medikamente bei der Behandlung von ADHS. [Eine „Outcome-Studie“ untersucht, ob bzw. in welchem Maße eine bestimmte Behandlung die angestrebten oder überhaupt angemessene Ergebnisse liefert. – Anm. d. Übers.]
Die zugrunde liegenden Daten betreffen 131 Patienten, die 20 Jahre lang von der Gesundheitsbehörde überwacht wurden. Diese Patienten wurden verglichen mit einer ähnlichen Gruppe mit der Diagnose ADHS, die nicht mit zentral wirksamen Stimulanzien behandelt worden waren. Die Studie ergab, dass die Medikation mit Stimulanzien den Blutdruck erhöhte, keinerlei Ergebnisse hinsichtlich der Lernleistung sowie keine Besserung des Verhaltens zeigte. Diejenigen, die damit behandelt werden, zeigen mit zehnfacher Wahrscheinlichkeit eine unterdurchschnittliche schulische Leistung. Die körperlichen Auswirkungen der Medikation verfolgen das Kind bis ins Erwachsenenleben.
In einem Interview des australischen Rundfunks zeigte sich der Koautor, Professor Lou Landau, bezüglich dieser Ergebnisse betroffen, da sie vielen der veröffentlichten (von der Industrie finanzierten) Kurzzeitstudien widersprachen.
Die Autoren schlussfolgerten: Da eindeutige Langzeitverbesserungen der sozialen, emotionalen und schulischen Leistungen in Verbindung mit dem Einsatz stimulierender Medikation ausgeblieben seien, sei eine speziell auf diesen Zweck zugeschnittene Langzeit-Forschungsstudie angezeigt, damit die „mutmaßlichen“ langfristigen sozialen, emotionalen und erzieherischen Vorteile der Stimulanzienmedikation zur Behandlung von ADHS „besser verstanden“ würden.
Die Entwicklung in Schweden
Zwischen 2000 und 2011 nahm die Zahl der Kinder, denen zentral wirksame Stimulanzien verschrieben wurden, um mehr als das Zehnfache zu: von 2000 Kindern auf 25 000 im Jahre 2011. Dies ist insofern eine bemerkenswerte Entwicklung, als Ritalin im Jahre 1968 wegen seiner großen Beliebtheit und des infolgedessen weitverbreiteten Missbrauchs vom Markt genommen wurde. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden Kindern nur selten zentral wirksame Stimulanzien verschrieben. Sie durften nur mit einer Sondererlaubnis der nationalen Gesundheitsbehörde verschrieben werden. Ende der 1990er begann die Anzahl der Kinder, denen zentral wirksame Stimulanzien verschrieben wurden, erheblich zu steigen. Führende Kinderpsychiater schätzten die behandlungsbedürftigen Kinder mit ADHS auf etwa 10 000. Doch im Jahre 2010 wurden bereits 20 000 Kinder behandelt.
Im Jahre 2004 veröffentlichte die staatliche schwedische Gesundheitsbehörde eine Broschüre mit dem Titel „Kurzer Abriss über ADHS bei Kindern und Erwachsenen“.16 Die Behörde unterstrich die Vererbung als Ursache von ADHS und schrieb:
„Vererbung vollzieht sich über die Gene. Gene steuern die Transmittersubstanzen, die Informationen zwischen den Neuronen des Gehirns übertragen. Ein Mangel oder die ungenügende Wirkung dieser Substanzen in bestimmten Hirnarealen verursacht Veränderungen der psychischen / kognitiven Funktion, wodurch es zu Problemen mit der Verhaltenssteuerung des Kindes kommen kann. Das wiederum führt zu typischen ADHS-Symptomen wie Unruhe, Problemen mit der Aufmerksamkeit und Impulsivität.“
Diese Aufsehen erregende Aussage über die Ursache von ADHS entbehrte jeglicher wissenschaftlichen Grundlage und widersprach der bei der amerikanischen „Konsens-Konferenz“ (1998) vorgestellten Forschung und ihrem gemeinsamen Abschlusspapier.
Die Behörde empfahl den Einsatz zentral wirksamer Stimulanzien als Behandlung bei ADHS und betonte, wie gut diese Medikamente insbesondere in großen Studien mit Kindern dokumentiert seien, wie wirksam sie seien und wie geringfügig ihre Nebenwirkungen seien. Es gebe, so die Behörde, keine anderen psychoaktiven Medikamente, die so sorgfältig untersucht worden seien wie die zentral wirksamen Stimulanzien, und sie traf folgende Feststellung:
„Aufgrund des rasch anwachsenden Wissens über ADHS in Schweden und der Tatsache, dass wir nun an internationalen Erfahrungen mit der Medikation teilhaben, hat die Anzahl der mit zentral wirksamen Stimulanzien behandelten Kinder genauso wie in anderen Ländern schnell zugenommen.“
Die staatliche Gesundheitsbehörde rühmte die zentral wirksamen Stimulanzien für die Steigerung der Konzentration und die Senkung der Hyperaktivität; zudem schienen die Medikamente geistige Fähigkeiten wie das Lösen von Problemen zu verbessern. Bezüglich der Gefahr der Abhängigkeit und des künftigen Missbrauchs erklärte die Behörde, dass es kein solches Risiko gebe, und behauptete, die Behandlung mit zentral wirksamen Stimulanzien scheine das Risiko eines künftigen Missbrauchs vielmehr zu verringern.
