Название | k-punk |
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Автор произведения | Mark Fisher |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862872374 |
Wenn Cronenberg über die Zukunft der Sexualität der »neuen Rasse urbaner Menschen« in Crash spricht, geht er meistens negativ vor:
»Der Hochmut in einigen der schwierigen oder verwirrenden Aspekte von Crash, das Science-Fiction-hafte des Buches, hängt mit der pathologischen Psychologie der Zukunft zusammen, die Ballard entwirft. Sie entsteht gerade jetzt, aber er antizipiert sie und verlegt sie in die Vergangenheit – das Jetzt – und arbeitet mit ihr, als sei sie schon vollständig entwickelt.«
Die Ehe der Ballards ist in sich vollkommen dysfunktional:
»Einige Vertriebsfirmen sagten: ›Vielleicht sollten sie die Beziehungen am Anfang normaler gestalten, so dass wir sehen, an welchen Stellen es falsch läuft.‹ Mit anderen Worten, sie stellten sich das Ganze eher im Stil von Eine verhängnisvolle Affäre vor. Ein glückliches Paar, ein Hund, vielleicht ein Hase oder ein Kind. Und dann kommen sie durch einen Autounfall mit diesen schrecklichen Leuten in Berührung und alles geht schief. Ich sagte: ›Das geht nicht, denn bei ihnen läuft bereits jetzt etwas schrecklich falsch. Deswegen sind sie zu verletzlich, um überhaupt weiterzumachen.‹«35
Und dennoch wirkt die »Pathologie« der Ballards in Crash merkwürdig gesund; die Ehe ist das Vorbild einer vorzüglich angepassten Perversion. Ihre Sexualität ist utopisch, insofern als jeder sexuelle Kontakt frei von jeglicher Sentimentalität oder Schuld ist und nichts mit Reproduktion zu tun hat. Der Mangel an direkten sexuellen Begegnungen der Ballards – über die Cronenberg, wie bereits betont, eher negativ spricht, so als handele es sich um eine Abweichung von einem gesunden, unmittelbaren Sex, in dem die Partner eine harmonische Einheit bilden – weist darauf hin, dass es eine richtige sexuelle Beziehung überhaupt nicht gibt. In der Ehe der Ballards ist das aber kein Problem. Der Mangel an Unmittelbarkeit, die Anerkennung, dass jeder sexuelle Kontakt über die Phantasie laufen muss, ist die Basis all ihrer erotischen Abenteuer.
Man vergleiche die Ehe der Ballards mit der Beziehung der Hartfords in Eyes Wide Shut. Die Ballards nutzen ihre sexuellen Kontakte mit anderen als Stimulus für ihre eigene – teilnahmslose, unbewegliche, traumgleiche – Form der Sexualität, worin ein deutlicher Kontrast zum Stillstand der Ehe der Hartfords besteht, die in Bills Unfähigkeit, mit Alice’ Phantasie umzugehen oder mitzuhalten, offengelegt wird. Während Bill davon schockiert ist, dass Alice ihre Phantasien äußert, wird der Sex bei den Ballards von dem »weiblichen« Drang zu Sprechen regiert; es ist fast so, als ob alle physischen Kontakte nur deswegen geschehen, um sie später in erzählende Geschichten verwandeln zu können.
Die am meisten aufgeladene Szene in Crash findet in einer Autowaschanlage statt, wo James im Rückspiegel Catherine und Vaughan anschaut, die – in den Worten des Drehbuchs von Cronenberg – wie »zwei halb-metallische Menschenwesen der Zukunft in einer Chromlaube Liebe machen.« Deborah Unger, der eigentliche Star des Films, beeindruckt hier besonders. Wie eine Art Katzenroboter »spielt sie mit ihrem Haar, macht kleinere Korrekturen und bewegt den Kopf und signalisiert so die Übertragung kleiner Emotionen.«36
Wer benutzt hier wen? Die Antwort ist, dass alle drei Figuren einander benutzen. Catherines Begegnung mit Vaughan erregt James, genauso wie Catherine von dem Gedanken erregt wird, dass James sie mit Vaughan beobachtet. Der wiederum benutzt das Paar für seine eigenen libidinösen Experimente, während die Ballards Vaughan als dritte Figur in ihrer Ehe benutzen. Eine Mis-en-abyme des Begehrens …
Weit entfernt von einem Albtraum gegenseitiger Beherrschung, handelt es sich dabei um Cronenbergs/Ballards sexuelle Utopie, ein perverses Gegenstück zu Kants Reich der Zwecke. Das Reich der Zwecke war Kants ideale ethische Gemeinschaft, in der alle einander immer auch als Zweck betrachten. Aus Sicht der Ethik war Sex für Kant ein Problem, denn eine sexuelle Begegnung beruht darauf, den anderen als Mittel zu betrachten. Die einzige Möglichkeit, Sex mit dem kategorischen Imperativ in Einklang zu bekommen – der in einer seiner Versionen besagt, den anderen niemals als Mittel zum Zweck zu betrachten –, bestand darin, Sex in den Kontext der Ehe zu überführen, worin beide ihre jeweiligen Geschlechtsorgane zur gegenseitigen Benutzung einander vertraglich überschreiben.
