Название | Bewegungen, die heilen |
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Автор произведения | Harald Blomberg |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954841400 |
Rhythmische Bewegungsübungen mit psychiatrischen Patienten
Ermutigt durch die Verbesserungen, die ich nicht nur bei Kindern mit schweren Behinderungen, sondern auch bei Erwachsenen mit Problemen wie Rückenschmerzen, Osteoarthritis oder psychiatrischen Symptomen erlebt hatte, führte ich die rhythmischen Übungen bei meinen Patienten in der Ambulanzklinik ein, wo ich als Facharzt tätig war. Sie lernten ein paar einfache rhythmische Übungen, die sie einmal täglich nicht länger als 10 Minuten machen sollten. Diese Übungen wurden bald sehr beliebt, denn bei vielen Patienten besserten sich die Depressionen, Angstzustände oder psychotischen Symptome. Ich bemerkte, dass sich viele aufgrund der Übungen an ihre Träume erinnern konnten und dass das für manche so war, als tue sich eine neue Welt auf. Ich stellte auch psychische Weiterentwicklungen fest, die sich in vielen Fällen in den Träumen der Patienten widerspiegelten.
Die Krankenschwestern, die sich um schizophrene und psychotische Patienten kümmerten, bemerkten, dass es diesen in vielerlei Hinsicht besser ging. Sie zogen sich weniger zurück, wurden aktiver und zeigten Interesse daran, Kontakte zu knüpfen. Ihre psychotischen Symptome verringerten sich und verschwanden bei zwei Patienten, die schon mehrere Jahre an Schizophrenie gelitten hatten, sogar völlig.
Die Patienten nahmen diese „Behandlung“ sehr dankbar und glücklich an, doch als mein Vorgesetzter davon erfuhr, untersagte er ihre Fortführung mit dem „Argument“, dass sie „nicht anerkannt“ und „kaum bekannt“ sei. Ich weigerte mich, seiner Forderung nachzukommen, und so sah er sich veranlasst, mich der staatlichen Gesundheitsbehörde zu melden, um mir Einhalt zu gebieten. Im Jahre 1988 wurde eine Untersuchung eingeleitet und ich schrieb zehn Fallstudien, die die Wirkung der Behandlung dokumentierten. Viele meiner Patienten wandten sich schriftlich an die Behörde und drückten ihre Dankbarkeit für die Behandlung aus. Die Behörde stellte in ihrem Abschlussbericht fest, dass die Behandlung von vielen Patienten als sehr positiv empfunden worden sei und dass diese Bewegungstherapie in einer als festgefahren oder stagnierend empfundenen Situation ein lobenswerter Beitrag zur Besserung sei. Zudem wurden meine Vorgesetzten von der Behörde kritisiert, da es an der Koordination bei der Behandlung von stationären und ambulanten Patienten mangele. Danach blockierte mein Chef mich ganz und gar; das machte meine berufliche Situation unerträglich und ich entschloss mich, zu kündigen.
Initiative zu einer wissenschaftlichen Studie
Im Jahre 1989 eröffnete ich eine Privatpraxis und ein Jahr später bat mich ein Kollege, Dr. Mårten Kalling, mein Bewegungstraining mit einigen schwer kranken Schizophreniepatienten durchzuführen, von denen die meisten 10 Jahre oder länger in einer psychiatrischen Klinik waren. Ich begann dort zweimal in der Woche zu arbeiten. Im Jahre 1991 wurde mir angeboten, an einem Forschungsprojekt über diese Arbeit unter der Leitung eines Assistenzprofessors für Psychologie von der Universität Umeå teilzunehmen.
Ich musste einen Antrag stellen, um Forschungsgelder für das Projekt zu erhalten, musste eventuelle vorausgehende Forschungen auf diesem Gebiet zusammenfassen, die Wirkungsweise der rhythmischen Übungen beschreiben und erklären, warum sie bei Schizophrenie Erfolg haben würden. Ich fand aber keine Forschungsarbeit über irgendeine Methode, die den rhythmischen Übungen auch nur entfernt ähnlich war. Ich betrat also Neuland, als ich die Arbeitsweise der rhythmischen Übungen zu erklären versuchte.
Die Studie wurde bewilligt, lief über 2 Jahre und zeitigte positive Ergebnisse: Die mit dem rhythmischen Bewegungen behandelten Patienten hatten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe die größten positiven Veränderungen gezeigt. Sie waren ihrer Umgebung gegenüber aufgeschlossener geworden, konnten an sozialen Aktivitäten sowie an der Beschäftigungstherapie teilnehmen und in sich größerem Ausmaß an den täglichen Aufgaben auf der Station beteiligen.
