Название | Diakonie - eine Einführung |
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Автор произведения | Christoph Sigrist |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783290176747 |
Wo wir von anderen dankbar gelernt haben und wo wir uns von anderen kritisch abgrenzen, machen insbesondere die Fussnoten deutlich. Wer sich für solche Aspekte der Positionierung im grösseren diakoniewissenschaftlichen Diskurs nicht interessiert, kann problemlos auf die Fussnoten verzichten und sich mit der Lektüre des Haupttextes begnügen. Dem Verständnis unseres Gedankengangs tut dies keinen Abbruch.
Wenn wir das vorliegende Buch, das uns in seinem Entstehungsprozess fast ein Jahrzehnt lang begleitet hat, nun der Öffentlichkeit übergeben, so ist es unsere Hoffnung, dass es da und dort dazu anrege, sachlich und ohne falsche theologische Überhöhung von jener Wirklichkeit zu reden, die so tief zur Humanität unseres Daseins gehört: Dass wir nämlich alle zugleich hilfebedürftige und zur Hilfe befähigte Menschen sind und dass unser Leben an Tiefe und Farbe gewinnt, wenn wir bereit sind, sowohl Hilfe von anderen anzunehmen als auch ihnen nach Massgabe unserer Möglichkeiten Hilfe zu gewähren.
Eine Anzahl Personen haben das Manuskript vor Drucklegung gelesen und uns durch ihre Rückmeldungen geholfen, den Text zu verbessern. Wir danken ganz herzlich Vreni Burkhard und Stephan Schranz, die den Text von der Sozialarbeit herkommend aus der Perspektive kirchlicher Diakonie durchlasen. Unser Dank gilt ferner Sr. Dorothee von Tscharner, ehem. Oberin der Diakonischen Schwesternschaft Braunwald, die unser Manuskript aus der Optik ihrer jahrzehntelangen Erfahrung mit der Mutterhausdiakonie Kaiserswerther Prägung kommentiert hat. Sodann sind wir Dr. Werner Widmer zu herzlichem Dank verpflichtet. Er las unsere Texte aus dem Blickwinkel des Ökonomen und Direktors eines grösseren Diakoniewerks. Grosser Dank gebührt schliesslich Wiss. Ass. Simon Hofstetter für die abschliessende Korrekturlesung und die Erstellung der Layout-
Fassung des ganzen Manuskripts.
Bücher zu schreiben, ist ein aufwendiges Geschäft; das gilt gleichermassen im Blick auf die Arbeit der Autoren wie auf die Kosten des Veröffentlichens. Darum danken wir der Stiftung Diakoniewerk Neumünster–Schweizerische Pflegerinnenschule und der Evangelisch-reformierten Landeskirche des |15| Kantons Zürich für Druckkostenzuschüsse, die das Zustandekommen dieser Publikation ermöglichten.
Wir widmen dieses Buch in Dankbarkeit Pfr. Dr. h. c. Ruedi Reich, ehem. Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich, dem das soziale Engagement der Kirche immer ein wichtiges Anliegen war.
Zollikerberg/Zürich, Ende Mai 2011
Heinz Rüegger, Christoph Sigrist
|17| Teil 1: Hinführung zum Thema
|19| 1. Die Ausgangslage
1.1 Bedeutungsfacetten des heutigen Redens von Diakonie
Spricht man heute von «Diakonie» oder bezeichnet man eine Institution bzw. eine Tätigkeit als «diakonisch», kann man in der Schweiz nicht davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Leute versteht, wovon die Rede ist. Manche können heute wohl gar nichts mit dem Begriff anfangen; andere haben nur sehr vage, einseitige Vorstellungen von den mit diesem Begriff bezeichneten Phänomenen. In Deutschland ist die Situation anders. Dort sind der Begriff Diakonie und das Kronenkreuz als gemeinsames Logo der diakonischen Werke relativ gut bekannt, stellt doch das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland einen der grossen nationalen Wohlfahrtsverbände dar, der mit einer grossen Zahl von Einrichtungen landesweit präsent ist, mit dem Diakonischen Werk einen starken Dachverband besitzt und als Zusammenschluss zahlreicher Werke einen der grössten Arbeitgeber Deutschlands darstellt.1 Entsprechend gibt es auf Hochschulebene zu Forschungs- und Ausbildungszwecken auch diakoniewissenschaftliche |20| Institute.2 Kurz: Diakonie ist in Deutschland – anders als in der Schweiz – ein Begriff.
