Cowboys & Indies. Gareth Murphy

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Название Cowboys & Indies
Автор произведения Gareth Murphy
Жанр Книги для детей: прочее
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Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783862871612



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NAB, die »National Association of Broadcasters«. 1937 hatte die ASCAP angekündigt, einen Lizenzvertrag mit den Radio­stationen neu verhandeln zu wollen, wenn dieser im Jahr 1940 auslaufen würde. Die ASCAP drängte darauf, Lizenzgebühren für gespielte Titel künftig auf der Basis der Zuhörerzahlen zu entrichten. Die NAB entgegnete, dass keine Radiostation in der Lage sei, exakt ihre Einschaltquoten zu ermitteln.

      1940 entschied ein Bundesgericht, dass Radiostationen weiterhin diejenigen Platten ausstrahlen dürften, die sie käuf­lich erworben hatten. Im Januar 1941 antwortete ASCAP mit einem Radio-Boykott: Zehn Monate lang war es allen NBC- und CBS-Stationen verboten, sich am ASCAP-Katalog zu bedienen, der immerhin eine Million Kompositionen umfasste.

      Mit der »American Federation of Musicians«, angeführt von James Petrillo, rief 1942 eine weitere Organisation zum Boykott gegen die Plattenfirmen auf – die in jenen Jahren nun einmal deckungsgleich mit den großen Radiobetreibern wie RCA und CBS waren. Auf ihrer jährlichen Konferenz stimmten die Mitglieder geschlossen für einen Boykott aller Aufnahmestudios. Man wollte mehr Geld – und darüber hinaus auch Gelder für einen Fond, der arbeitslosen Musiker zur Verfügung gestellt werden sollte. Als der Zweite Weltkrieg die moderne Welt in ihre bislang größte Krise stürzte, kam die Musikproduktion in Amerika zu einem abrupten Halt.

      Die Radiostationen lehnten jegliche Kompromisse ab, während sich die Plattenfirmen darauf beschränkten, existierende Aufnahmen wiederzuveröffentlichen. Die Lage wurde noch ex­plosiver, als sich mit der BMI ein weiterer Musikverlegerverband in die Diskussion mischte. Die »Broadcast Music Inc«, 1939 von Radiomanagern gegründet, um das ASCAP-Monopol zu schwächen, ergriff die Gunst der Stunde, um die Radiosender mit Nicht-ASCAP-Material zu versorgen. Da ASCAP von den großen Verlegern aus der Tin Pan Ally dominiert wurde, sahen die kleineren Verleger – die in Nashville beheimatet waren – eine Gelegenheit, ihre Präsenz im Radio zu verstärken.

      ASCAPs Boykott sollte sich als Rohrkrepierer erweisen. Am Ende des Tages war man sogar gezwungen, einen Vertrag zu unterschreiben, der für die Musikverleger noch unvorteilhafter war als zuvor. Die Bestreikung der Aufnahmestudios, damals unter dem Namen »Petrillo ban« bekannt, zeigte hingegen handfeste Erfolge. Da die Studios praktisch paralysiert waren – und zudem viele Musiker an der Front kämpften –, waren die meisten Plattenfirmen zur völligen Untätigkeit verdammt.

      Der einzige record man, der es irgendwie schaffte, seine Finger konstant am Puls der Zeit zu halten, war Jack Kapp. 1937 etwa hatte er die Andrews Sisters entdeckt – drei Country-Girls, die einen ganz eigenen, dreistimmigen Gesangsstil entwickelt hatten. Ihre frühen Aufnahmen, darunter der weltweite Hit »Bei Mir Bist Du Schoen«, verkauften sich prächtig – selbst zu Zeiten des »Petrillo ban«. Als Uncle Sams Maskottchen tourten sie unablässig durch Krankenhäuser und Munitionsfabriken oder die Militärbasen an den pazifischen Kriegsschauplätzen. Man nannte sie die »Sweethearts of the Armed Forces« – und ein Teil ihrer patriotischen Show bestand darin, drei glückliche Soldaten auszuwählen, die sie abends zum Dinner ausführen durften.

      John Hammonds individuelle Erlebnisse waren symptomatisch für die Erfahrungen, die viele junge Männer in diesen Jahren machten. Während die Columbia-Studios im Dornröschenschlaf lagen, hatte er 1942 geheiratet und einen Sohn bekommen. Ein Jahr später, seine Frau war gerade mit ihrem zweiten Kind schwanger, wurde Hammond eingezogen. Er bestieg in New York einen Zug, der ihn mit anderen deprimiert dreinschauenden Rekruten nach Fort Dix in New Jersey brach­te. Er hatte gehört, dass dort am gleichen Tag auch Mitglieder der Count Basie Band erwartet wurden, doch anders als im Greenwich Village wurde in der Kaserne noch immer die alte, bei Liberalen verpönte Rassentrennung praktiziert.

      Innerhalb weniger Tage wurde Hammond klar, dass sein ganzes bisheriges Leben vom Krieg weggewischt worden war. Er war jetzt nur noch der Gefreite Hammond, der von vierschrötigen Südstaaten-Rednecks getriezt wurde, weil sie seine Weltläufigkeit als Affront empfanden. Er wurde nach Fort Belvoir/Virginia verlegt, um auf den Einsatz bei einer Pioniertruppe vorbereitet zu werden. Auf den täglichen Gewaltmärschen, die mit 40 Kilo Gepäck zurückgelegt werden mussten, verlor Hammond nicht nur rapide Gewicht, sondern spürte auch, wie sich die Depression immer tiefer in sein Hirn fraß.

