Cowboys & Indies. Gareth Murphy

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Название Cowboys & Indies
Автор произведения Gareth Murphy
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783862871612



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DeSylva, zuletzt im Management von Paramount Films tätig, hatte mit George Gershwin das Musical »Blue Monday« geschrieben, aber auch jahrelang im Vorstand von ASCAP gesessen. Der Dritte im Bunde war Glenn Wallichs, der mit »Music City« den größten Plattenladen in Los Angeles besaß. Er überzeugte Mercer und DeSylva davon, keine Gelder von Paramount anzunehmen, sondern legte lieber 15000 Dollar in die Kasse, um Capitols Unabhängigkeit zu wahren.

      Mercers erste Entdeckung war Nat King Cole, den er zwar unter Vertrag nahm, aber – wegen des Studiomusiker-Boykotts – nicht aufnehmen konnte. Jack Kapp, den ähnliche Sorgen plagten, hatte in der Zwischenzeit einen Deal mit James Petrillo ausgehandelt: Er zahlte einen prozentualen Beitrag seiner Einnahmen auf das Sperrkonto für arbeitslose Studiomusiker (und öffnete dafür sogar seine Geschäftsbücher, um anhand der Seriennummern die exakte Verkaufszahl einer Platte offenzulegen). Im Gegenzug konnte Decca, sollte es zu einem erneuten Streik kommen, mit denjenigen Musikern arbeiten, die man momentan unter Vertrag hatte. Da Mercer auf glühenden Kohlen saß und mit neuen Aufnahmen des King Cole Trios nicht warten wollte, folgte Capitol einen Monat später Deccas Beispiel und traf mit Petrillos Gewerkschaft eine entsprechende Regelung. »Straighten Up and Fly Right«, Coles erste Aufnahme, war die musikalische Interpretation einer Predigt, die sein Vater gehalten hatte – und verkaufte auf Anhieb 500000 Exemplare. Die Einnahmen reichten aus, um Capitols kritische Anfangsphase zu finanzieren.

      Die aufregendste Stimme unter den neuen jungen Sängern aber gehörte Columbia. Frank Sinatra war ein attraktiver Italo-Amerikaner, der zum ersten Mal auf Platte zu hören war, als er beim Swing-Orchester von Harry James als Sänger mitwirkte, schnell aber die Begehrlichkeiten eines Konkurrenten weckte. Der resolute Posaunist Tommy Dorsey warb ihn nicht nur ab, sondern überzeugte den 26-jäh­rigen Sänger auch davon, einen zusätzlichen Managementvertrag mit ihm abzuschließen. Im Mai 1941 wurde Sinatra nicht nur von Billboard und Down Beat zum besten Sänger gekürt, sondern entwickelte auch in der jungen Damenwelt eine phänomenale Anziehungskraft. Die »Sinatramania« erreichte im Winter 1942 nie gekannte Ausmaße, als er das »Paramount Theatre« in New York acht Wochen lang ausverkaufte. »Ich hatte schon Angst, das ganze gottverdammte Gebäude würde einbrechen«, so Komiker Jack Benny, »und alles wegen eines Burschen, von dem ich vorher noch nie gehört hatte.« Columbia überschlug sich geradezu dabei, ihn unter Vertrag zu nehmen. Es war John Hammonds Chef Manie Sacks, der Sinatra obendrein davon überzeugte, sich aus dem Managementdeal mit Dorsey irgendwie herauszulavieren. Vor das Problem gestellt, dass man Sinatra zwar unter Vertrag hatte, aber aufgrund des Studioboykotts keine Aufnahmen machen konnte, entschloss sich Columbia, die Harry James-Aufnahmen von 1939 aus dem Archiv zu holen und als Sinatra-Platte wiederzuveröffentlichen.

      Während sich das Original mehr schlecht als recht verkauft hatte, ging die Neuversion im Sommer 1943 eine Million Mal über die Ladentische. Sinatra wurde auf unliebsame Weise an seinen Managementvertrag erinnert, als sich Dorsey 43,3 Prozent der Tantiemen unter den Nagel riss. Mit tatkräftiger Unterstützung von Sachs gelang es Sinatra, sich aus dem Vertrag freikaufen. Dorseys Trostpflaster in Höhe von 25000 Dollar schoss ihm Columbia vor.

      Als sich die Gefechte im Pazifik, in Nordafrika und Russland 1943 ausweiteten, zog auch die Zahl der Einberufungsbefehle weiter an. Im Dezember war Sinatra aufgrund eines geplatzten Trommelfells mit »4-F« als untauglich gemustert worden. Da er auf Fotos stets den Playboy mimte, der von schönen Frauen (oder schreienden Teenagern) umgeben war, avancierte der junge Sinatra zum umstrittensten Prominenten der Kriegsjahre. Glaubt man einem Gerücht, so zahlten seine Hintermänner 40000 Dollar, um ihn vom Militär zu befreien. Jahre später wurde bekannt, dass ihn ein Militär-Psychologe als »neurotisch« und »aus psychiatrischer Sicht ungeeignet« eingestuft habe. Der namhafte Journalist und Autor William Manchester, der selbst eingezogen worden war, bemerkte einmal, dass »Frank Sinatra wohl der meistgehasste Mann in Zweiten Weltkrieg war – noch vor Adolf Hitler«.

