Название | Bewegungen, die heilen |
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Автор произведения | Harald Blomberg |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954841400 |
„Ich glaube, wir haben die positiven Wirkungen der Medikation in der ersten Studie überschätzt.“
Wenngleich das Ergebnis dieser neuen Studie in den USA, in Großbritannien und in Australien veröffentlicht wurde, schwiegen sich die schwedischen Medien darüber aus. Meines Wissens haben diese Erkenntnisse nirgendwo auf der Welt Diskussionen unter den Psychiatern oder in den Medien ausgelöst. Medizinische Fachleute geben Fehler selten oder niemals zu und im Fall der zentral wirksamen Stimulanzien scheinen die Psychiater ein „Vogel-Strauß-Verhalten“ vorzuziehen. Vielleicht warten sie auf eine neue Studie, die das Ergebnis der vorherigen widerlegt? Die Pharmaindustrie wird zweifellos alles daransetzen, dass es dazu kommt.
Zentral wirksame Substanzen verringern das Wachstum
Hätten die verantwortlichen Forscher der MTA-Studien ihre Hausaufgaben gemacht und die zahlreichen vorausgegangenen Studien analysiert, dann wären sie vom Ergebnis nicht so überrascht gewesen. Dutzende von Studien haben tatsächlich gezeigt, dass zentral wirksame Stimulanzien das Gesamtwachstum verringern. Eine offensichtliche Ursache ist, dass sie den Appetit zügeln, doch noch heimtückischer ist, dass sie die Produktion des Wachstumshormons stören. Das wurde bereits 1976 von einer norwegischen Forschergruppe gezeigt.8
In einer Studie von 1986 mit 24 jungen Erwachsenen, die als Kinder wegen Hyperaktivität mit zentral wirksamen Stimulanzien behandelt worden waren, wurde in mehr als 50 Prozent der Fälle ein Schwund an Gehirnmasse festgestellt.9
Zentral wirksame Substanzen verbessern den schulischen Erfolg nicht
Entgegen allen Behauptungen der Befürworter von Ritalin bei ADHS kommt es bei den mit zentral wirksamen Stimulanzien behandelten Kindern nicht zu verbesserten schulischen Leistungen. Bereits im Jahre 1976 konnte eine Doppelblindstudie bei mit zentral wirksamen Stimulanzien behandelten Kindern keine verbesserten Schulleistungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zeigen, wenngleich das Verhalten der behandelten Kinder als besser eingestuft wurde. Ganz im Gegenteil, die Forscher fanden heraus, dass zentral wirksame Stimulanzien wünschenswerte Verhaltensweisen, die das Lernen erleichtern, unterdrücken. Im Jahre 1992 warnten James Swanson (ein prominenter Befürworter von Ritalin bei ADHS) und seine Kollegen, dass es bei den üblicherweise verordneten klinischen Dosen zur toxischen Wirkung auf die geistigen Fähigkeiten, zur kognitiven Toxizität, kommen könne. Die Kinder würden verschlossen und überfokussiert und viele erschienen „zombiartig“. Laut Swanson ist kognitive Toxizität weit verbreitet und kann bei 40 Prozent der behandelten Fälle auftreten; und die Überfokussierung der Aufmerksamkeit kann das Lernen eher beeinträchtigen als verbessern.10
Erhöhtes Risiko von Drogenmissbrauch
Frühere Forschungen ergaben auch ein erhöhtes Risiko von Drogenmissbrauch. Die amerikanische Drogenbehörde (Drug Enforcement Administration, DEA) hat wiederholt große Bedenken geäußert, dass die Behandlung mit Ritalin zum Missbrauch anderer Drogen führen werde. Im Jahre 1995 berichtete die DEA, neuere Studien, Fälle von Drogenmissbrauch und Trends unter den Jugendlichen (aus verschiedenen Quellen) wiesen darauf hin, dass Methylphenidat (Ritalin) ein Risikofaktor für Substanzenmissbrauch sein könne.11
Bei der 1998 vom NIMH organisierten „Konsens-Konferenz“ legte die Professorin Nadine Lambert von der Universität von Kalifornien in Berkeley eine ungewöhnliche Langzeitstudie über den (späteren) Drogenmissbrauch in zwei ADHS-Gruppen vor. Die Studie verglich eine Gruppe, der im Kindesalter Stimulanzien verschrieben worden waren, mit einer Gruppe, die keine Medikamente erhalten hatte.