      Nachdem er bei einem Fitnesstest ohnmächtig geworden war, musste er zwar nicht mehr zur Front, wurde aber für einen stumpfsinnigen Büro-Job abgestellt, in dem er sich um Unterhaltungsmöglichkeiten in Kasernen und den Zusammenhalt der ethnischen Gruppierungen Gedanken machen musste. Er erhielt Urlaub, als seine Frau in New York ihr zweites Kind bekam, konnte aber im Krankenhaus nur miterleben, wie das Kind nach neun Tagen starb. Nichtsdestotrotz erhielt er die Order, nach Fort Belvoir zurückzukehren. Seine Frau, die mit der Tragödie nicht nur allein zurechtkommen musste, sondern sich gleichzeitig auch um ihren Erstgeborenen zu kümmern hatte, versank in Apathie. Hammonds Briefe nach Hause wurden von der Militäraufsicht gelesen und trafen mit dem entsprechenden Stempel der Behörden ein. Der Krieg gegen Hitler und Hirohito mochte unumgänglich sein, doch die Leiden der betroffenen Familien waren gewaltig.

      Auch wenn Kriegspropaganda und die kollektive Erinnerung diese Ära heroisch verklärten, so erzählt die Musik doch eine andere Geschichte. 1939 landete Vera Lynn mit »We’ll Meet Again« in England einen Hit, der die emotionale Verunsicherung der Menschen genau auf den Punkt brachte. Glenn Millers opulente »Moonlight Serenade«, ebenfalls von 1939, schien Verzweiflung und Sehnsucht gleichermaßen zu transportieren. Mit ihren klagenden Klarinetten- und Saxofon-Harmonien sollte sie eine der unvergesslichen, nostalgieschwangeren Melodien der Kriegsjahre werden.

      Die US-Army, vom Petrillo-Boykott nicht betroffen, begann 1943 damit, sogenannte »V-Discs« (»V« wie »Victory«) an die kämpfenden Truppen zu schicken. Rund vier Millionen Platten wurden weltweit vertrieben – eine nicht unbeträchtliche Anzahl, wenn man bedenkt, dass die Platten rund um die Uhr abgespielt wurden. Uncle Sam bemühte sich dabei, die gemeinsamen Erinnerungen mit einer ganz spezifischen Musik zu prägen. Es waren Melodien mit Wohlfühlfaktor, die möglichst viele soziale Gruppierungen ansprechen sollten.

      Bandleader Artie Shaw erinnerte sich an eine besonders emotionale Episode an Bord des Flugzeugträgers »USS Saratoga«, der im Südpazifik im Einsatz war. Nachdem japanische Bomber das Schiff innerhalb weniger Wochen 17 Mal atta­ckiert hatten, war die Moral der Truppe auf dem Tiefpunkt. Shaw wurde gebeten, mit seiner Big Band aufzutreten, um die Stimmungslage wieder etwas aufzuhellen. Um den dramatischen Effekt zu verstärken, wurde die Band auf einer hydraulischen Plattform ins Innere des Schiffs hinabgelassen, wo 3000 Marines in Uniform warteten. Der Schrei, der bei ihrem Auftauchen ertönte, war mit nichts vergleichbar, was er in seinem Leben gehört habe. »Es warf mich wirklich um«, so Shaw. »Ich wollte nicht glauben, was ich dort hörte und sah. Ich hatte das Gefühl, Teil eines außergewöhnlichen Ereignisses zu sein. Die Männer dort waren geradezu ausgehungert nach etwas, das sie an die Heimat erinnerte, an Muttern und ihren Apple-Pie. Und die Musik hatte genau diese Wirkung.«

      Die eigentliche Ikone der Kriegsjahre aber war ein anderer Decca-Star: Bing Crosby. Das Yank-Magazin, eine Army-Zei­tung, die während der Kriegsjahre veröffentlicht wurde und mit freizügigen Fotos von Glamourmodels für Aufsehen sorgte, hatte mit Sicherheit ein Gespür für die Gemütslage seiner Leserschaft. Es sprach für die Bedeutung von Musik in Krisenzeiten, dass Yank die Behauptung aufstellte, Bing Crosby habe mehr für die GI-Moral getan als alle Prominenten und Prediger zusammengenommen. Unter seinen zahllosen Hits war es vor allem die schmachtende Interpretation eines Irving Berlin-Songs, der alle existierenden Rekorde brach: »White Christmas« war im Winter ’42/’43 elf Wochen lang die meistverkaufte Aufnahme in den USA. Selbst als sie kurz vor Kriegsende wiederveröffentlicht wurde, marschierte »White Christmas« erneut an die Spitze der Verkaufslisten.

      Ein bemerkenswerter Neuling unter den Plattenfirmen war Capitol – das erste Label, das im fernen Los Angeles aus der Taufe gehoben wurde. Hollywood-Bosse hatten mehrfach ver­sucht, einen Fuß in die Tür des New Yorker Musikgeschäftes zu bekommen, waren dabei aber stets gegen die Wand gelaufen. Capitol, basierend auf der Expertise von drei erfolgreichen Insidern, wollte hingegen einen Neubeginn wagen: Der erst 33-jährige Johnny Mercer war ein gefragter Songwriter, der oft mit Hoagy Carmichael zusammenarbeitete und Hits für Bing Crosby, Glenn Miller, Fred Astaire, Jimmie Lunceford, Cab Calloway, die Andrews Sisters und alle anderen US-Größen geschrieben