Название | Diakonie - eine Einführung |
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Автор произведения | Christoph Sigrist |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783290176747 |
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil stellt eine Hinführung zum Thema dar, beschreibt die Ausgangslage (Kap. 1) und enthält einige methodische Überlegungen (Kap. 2). Der zweite Teil behandelt die geschichtlichen Hintergründe der Tradition diakonischen Handelns, indem biblische Grundlagen skizziert werden (Kap. 3) und den geschichtlichen Entwicklungen von Diakonie nachgegangen wird (Kap. 4). Daran schliessen sich im dritten Teil grundsätzlich-systematische Überlegungen an: Kap. 5 entfaltet ein Diakonieverständnis, das davon ausgeht, dass praktizierte Nächstenliebe als solidarisches Helfen etwas Allgemein-Menschliches ist. Theologisch gesprochen gehen wir von einer schöpfungstheologischen Begründung helfenden Handelns aus, derzufolge Gott als Quelle aller Liebe alle Menschen mit prosozialen Fähigkeiten begabt hat und es insofern keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen christlichem und nichtchristlichem Helfen gibt. Von daher setzen wir uns kritisch mit den in weiten Teilen der deutschsprachigen Diakonie und Diakoniewissenschaft zu beobachtenden Profilierungsversuchen auseinander und versuchen, das Selbstverständnis sowohl von diakonischen Institutionen wie auch von kirchlicher Diakonie sachgemäss zu bestimmen. Kap. 6 bietet im Sinne einer kleinen Ethik des Sozialen grundlegende Orientierungspunkte für helfendes Handeln im heutigen Kontext. Ein abschliessendes Kapitel (Kap. 7) gilt der Reflexion, was es bedeutet, dass sich Diakonie heute auf einem Sozialmarkt vorfindet und sich deshalb in einer Konkurrenzsituation mit vielen anderen sozialen Akteuren zu behaupten hat.
|27| In den Kap. 5–7 bringen zusammenfassende Thesen jeweils am Schluss des Kapitels oder Unterkapitels die wesentlichen Orientierungspunkte nochmals auf den Punkt und laden dazu ein, im Gespräch unter Mitarbeitenden konkrete Folgerungen für die eigene Praxis zu ziehen.
|29| 2. Nach dem Wesen von Diakonie fragen: methodische Überlegungen
Bei der Frage nach dem Wesen und der Identität von Diakonie gibt es eine weitverbreitete Tendenz, ein Vorgehen zu wählen, das durch dreierlei Voraussetzungen bestimmt ist:
Erstens setzt man beim Begriff der Diakonie ein, der sich auf das griechische Verb diakonein (dienen) bzw. das entsprechende Substantiv diakonia (Dienst) im Neuen Testament zurückführen lässt.
Das bedeutet zweitens, dass man mit der theologischen Vergewisserung im Blick auf das, was Diakonie sein soll, bei Jesus und beim Neuen Testament einsetzt. Klassisch zeigt sich dieses Vorgehen etwa noch am Ansatz des umfangreichen Diakonielehrbuchs von Reinhard Turre:13 Dieses Buch beginnt auf Seite 1 mit einem Kapitel über Grundlegung und Voraussetzung der Diakonie. Gleich der erste Satz hält fest, heutige diakonische Arbeit habe «ihren Grund im Auftrag Jesu Christi und ihre Voraussetzung in den geschichtlichen Ausprägungen dieses Auftrages in den verschiedenen Epochen der Kirchengeschichte». Das erste Unterkapitel (1.1) setzt dann sofort bei der «Diakonie nach dem Neuen Testament» ein, die so beschrieben wird, dass zuallererst einmal auf die «Begriffe» (1.1.1) rekurriert wird, insbesondere auf denjenigen des diakonein.
Zu dem weit verbreiteten Vorgehen bei der Bestimmung der Identität von Diakonie gehört drittens, dass es von Anfang an darauf ausgerichtet ist, das spezifisch Christliche an diakonischem Helfen herauszustellen. Das Interesse der Rückfrage nach dem Wesen von Diakonie liegt nicht primär auf dem Phänomen des Helfens als solchem, sondern ganz auf dem «Besonderen des Christlichen»14 in diakonischem Handeln.
|30| Wir halten diesen traditionellen Ansatz, das Wesen von Diakonie zu bestimmen, für ausgesprochen problematisch und wollen darum in jeder der drei Hinsichten einen anderen Weg einschlagen.