Die Wissenschaftlerin stellte eine deutliche Korrelation zwischen der Behandlung mit Stimulanzien und späterem Drogenmissbrauch fest. Sie erklärte, dass die Verordnung von Stimulanzien bei Kindern über einen Zeitraum von einem Jahr oder länger mit einem erhöhten lebenslangen Konsum von Kokain und Aufputschmitteln korreliere. In ihrer Abhandlung schlussfolgerte sie, dass die Einnahme von Stimulanzien in der Kindheit maßgeblich und durchgängig daran beteiligt sei, dass mit dem regelmäßigen Rauchen begonnen werde, dass im Erwachsenenalter täglich geraucht werde und dass es zu Kokainabhängigkeit und lebenslangem Konsum von Kokain und Aufputschmitteln komme.12
Aus ersichtlichen Gründen wäre es schwierig, Nebenwirkungen zentral wirksamer Stimulanzien wie Wachstumshemmung oder das Risiko späteren Drogenmissbrauchs zu demonstrieren, indem man die Kinder nur ein Jahr oder sogar kürzer begleitete. Solche Wirkungen zeigen sich erst Jahre später. Viele Kinder nehmen 5 bis 10 Jahre oder noch länger zentral wirksame Stimulanzien. Was mit diesen Kindern in Zukunft geschehen wird, darüber kann vorläufig nur spekuliert werden. Bisher fand keine Langzeitbeobachtung über mehr als drei Jahre statt und es darf bezweifelt werden, dass sich das jemals ändern wird, da die Ergebnisse solcher Studien für die Pharmaindustrie wahrscheinlich noch verheerender sind als die bisher jüngste veröffentlichte MTA-Studie.
Anfänglich gute Wirkungen – nach 3 Jahren verschwunden
Hätten die für die MTA-Studien verantwortlichen Forscher die früheren Studien an Affen über zentral wirksame Stimulanzien untersucht, so hätten sie vorhersagen können, dass die scheinbar „guten“ Wirkungen nach 3 Jahren verloren gehen.
Gemäß einer von den Befürwortern von Ritalin unterstützten Hypothese wird ADHS verursacht durch eine mangelhafte Funktion des Neurotransmitters Dopamin in zwei Hirnarealen, dem präfrontalen Kortex und den Basalganglien. Der präfrontale Kortex ist für die sogenannten exekutiven Funktionen verantwortlich: Aufmerksamkeit, Urteilsvermögen, Planung, Impulskontrolle; und die Basalganglien steuern unter anderem unsere Fähigkeit, still zu sitzen. [Exekutive Funktionen = Gehirnfunktionen, mit denen Menschen ihr Verhalten steuern. – Anm. d. Verlags]
Der Wirkungsmechanismus zentral wirksamer Stimulanzien besteht darin, die Freisetzung von Dopamin zu erhöhen und seine Aufnahme an den Synapsen des präfrontalen Kortex und in den Basalganglien zu verhindern. Infolgedessen vermehrt sich die in den Synapsen dieser Areale verfügbare Dopaminmenge; dadurch kommt es zu einer unmittelbaren klinischen Wirkung: Ein überaktives Kind, das die meiste Zeit herumgesprungen und -gelaufen ist und eine Belastung für die Menschen in seiner Umgebung war, ist oft schon nach der ersten Dosis in der Lage, ruhig zu sitzen und sich auf jede „langweilige“ Aufgabe zu konzentrieren. Dies hinterlässt bei vielen Lehrern und Eltern natürlich einen „nachhaltigen“ Eindruck.
Diese Wirkung ist jedoch nicht nur von kurzer Dauer, sie fordert auch einen hohen Preis. Die Erhöhung von Dopamin verursacht ein kompensatorisches Absterben von Dopaminrezeptoren im Gehirn, das die akute Drogenwirkung und den nachfolgenden Tod von Gehirnzellen bei Weitem überdauert.13 In einer Studie an Affen im Jahre 1997 konnte gezeigt werden, dass die Verabreichung von zwei relativ kleinen Dosen Amphetamin (2mg/kg Körpergewicht, im Abstand von 4 Stunden) eine dauerhafte, deutliche Abnahme der Dopamin-Synthese und -Konzentration bis zu 3 Monaten zur Folge hatte. Ein Tier zeigte selbst 8 Monate später noch eine fortgesetzte Fehlfunktion.14
Bei Kindern, die mit Amphetamin und anderen Stimulanzien behandelt werden, kann die Medikamentenmenge in mg/kg so hoch sein wie diejenige, die in mehreren Studien bei Tieren zu Gehirnschäden geführt hat.
Laut MTA-Studie verlieren zentral wirksame Stimulanzien ihre positive Wirkung, wenn Kindern länger als 1 Jahr und bis zu 3 Jahren damit behandelt werden. Dies ist logisch, wenn man die Langzeitwirkung zentral wirksamer Stimulanzien auf das Gehirn betrachtet, die die Verminderung der Dopamin produzierenden Nervenzellen zur Folge hat. Also muss die Dosis der zentral wirksamen Stimulanzien erhöht werden, damit dieselbe Wirkung erzielt wird, und auf lange Sicht haben diese aufgrund des massiven Verlustes von Dopamin produzierenden Gehirnzellen überhaupt keine positive