      Die letzten Jahre des Krieges sollten das Musikgeschäft noch einmal kräftig umkrempeln. Die Swing-Bands wur­den von den Einberufungen empfindlich getroffen. Down Beat hatte 1942 eine Kolumne namens »Killed in Action« eingeführt, in der die gefallenen Jazzmusiker aufgelistet wurden. Einer von ihnen war Glenn Miller, der 1944 ums Leben kam, als er in einem Flugzeug den Ärmelkanal überqueren wollte.

      Nachdem die Army den Swing groß gemacht hatte, wurden ihm nun seine wirtschaftlichen Grundlagen mehr und mehr entzogen. Eine 20-prozentige »Unterhaltungssteuer« gab 1944 den eh schon ums Überleben kämpfenden Ballrooms den Todesstoß. Die Rationierung von Gummi und Benzin machte die Tourneen per Bus problematisch. Die Züge waren oft komplett mit zurückkehrenden Soldaten gefüllt. Für farbige Musiker war­tete der Krieg noch mit zusätzlichen Schikanen auf. Lester Young, Basies legendärer Saxofonist und engster Freund von Billie Holiday, wurde 1944 eingezogen und zu einem Ausbildungslager in Alabama geschickt. Als er mit Marihuana erwischt wurde, wurde er von einem Militärgericht umgehend zu einem Jahr Haft in einer Arrestzelle verurteilt.

      Viele farbige Musiker umgingen die Einberufung, indem sie psychische Probleme, Drogenabhängigkeit oder Homosexualität vortäuschten. Oder aber sie zogen ohne feste Adresse so häufig um, dass man ihnen gar nicht erst auf die Spur kam. Trompeter Howard McGhee bekam die Freistellung, nachdem er einem entgeisterten Psychiater erzählt hatte, er wolle unbedingt in den Südstaaten ausgebildet werden. Nur dort könne er sich mit anderen Farbigen zusammenschließen und gemeinsam lernen, wie man auf Weiße schießt. »Wie sonst soll ich wissen, ob es sich nun um einen Franzosen oder Deutschen handelt? Woher soll ich den Unterschied kennen?«

      Die neue, militante Spielart, der sich im Jazz herausschälte, war nicht zuletzt dieser konfrontativen Mentalität geschuldet. »Bebop«, wie er bald genannt wurde, war eine enthusiastische Bewegung jüngerer Jazzer, die vor allem im Umfeld der Earl Hines Band zuhause waren – allen voran Charlie Parker und Dizzy Gillespie, der einmal erklärte: »Der Feind war nicht der Deutsche – es waren zunächst einmal die weißen Amerikaner, die uns tagtäglich einen Tritt gaben – körperlich wie moralisch ... Wenn sich Amerika nicht an die Verfassung hielt und uns als vollwertige Menschen respektierte, konnte uns auch der american way gestohlen bleiben. Aber unsere Musik zu mögen galt ja geradezu als unamerikanisch.«

      Mit dem Bebop wollten zumindest einige farbige Musiker die Limitierungen jener weißen Bandleader bloßstellen, die den Schwarzen ihre ureigene Musik geraubt hätten. Oder wie Thelonious Monk es formulierte: »Wie wollten eine Musik, die sie nicht spielen konnten.« Bebop, die wilde Musik aus dem Untergrund, machte jedenfalls den radikalen Schritt zu einer abstrakten Harmonik – was auch der Grund war, dass der einst so populäre Jazz in den Nachkriegsjahren eher als elitäre Nischenmusik wahrgenommen wurde.

      Während des Studio-Boykotts hatte sich Billie Holidays Niedergang weiter beschleunigt. Ihr Vertrag mit Columbia war sang- und klanglos ausgelaufen. Sie hatte die »Strange Fruit«-Kontroverse noch immer nicht verwunden und suchte nun mehr denn je ihr Heil im Heroin. Unter dem Pseudonym »Lady Day« hatte sie 1942 eine enttäuschende Aufnahme für Capitol gemacht und musste danach auf das Ende des »Petrillo ban« warten, bis sie zwölf neue Songs für das kleine Commodore-Label von Milt Gabler aufnehmen konnte. Zum gleichen Zeitpunkt aber hatte Jack Kapp den vielseitig begabten Gabler als A&R-Mann und Produzenten verpflichtet – möglicherweise mit dem Hintergedanken, auf diesem Umweg Billie zu Decca zu holen. Der Plan ging auf – und Gabler, inzwischen mit einem üppigeren Decca-Budget ausgestattet, sollte einige ihrer musikalischen Sternstunden produzieren.

      Eine der bewegendsten Aufnahmen der ganzen Kriegsjahre war die melancholische Ballade »Lover Man« von 1944, die auch mit einer gewagten Textzeile für Aufmerksamkeit sorgte: »I go to bed with a prayer that you’ll make love to me.« Zwischen 1944 und einer 18-monatigen Haftstrafe wegen Heroin-Besitzes, die sie im Mai 1947 antrat, nahm sie 21 opulent orchestrierte Jazz-Balladen auf, die viele ihrer Highlights umfassten: »That Ole Devil Called Love«, »Don’t Explain« oder »Good Morning Heartache«.

      Während die Decca- und Capitol-Studios geöffnet waren und fleißig Hits produzierten, fragte sich Ted Wallerstein immer verzweifelter, wie er die riesige Nachfrage nach Sinatra in klingende Münze umsetzen könne. Obwohl US-Präsident Frank­lin Roosevelt persönlich zu vermitteln suchte, hatte sich Gewerkschaftsboss Petrillo keinen Millimeter bewegt, verglich CBS und