2.1 Die Sache, nicht der Begriff steht im Zentrum
Üblicherweise wird also Diakonie zu bestimmen versucht, indem man die sprachliche Herleitung des Begriffs zurückverfolgt und dann die Frage stellt, was das Nomen diakonia bzw. das Verb diakonein im Neuen Testament, in seinem kulturellen Umfeld und in der Alten Kirche bedeutete. Bloss: So wird man kaum zu einer hilfreichen Antwort gelangen, weil das, was man heute unter Diakonie und diakonischem Handeln versteht, nämlich die verschiedenen Formen sozialen, helfenden Intervenierens, im Neuen Testament in der Regel gar nicht mit den Begriffen diakonia bzw. diakonein bezeichnet wird, sondern eher in Texten zur Sprache kommt, die von Nächstenliebe sprechen, oder in Aufforderungen zu einem dem Willen Gottes entsprechenden Umgang miteinander.15 Es ist nicht zu übersehen, dass es im Neuen Testament viele Phänomene des Helfens gibt, die nicht mit dem Begriffsfeld diakonia bezeichnet werden, während viele Tätigkeiten mit diesem Begriff zum Ausdruck gebracht werden (zum Beispiel das apostolische Wirken des Paulus ganz allgemein16), die wenig bis gar nichts mit dem gemein haben, was uns heute vor Augen steht, wenn wir uns über die Identität «diakonischen» oder «sozialen» Handelns mitsamt den entsprechenden Institutionen, die sich daraus entwickelt haben, Gedanken machen.17
|31| Es ist darum deutlich zwischen dem neutestamentlichen Begriff der diakonia oder des diakonein und der gesellschaftlichen Wirklichkeit heutiger Diakonie zu unterscheiden. Letztlich geht es nicht um den Begriff, sondern um die Sache, um die Phänomene sozialen Engagements, die wir meinen, wenn wir heute von Diakonie sprechen. Und da helfen begriffliche Untersuchungen zum Wortfeld von diakonia im Neuen Testament, auf die sich fast alle bisherigen Diakoniebücher stützen, nicht weiter. Durch eine geschichtliche Herleitung des Begriffs Diakonie direkt relevante Hinweise für sozialdiakonisches Handeln heute gewinnen zu wollen, ist deshalb methodisch nicht möglich. Eigentlich wäre es überhaupt am besten, ganz auf den Begriff der Diakonie für christlich motiviertes soziales Handeln zu verzichten, weil seine Verwendung – ohne tragfähige biblische Begründung – implizit immer schon davon ausgeht, dass christliches soziales Handeln etwas anderes sei als ebensolches Handeln ohne christlichen Hintergrund.18 Der Diakoniebegriff führt mehr in die Irre, als dass er inhaltlich hilfreich wäre!
Wir sprechen in diesem Buch darum häufig von solidarischem, (pro-)sozialem oder helfendem Handeln oder verwenden weitere ähnliche Formulierungen, statt von diakonischem Handeln zu reden.19 Weil der Diakoniebegriff allerdings vor allem in Deutschland so tief verankert und breit abgestützt ist, weil er zudem in Deutschland als Selbstbezeichnung eines riesigen Feldes sozialer Institutionen und eines entsprechenden wissenschaftlichen Diskurses verwendet wird, scheint uns ein konsequenter Verzicht auf das Begriffsfeld «Diakonie/diakonisch» nicht hilfreich. Wenn wir im Folgenden also auch von Diakonie oder diakonischem Handeln sprechen, so meinen wir damit einfach das, was im deutschen Sprachraum − meist als Selbstbezeichnung |32| entsprechender Akteure oder Institutionen − damit gemeint ist: mitmenschliches, helfend-solidarisches Handeln aus christlicher Motivation oder auf christlichem Hintergrund. Immerhin sei an dieser Stelle explizit auf die hier vorliegende und weithin kaum thematisierte Problematik hingewiesen.
Wollen wir ein theologisch angemessenes Verständnis von Diakonie gewinnen, müssen wir unser Augenmerk also eher auf die vielfältigen Formen von Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit, von zwischenmenschlicher Hilfe und prosozialem Verhalten richten, die es in der Welt gibt und die auch in den biblischen Texten zur Sprache kommen.
Wonach wir also fragen, ist ein angemessenes theologisches Verständnis des Phänomens des Helfens. Anders gesagt: Wir suchen nach einer theologischen Deutung solidarischer Mitmenschlichkeit, wie sie sich in konkretem Hilfehandeln manifestiert, durch das irdischer (sozialer, rechtlicher, materieller, körperlicher oder seelischer) Not begegnet werden soll.
2.2 Gesamtbiblisch zurückfragen
Aus der Perspektive einer solchen erweiterten Fragerichtung ergibt sich ganz von selbst, dass eine biblische Grundlegung nur durch