Название | k-punk |
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Автор произведения | Mark Fisher |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862872374 |
»In dieser Situation findet die Parodie, verstanden als parodistischer Umgang mit einem Original, kein Betätigungsfeld mehr. Sie hat sich überlebt, und die seltsam neue Erscheinung des Pastiche, die Imitationskunst, nimmt langsam ihren Platz ein. Pastiche und Parodie sind Imitationen einer eigentümlichen Maske, Sprechen in einer toten Sprache.«8
Entgegen Jamesons eigener Aussagen über Ballard9, besteht ein wichtiger Unterschied zwischen Ballards Text und dem Pastiche in der Abwesenheit jeglicher »Nostalgie« oder eines »nostalgischen Modus« – die in anderen postmodernen Texten ständig präsent sind, wie Jameson zeigt. Tatsächlich machen die textlichen Innovationen Ballards – wie man im Seitenlayout von Die Schreckensgalerie sieht – zu einer Art Anomalie in Jamesons Analyse; in diesem Sinne scheint Ballard eher zum Modernismus, wie Jameson ihn versteht, zu gehören. In anderer Hinsicht jedoch – besonders bezüglich des Verfalls von individueller Subjektivität und dem Scheitern kollektiven politischen Handelns – ist Ballard emblematisch für Jamesons Postmoderne. Anders als der Pastiche imitiert Ballard jedoch keinen »persönlichen oder einzigartig idiosynkratischen Stil«. Der Stil, den Ballard in Warum ich Ronald Reagan ficken möchte imitiert – ein Stil, der dem gesamten Roman eigen ist – besteht gerade im Fehlen jeder Einzigartigkeit: Wenn es irgendwelche Idiosynkrasien gibt, dann gehören sie zum Register der (pseudo-)wissenschaftlichen Reportage, nicht zur Persönlichkeit eines individuellen Subjekts. Die Tatsache, dass der Text von einer politischen Führungspersönlichkeit handelt, weist auf die Abwesenheit einer expliziten – und wenn es um Satire oder Parodie geht, impliziten – politischen Teleologie in Ballards Schriften hin. In diesem Sinn ist Warum ich Ronald Reagan ficken möchte anders als Jamesons Pastiche, »frei von den Hintergedanken der Parodie«.
Darin unterscheidet sich Ballards Text von einem klassischen Stück Satire wie Jonathan Swifts Ein bescheidener Vorschlag. Ein bescheidener Vorschlag ist ein paradigmatischer Fall dessen, was Joyce »kinetische« Kunst genannt hat, eine Kunst, die unter spezifischen politischen und kulturellen Umständen entstanden ist und ein bestimmtes Ziel im Blick hat, nämlich das Publikum zum Handeln zu bringen. Swifts politische Motive – seine vernichtende Kritik an einigen grausamen englischen Reaktionen auf die Hungersnot in Irland – zeichnen sich durch einen bestimmten stilistischen und thematischen Exzess aus (ein Exzess, der einigen Lesern von Swifts Text vollkommen entgangen ist, die ihn vielmehr für bare Münzen nahmen). Ballards Text hingegen, der auch unter spezifischen soziokulturellen Umständen entstanden ist, ist gekennzeichnet von Flachheit. Darin geht er (sogar) einen Schritt über Burroughs hinaus. Denn trotz ihres sprachlichen Einfallsreichtums bleiben Burroughs’ humorvolle »Routinen« wie die vom »vollkommenen, von allen Ängsten befreiten Amerikaner«10 durch ihre Übertreibung und ihre klare politische Agenda vollständig in der klassischen Tradition der Satire: Indem Burroughs eine Reihe exzessive Tropen verwendet, verspottet er die amoralische Haltung der amerikanischen Technologiewelt. Im Gegensatz dazu »fehlt« Ballards Texten ein Plan für die Leser oder den von Jameson beschriebenen »Hintergedanken«; der parodierende Text beruhte immer auf der Wichtigkeit des Parodisten dahinter, dessen implizit angezeigten Haltungen und Meinungen, Warum ich Ronald Reagan ficken möchte hingegen ist so kalt und anonym wie der Text, den er imitiert. Während wir Burroughs über den »vollkommenen, von allen Ängsten befreiten Amerikaner« und den absurden Exzess der Wissenschaftler lachen hören können, ist die Reaktion Ballards auf die Wissenschaftler, die er imitiert, unlesbar. Was möchte »Ballard«, das der Leser fühlt: Abscheu? Amüsement? Es bleibt unklar und ist auch, wie Baudrillard mit Blick auf Crash11 gesagt hat, irgendwie unaufrichtig von Ballard, dass er seine Texte – durch einleitende Bemerkungen – übercodiert und mit all dem traditionellen Ballast der »Warnung« versieht, dem sie sich selbst offenkundig entziehen. Die Haltung, die Ballard in Warum ich Ronald Reagan ficken möchte annimmt, ist nicht die der (satirischen) Übertreibung, sondern eine Art (simulierte) Extrapolation. Schon allein das Genre der Umfrage oder der Untersuchung macht, wie Baudrillard zeigt, die Frage unbeantwortbar und unentscheidbar.