Begehren wird hier als simple Aneignung gedacht (darin besteht eine weitere Parallele zwischen Kant und de Sade). Doch was Kant und jenen, die ihm darin folgen, indem sie Pornographie als »verdinglichend« denunzieren, entgeht, ist, dass unser tiefstes Begehren nicht darin besteht, einen anderen zu besitzen, sondern von ihm/ihr verdinglicht zu werden, von ihm/ihr in deren Phantasie benutzt zu werden. Darin besteht eine Bedeutung des berühmten Satzes von Lacan, dass »das Begehren das Begehren des anderen« ist. Die perfekte erotische Situation würde weder die Dominanz noch das Verschmelzen mit anderen involvieren; vielmehr würde man von jemandem verdinglicht, den man auch verdinglichen möchte.
Crash folgt natürlich Masoch und Newton darin, dass Sex von Genitalität gelöst wird. Die Libido lebt mehr von der Mis-en-scene statt vom Fleisch, das seine Anziehungskraft fast vollständig aus seiner Nähe zum braven Anorganischen bezieht – Kleidung soviel wie Autos. In der Rolle der Kleidung besteht der Unterschied zwischen der kalten und grausamen Kultivierung der Erscheinung im glamourösen Hochglanzporno und der Leidenschaft für das Reale im Hardcore-Streifen. Ohne Anzüge, Kleider und Schuhe, ohne Fell, Leder und Nylon ist Pornographie kaum mehr als das Arrangement im Schaufenster eines Fleischers. Newton erzählte Ballard, dass er »Cronenbergs Crash liebte«, doch dass ihn eine Sache störte. »Die Kleider«, flüsterte er. »Sie waren so schrecklich.« Mir erscheint das sehr unfair gegenüber der eleganten Kostümierung, die Denise Cronenberg für den Film entworfen hat. (Ein großes Problem von Jonathan Weiss’ Version von Die Schreckensgalerie besteht wiederum darin, dass die Kleider tatsächlich schrecklich sind.) Crash bezieht seine Inspiration aus den Hochglanz-Modemagazinen, deren Bilder den Prunk der schönen Künste geradezu übertreffen und steht mehr in Verbindung mit devianter Erotik als mit Hardcore-Pornographie. Ist unmöglich, eine Pornographie zu denken, die von Dior oder Chanel gesponsert und von einem modernen Masoch oder Ballard geschrieben wurde, deren Phantasien so kunstvoll inszeniert werden wie im besten Glamour-Magazin, das es gibt?
Eine Welt aus Furcht und Angst 37
»Kein Schlaf. Nur Arbeit –
Immer hell.
Kopf an der Scheibe, Sonnenaufgang –
Auf den Straßen unten versammelten sich die Truppen. Die Rote Garde skandierte laut:
Scab, Scab, Scab –
Der Morgenchor der Sozialistischen Republik South Yorkshire.
Noch eine Tasse Kaffee. Noch ein Aspirin.«38
David Peace, GB84
GB84 von David Peace ist in einer Prosa verfasst, die so kalt und unerbittlich ist wie die Neonröhren einer Raststätte.
Der harsche, expressionistische Realismus, den Peace über die vier Bücher der Red Riding Quartett-Reihe hinweg perfektioniert hat, eignet sich hervorragend für die Themen von GB84, die Ereignisse rund um den Bergarbeiterstreik 1984/85. Die Zeit der Quartett-Reihe bewegte sich vorwärts – 1974, 1977, 1980, 1983 –, so als ob sich die Bücher dem schicksalhaften Jahr im Titel von GB84 immer weiter annähern, ohne es zu erreichen. Von dort aus geht es rückwärts; bei GB84 handelt es sich »eigentlich um den letzten Teil einer invertierten Nachkriegstrilogie, zu der auch UKDK gehört, ein Roman über den Plan der Ermordung Wilsons und dem sich anschließenden Aufstieg Thatchers sowie ein weiteres Buch, bei dem es vielleicht um die Regierung Atlee geht«. Vom Schauerkrimi zum politischen Gruselroman