Die Wirkungsweise der rhythmischen Bewegungen nach Kerstin Linde
Kerstin Linde beschrieb die rhythmischen Bewegungen als rhythmische Ganzkörperbewegungen. Ihrer Meinung nach beruht die Methode auf einer funktional-ganzheitlichen Betrachtungsweise: Beseitigt man Funktionsstörungen des Körpers insgesamt, werden die daraus resultierenden Symptome indirekt behoben. Durch das Training lernt das Gehirn, den Körper und die motorischen Funktionseinheiten zu steuern und automatisch die jeweils erforderliche Muskelspannung anzuwenden. Laut Kerstin Linde ist es das Ziel des Trainings, sicherzustellen, dass Zirkulation und Austausch von „Gasen“ (Sauerstoff, Kohlendioxid u. ä.) in allen Körperteilen gewährleistet sind.
Sie wurde zu dieser Methode durch die rhythmischen Bewegungen inspiriert, die Babys spontan machen, bevor sie sich aufrichten und zu laufen beginnen. Dadurch lernen sie, für alle Bewegungen die adäquate Muskelspannung anzuwenden und automatisch mit der Schwerkraft zurechtzukommen. Wenn wir als Babys unsere Muskelspannung nicht in dieser basalen Weise angepasst haben (– sozusagen eine Art „Feintuning“), kann die Muskelspannung, die wir (auch später noch) automatisch anwenden, unseren Gelenken und der Wirbelsäule schaden und/oder die Zirkulation und den Gasaustausch behindern. Das kann schließlich zu Schmerzen und zur Abnutzung der Gelenke führen, insbesondere an Knien, Hüften und der Wirbelsäule.
Eine ergänzende Erklärung für die Wirkung der rhythmischen Übungen
Kerstin Lindes Theorie über die rhythmischen Bewegungen konnte nicht hinreichend erklären, wie dadurch die Sprachentwicklung bei Kindern mit Zerebralparese stimuliert oder psychotische Symptome bei chronischer Schizophrenie gebessert werden können. Ich musste andere Erklärungen für ihre Wirksamkeit in solchen Fällen finden.
Dazu inspirierte mich die Theorie des dreigliedrigen Gehirns von Paul MacLean [engl.: The Triune Brain. – Anm. d. Übers.], nach der für Motorik, Emotionen und kognitive Funktionen verschiedene Lagen oder Schichten des Gehirns verantwortlich sind. Diese Hirnteile sind beim Neugeborenen schon vorhanden, aber noch nicht voll entwickelt und miteinander verbunden. Dies sollte normalerweise während des ersten Lebensjahres vonstattengehen.
Als ich Kerstin Linde bei der Arbeit mit motorisch schwerbehinderten Kindern beobachtet hatte, war mir aufgefallen, dass andere Funktionen (wie Sprache, Emotionen und Kognition) bei ihnen umso weniger entwickelt waren, je schwerer ihre motorische Behinderung war. Und je schneller sie Fortschritte in der Motorik machten, desto schneller entwickelten sich die anderen Funktionen auch. Aus dieser Beobachtung zog ich den Schluss, dass das Gehirn durch die Motorik stimuliert werden muss, um sich zu entwickeln und zu reifen, und dass eine derartige Stimulation die unterschiedlichen Ebenen des Gehirns miteinander verbindet. Diese Tatsache wird jedoch von Hirnforschern und Ärzten im Allgemeinen nicht anerkannt; sie scheinen zu glauben, dass das Gehirn lediglich Sauerstoff und Nährstoffe brauche und sich sozusagen wie ein Kohlkopf entwickle.
Ich konnte dann auch eine plausible Erklärung dafür formulieren, dass die rhythmischen Übungen sowohl sprachliche als auch psychotische Symptome besserten. Später erklärte ich diese Theorie ausführlich in meinem ersten Buch über das rhythmische Bewegungstraining, das 1998 auf Schwedisch erschien.
Rhythmische Bewegungen und primitive Reflexe
Schon bevor ich Kerstin Linde kennenlernte, hatte ich bei Peter Blythe, dem Begründer des Institute of Neuro-Physiological Psychology (INPP) in England, einen Kurs über primitive Reflexe und Lernbehinderung besucht.
Primitive Reflexe sind automatische, stereotype, vom Stammhirn gesteuerte Bewegungen. Diese Reflexe steuern die motorischen Aktivitäten des Fötus und des Neugeborenen und müssen gehemmt und integriert werden, damit sich die Motorik des Kindes richtig entwickeln kann. Das Kind integriert die primitiven Reflexe, indem es rhythmische Bewegungen macht, die die