Entgegen Ballards eigener Aussage (siehe oben) geht es weniger um die (mögliche) Ähnlichkeit von Warum ich Ronald Reagan ficken möchte mit (möglichen) Untersuchungen, sondern vielmehr um die Zirkulation der Simulation, zu der solche Untersuchungen beitragen. Im Zusammenhang mit dem Pastiche kommt Jameson auf den Begriff der Simulation zu sprechen, den er – zumindest hier – jedoch auf Platon bezieht, statt auf Baudrillards Neufassung zu verweisen. Jamesons Intuition bezüglich des Verhältnisses von Pastiche und Simulation ist jedoch wichtig. Vielleicht können wir eine Korrelation zwischen Baudrillards Simulakra der dritten Ordnung und Jamesons Pastiche auf der einen Seite, und Ballards Text auf der anderen Seite konstatieren. Im Simulakrum der dritten Ordnung bei Baudrillard geht es, wie wir bereits mehrfach betont haben, um das Schwinden der Distanz zwischen Simulation und Simuliertem. Klassische Satire würde demgegenüber eher in das »Simulakrum der ersten Ordnung« gehören – eine Simulation, die dem Original ähnelt, aber mit einigen verräterischen Unterschieden. Ballard simuliert die Simulation (die Umfrage, die Untersuchung).
Was ist die Politik der Langeweile?
(Ballard 2003 Remix) 12
»Die blühende Vorstadt war einer der Endzustände der Geschichte. War dieser einmal erreicht, konnten nur Pest, Flut oder Atomkrieg seinen festen Griff gefährden.«13 (J.G. Ballard, Millennium People)
»J.G. Ballard« ist der Name einer Wiederholung.
Das ist etwas anderes als zu sagen, dass sich Ballard wiederholt. Im Gegenteil, es ist sein Formalismus, seine ständige Vertauschung der immer gleichen Begriffe und Fixierungen – Katastrophen, Piloten, willkürliche Gewalt, Mediatisierung, die totale Kolonisierung des Unbewussten durch Bilder – die verhindern, dass man seinen Namen einfach so mit einem Selbst verbindet.
Die obsessive Qualität seiner Betrachtungen und seiner Methodologie weisen darauf hin, dass Ballard den Glauben an seine frühesten Inspirationsquellen niemals verloren hat: Psychoanalyse und Surrealismus. In beiden fand er eine rigoros entpersonalisierte Theorie der Subjektbildung. Das sogenannte Innere hatte eine Logik, die sowohl freigelegt als auch entäußert werden konnte.
Ballards Laufbahn kann als die wiederholte Umschreibung zweier Texte von Sigmund Freud beschrieben werden, Das Unbehagen in der Kultur und Jenseits des Lustprinzips. Die Umweltkatastrophen in seinen frühen Romanen (Paradiese der Sonne, Die Dürre, Kristallwelt) werden von den Figuren meist als Chancen begriffen, als Möglichkeiten, um sich der drögen Routinen und Protokolle der sesshaften Gesellschaft zu entledigen. Die Mitte der 1960er Jahre beginnende und in gewissem Maße bis heute anhaltende, zweite Phase seines Werks setzt diese Logik fort, und zwar insofern, als dass die Katastrophen und Grausamkeiten, die den Charakteren dieser Romane widerfahren, aktiv herbeigesehnt werden. (Oder versuchen die Menschen hier das Ur-Trauma ihres Seins durch Wiederholung zu bewältigen?) Katastrophen sind nun die Katastrophen der Medienlandschaft – jener Raum, in dem sich die Menschen inzwischen primär aufhalten und der von ihren Wünschen und Trieben nicht nur geformt ist, sondern auch konstituiert wird. Dennoch müssen wir diese noch einmal spezifizieren und zwar mit der weiteren Beobachtung, dass die menschlichen Wesen nicht die »Besitzer« ihrer Wünsche und Triebe sind – sie »haben« sie nicht. Vielmehr besteht das Mensch-sein im Ausagieren dieser Impulse, gleich Instrumenten, durch die das Trauma registriert wird.
Seit High-Rise (1975) hat Ballard die größte Aufmerksamkeit auf die superreichen und gelangweilten Bewohner von geschlossenen Gesellschaften gelegt. Mochte Ballards Auseinandersetzung mit den Mores solcher Communities auch langsam verblassen, so wurde sie mit Millennium People definitiv wiederbelebt, seinem jüngsten und besten Buch zu diesem Thema.
Die