Sagenhaftes Muldenland. Anne Maurer

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Название Sagenhaftes Muldenland
Автор произведения Anne Maurer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783867295161



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mit den Plagegeistern und vertauschten in den Sagen die verschiedenen Sagengestalten. So ist in der Hohburger Sage Der Siebensprung (S. 92) von Kobolden die Rede, etwas weiter wird von Teufelchen, Männlein und einer Geisterschar gesprochen.

      Manchmal waren sich die Erzähler auch nicht sicher, welche der zahlreichen Schreckgestalten wohl am unheimlichen Ort ihr Unwesen treibt. Dann gaben sie ihren Zuhörern die Warnung mit auf den Wege: Nehmt euch in Acht, dort ist es nicht geheuer, dort geht es um!

      Besonders häufig begegnet man in den muldenländischen Sagen den Kobolden, Weißen Frauen, Wiedergängern, Nix und Nixen, Huckauf und Mahr, weshalb diese Sagengestalten ausführlicher vorgestellt werden sollen.

      KOBOLDE

      Der Kobold ist ein im Muldental weitverbreiteter Hausgeist. In Misanders »Historischen Ergötzlichkeiten« aus dem Jahre 1698 wird der Kobold als der Teufel selbst beschrieben, der

      in allerley Gestalt sich vermummen kann / wie er pflegt sein Affen-Spiel zu treiben / wenn ihm nehmlich von Gott nicht erlaubet ist / grössern Schaden zuzufügen. Also sind viel unsichere Ort / Zimmer und Gemach / viel Strassen / Berge / Gehöltze / viel Wasser / viel Gerichts-Städten / da Satan zwar wohnet / aber nicht Vergünstigung hat von Gott / daß er den Menschen mehr Leydes thue / als sie aus dem Schlaf zu wecken / sie zu erschrecken / sie zu locken / zu rufen / zu verführen / das Bett zu nehmen / ihnen Schätze zu verheißen / mit Wasser zu besprengen / und was des Dinges mehr / davon ein gantz Buch möchte zusammengetragen werden.27

      Die Kobolde im Muldenland spielen den Menschen böse Streiche und lassen ihre Besitzer nicht in Frieden sterben (Der Kobold lässt einen Herrn nicht sterben, S. 81). Hier und da helfen sie aber auch auf Bauernhöfen bei der Wirtschaft und hexen das Mittagessen (Ein Watzschwitzer Bauer hat den Kobold, S. 144). Sie sind Künstler der Verwandlung und erscheinen in unterschiedlichsten Gestalten, meist jedoch als unheimliche schwarze Katze, als schwarzer Hund oder schwarze Henne. Sie sind wahre Tunichtgute, die ihre gemeinen Späße mit den Menschen treiben, sie unermesslich reich machen oder in den Ruin treiben können. Rudolf Irmscher gibt eine mögliche Erklärung für die Entstehung der Koboldfigur:

       Die Ursache der vielen Koboldgeschichten ist heute [1926] der Neid der lieben Nachbarn. Wer infolge seiner Sparsamkeit und seines Fleißes reich geworden ist, hat eben den Kobold. Man wird doch dem Nachbarn nicht eingestehn, daß er tüchtiger sei als man selber 28

      WEISSE FRAUEN

      Die Vorstellung von der Weißen Frau geht auf den frühchristlichen Seelenglauben zurück. Danach ist die Weiße Frau ein nach dem Tode wegen eigener oder fremder Schuld zum Umgehen verdammter Geist, eine büßende Seele,29 die meist nachts erscheint. Ihr langes weißes Gewand ist ihr Leichenhemd, in dem sie jede Nacht dem Grabe entsteigt. Die Gestalt der Weißen Frau ist in den Sagen aus dem Gebiet entlang der Mulde sehr vielseitig. Nur in einer Sage wird erzählt, was sich die Frau zu ihren Lebzeiten zu Schulden kommen ließ: sie hatte Selbstmord begangen (Die weiße Frau von Schloss Colditz, S. 47). Eine andere Frau starb kurz nach der Geburt ihres Kindes und kehrte als Weiße Frau immer wieder in ihr Haus zurück, um nach dem Kinde zu sehen (Die weiße Frau vom alten Gutshaus, S. 63). Nicht selten erschienen Weiße Frauen dem nächtlichen Wanderer auf einsamen Wegen, baten überraschte Passanten um ihre Erlösung (Die weiße Frau vom Falkenhainer Friedhof, S. 63), hüteten versteckte Schätze (Die weiße Frau vom Geldberg bei Glasten, S. 68, Der Schatz im Voigtshainer Gutspark, S. 140) oder bewachten einen unterirdischen Gang (Das Mönchskloster zu Schmölen, S. 122). Die Vorstellungen von den Tätigkeiten der Weißen Frauen waren im Volksglauben offensichtlich sehr verschieden. In jedem Fall handelte es sich bei den Erscheinungen aber um verstorbene Frauen, die in ihrem Grab keine Ruhe fanden.