Die Folgestudien mit ADHS-Kindern, so schrieb die Behörde allerdings auch, böten oft ein düsteres Bild mit geringem schulischem und beruflichem Erfolg und häufigen psychischen Problemen im Erwachsenenalter. ADHS müsse als öffentliches Problem behandelt werden, da es viele Menschen betreffe und sich gravierend auf ihre Gesundheit, Entwicklung und die Möglichkeiten für ein vollwertiges Leben als Erwachsene auswirke.
Neueste MTA-Studie widerlegt die Ansichten der Behörde
Die jüngste MTA-Studie ergab, dass die Stimulanzien nach dreijähriger Einnahme keinerlei positiven Wirkungen haben. Sie sind schlichtweg nicht besser, als wenn überhaupt keine Behandlung erfolgt. Sie als wirksame Medikamente gegen ADHS zu bezeichnen muss ein Irrtum gewesen sein.
Im Gegensatz zur staatlichen schwedischen Gesundheitsbehörde ist die MTA-Studie weit davon entfernt, das Risiko künftigen Drogenmissbrauchs herunterzuspielen; sie hat gezeigt, dass die Einnahme der Stimulanzien zu einem aggressiveren und antisozialen Verhalten führt und ein erhöhtes Risiko für künftigen Drogenmissbrauch und Kriminalität in sich birgt.
Aufgrund dieser Erkenntnisse bestätigte die jüngste MTA-Studie auch, dass es nicht die Diagnose ADHS sei, sondern die Medikation mit zentral wirksamen Stimulanzien, die sich gravierend auf die Gesundheit der Kinder, ihre Entwicklung und die Möglichkeiten für ein vollwertiges Leben als Erwachsene auswirke.
Da die schwedische Behörde nun wissen sollte, dass die Stimulanzien nach dreijähriger Anwendung überhaupt nicht mehr wirksam sind, würde man die Veröffentlichung einer Korrektur ihrer früheren Aussage erwarten. Man würde auch erwarten, dass sie dem Rat eines der leitenden Forscher der MTA-Studie folgte und den Eltern ganz eindeutig klar machte, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass auf lange Sicht Medikamente besser seien als gar keine Behandlung.
In dieser Richtung ist jedoch nichts geschehen. In den 4 Jahren, die die Behörde über die Wirkungen Bescheid weiß, hat sie sich noch nicht zu der Studie geäußert. Es scheint auch wenig wahrscheinlich, dass sie sich überhaupt dazu äußern wird. Worin könnten die Gründe dafür liegen?
Gründe für das Vertuschen der jüngsten MTA-Studie
Schwedische Psychiater und Kinderpsychiater haben Politiker äußerst erfolgreich davon überzeugen können, Mittel Verfügung zu stellen, damit sie bei Kindern und Erwachsenen ADHS diagnostizieren und sie mit zentral wirksamen Stimulanzien behandeln können. Zudem wurden Psychologen und Sozialarbeiter eingestellt und speziell dafür geschult, die Ärzte bei der Diagnosestellung von Personen zu unterstützen, die angeblich mit Stimulanzien behandelt werden müssen. Zu Beginn gab es in einigen Teilen Schwedens Widerstand dagegen, Kinder unter Stimulanzien zu setzen, doch dank der vereinten Kräfte der Medien und der staatlichen Gesundheitsbehörde schwamm die Pharmaindustrie bald auf einer Erfolgswelle, die einen Schneeballeffekt hervorrief: Je mehr Kinder diagnostiziert und behandelt wurden, desto mehr Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter wurden gebraucht, die wiederum dafür sorgten, dass noch mehr Kinder diagnostiziert wurden usw. Mittlerweile ist ein Heer von Fachleuten für die laufend zunehmende Diagnostizierung und Behandlung von ADHS zuständig.
Die staatliche Gesundheitsbehörde und ihre psychiatrischen Fachleute wollen ihre Glaubwürdigkeit natürlich nicht dadurch einbüßen, dass ihre Inkompetenz öffentlich gemacht wird. Ärzte und Beschäftigte im Gesundheitswesen wollen ebenfalls ihre Arbeitsplätze und ihren Lebensunterhalt schützen. Politiker wollen sich nicht als diejenigen bloßstellen lassen, die lediglich aufgrund von Informationen – ohne ordnungsgemäße