      WIEDERGÄNGER

      Auch die Wiedergänger sind Tote, die umgehen müssen, weil sie als Mörder, Selbstmörder oder Meineidige zu Lebzeiten Schuld auf sich geladen haben. Sie erscheinen in der Gestalt, in der sie lebten. Die meisten Wiedergänger in den Sagen des Muldenlandes streben nach einer Erlösung, die sie nur mit Hilfe der Lebenden erlangen können. Meist genügt eine einfache Formel, etwa ein besonderer Gruß, um den Wiedergänger von seinen Qualen zu befreien. Ein Gott helf euch oder Helf dir Gott hätte die Schlossfrau von Döben (S. 50) und die Wiedergängerin von Nimbschen (S. 112) erlöst. Eine andere Wiedergängerin, die zu Lebzeiten eine geizige Bäckerstochter war, musste erst all ihren Kuchen verschenken, bevor sie erlöst werden konnte (Die hochmütige Bäckerstochter vom Breiten Berg bei Lüptitz, S. 103).

      Der nichtsahnende Mensch erkennt den erlösungsbedürftigen Wiedergänger meist nicht auf den ersten Blick. Er reagiert unwissend und unbedacht, ergreift sogar die Flucht, weshalb sämtliche Erlösungsversuche in den Sagen des Muldentals fehlgeschlagen sind.

      NIX UND NIXE

      Der Nix, im Muldental auch Nick genannt, ist ein unberechenbarer Wassermann, der die Menschen mit sich in die dunklen Tiefen der Gewässer zieht. Er hält sich vorzugsweise in der Mulde auf. Gelegentlich wurde er auch in Seen und Wasserlöchern gesichtet (Die Nixen bei Nimbschen, S. 112). Offensichtlich versuchten sich unsere Vorfahren mit Hilfe dieser Gestalt zu erklären, wieso immer wieder Menschen ohne ersichtlichen Grund ertranken. In ihrer Vorstellung forderte der Nix sein jährliches Opfer. Es mag tröstlich erscheinen, dass die Männer, die der Wassermann mit sich auf den Grund zog, mit Nixen verheiratet wurden (Der Nix vom Rabenstein, S. 76). Denn der Nix hatte schöne Töchter. Ab und zu durften sie in die Dörfer zum Tanz, man konnte die Nixen am nassen Rocksaum erkennen (Der Tod von Nippern, S. 111, Der Nix an der Wilschmühle, S. 109). In einer Wurzener Sage wird berichtet, dass der Nix für die alljährlichen Hochwasser der Mulde verantwortlich war (Die Sage vom Trauschkenstein, S. 149). Bezahlte man ihm aber eine gewisse Summe, blieben die verheerenden Überschwemmungen aus.

      Es gibt verschiedene Hinweise zum Aussehen des Nix. Er habe grüne Augen, trage bei Grimma weiße Hosen und bei Wurzen einen roten Mantel. Bei Döben wurde er sogar in Gestalt einer Bäuerin in fränkischer Tracht gesehen. Gelegentlich konnte man vom Ufer aus in den klaren Wellen sein langes grünes Haar wallen sehen.

      HUCKAUF

      Als Huckauf oder Aufhocker bezeichnet man gestaltenlose Spukgeister, die dem einsamen Wanderer von hinten auf den Rücken springen, ihm »aufhocken«, und immer schwerer auf ihm lasten, bis der Mensch entweder einen bestimmten Ort erreicht hat oder unter der überschweren Last zusammenbricht.30 Dieses Phänomen wurde in weiten Teilen Europas beobachtet. Mediziner sehen die Ursache für die Entstehung dieser Sagengestalt in der psychosomatischen Veranlagung mancher Menschen: Wenn sie in einen akuten Angstzustand geraten, dann werden sie ganz angespannt und verkrampft. Sie haben plötzlich das Gefühl der Schwere oder des Zusammenschnürens auf der Brust (…) bis zum Erstickungsgefühl. Hervorgerufen werden solche Zustände der Brustangst meist durch einen Schrecken (…), irgend ein Geräusch, das plötzlich die Stille der Einsamkeit durchbricht, oder einen flüchtigen optischen Eindruck.31

      Für diesen Zustand schier unerträglicher Beklemmung musste eine Erklärung gefunden werden, und man fand sie in einer Phantasiegestalt, einem dämonischen Wesen, dass den Menschen mit der bösen Absicht aufhockte, sie zu quälen und damit fast umzubringen. Befreien konnte man sich von ihm durch andächtiges Beten, wie es der Falkenhainer Pfarrer Vitus Kellner 1542 getan hat (Der Aufhocker im Kirchhof, S. 54). Das Wesen, das ihm aufhockte, wird nur als mysteriöses es bezeichnet.

      Etwa vierhundert Jahre später hat man in dem selben Dorf konkretere Vorstellungen vom Huckauf. In der Sage Von den Kobolden in der Borngasse (S. 56) verwandelt sich der Kobold in den Huckauf, wirft sich den Passanten auf den Rücken und quält sie, bis sie ihre Haustür und damit die vertraute Gemeinschaft erreichen.

      MAHR

      Die Mahr, auch Mahrle oder Muhr genannt, ist ein nächtlicher Druckgeist meist weiblichen Geschlechts, der sich so lange auf die Brust seines Opfers setzt, bis es schweißgebadet aufwacht und verzweifelt nach Luft schnappt. Auch