Hierzulande assoziieren Menschen mit dem Begriff Diakonie wohl am ehesten Diakonissen, also die Tradition der Mutterhausdiakonie. Diakonissen fallen auf durch ihre Tracht und ihr ordensmässiges Leben. Durch ihre starke Konzentration auf die Krankenpflege waren sie lange Zeit ein prägender Faktor des Gesundheitswesens. Selbst heute noch besteht in Diakoniewerken, die von Diakonissen gegründet wurden, in deren operativer Führung Diakonissen aber nicht mehr involviert sind, manchmal eine Tendenz, das Diakonische an einem Diakoniewerk in der Existenz von Diakonissen zu sehen, auch wenn diese faktisch nur noch als Alterskommunität innerhalb eines Diakoniewerks leben. Nach diesem Verständnis ist etwas dann diakonisch, wenn es von ehelos lebenden Diakonissen als Ausdruck ihrer Glaubenspraxis und womöglich noch unentgeltlich, «um Gottes Lohn», getan wird.
Bei anderen dürfte Diakonie ein Handeln oder eine Institution bezeichnen, die zur Kirche gehört, also von einer christlich-kirchlichen Motivation und Trägerschaft ausgeht. Und wer am kirchlichen Leben teilnimmt, wird Diakonie vielleicht spezifisch mit der Arbeit von Sozialdiakoninnen und Sozialdiakonen3 in Verbindung bringen. Hier steht Diakonie dann für die Bezeichnung eines kirchlichen Amtes und der von ihm ausgeübten Tätigkeit. Nur wenigen dürfte bewusst sein, dass Diakonie meist zur Bezeichnung sozialer Aktivitäten von protestantischen Kirchen oder ihnen nahestehenden Gruppierungen verwendet wird, während auf katholischer Seite die gleichen Phänomene eher mit dem Begriff Caritas bezeichnet werden.4
Schliesslich werden wohl die meisten, die mit dem Begriff überhaupt etwas verbinden können, dabei an ein helfendes Handeln denken, das karitativen Charakter hat, also einen unmittelbaren Dienst am Mitmenschen darstellt. Strukturelle, gesellschaftlich-politische Fragen kommen dabei eher |21| nicht in den Blick. Vielmehr geht es nach diesem Verständnis um ein unmittelbares Helfen von Mensch zu Mensch.
Diese Bedeutungsfacetten des Begriffs Diakonie im allgemeinen, d. h. nicht wissenschaftlich präzisierten Sprachgebrauch spiegeln bei aller Diffusität unterschiedliche geschichtliche Ausprägungen christlich inspirierten sozialen Handelns wider.
1.2 Geschichtliche Ausprägungen diakonischen Handelns
Dass die biblische Botschaft von der Menschenliebe, wörtlich: von der Philanthropie Gottes (Tit 3,4), von ihrem Wesen her bei den Glaubenden in tätiger Liebe Ausdruck finden müsse, also in solidarischem Engagement für andere Menschen, die auf irgendeine Weise der Hilfe bedürfen, das gehört seit jeher zum Kerngehalt christlichen Glaubens. Welche konkrete Gestalten dieser Grundimpuls des Glaubens im Verlauf der Geschichte annahm, hing von verschiedenen Faktoren ab: von der Art der Nöte, die zum Handeln herausforderten; von den gesellschaftlich-politischen, den kirchlich-strukturellen und den ökonomisch-organisatorischen Rahmenbedingungen, die man vorfand; auch von der jeweiligen Theologie und Frömmigkeit, die eine bestimmte Gruppe von Christen prägte. Grundsätzlich aber lassen sich drei Formen mitmenschlicher Hilfe unterscheiden, in denen sich «christliche Liebestätigkeit»5 ausprägte.
1. Die eine ist das spontane, informelle Helfen einzelner Christinnen und Christen nach ihren jeweiligen Möglichkeiten angesichts einer konkret begegnenden Notsituation. Das ist individuelle Praxis konkreter Nächstenliebe oder Mitmenschlichkeit. Hier liegt gleichsam die Urform christlichen Helfens, sei es innerhalb der christlichen Gemeinschaft oder darüber hinaus in der Gesellschaft.
2. Mit der Zeit bildeten sich in der Alten Kirche Formen des Übertragens von grundlegenden Aufgaben an dafür bestimmte Personen heraus. So kam es zur Entwicklung von kirchlichen Ämtern, unter anderem des Diakonats. Ihm oblag die Fürsorge für die Bedürftigen in der Gemeinde. Wenn der altkirchliche Diakonat im Verlauf der Jahrhunderte auch unterschiedliche Formen annahm, zeitweise sogar seinen eigenständigen sozialfürsorgerlichen Charakter verlor und zu einer blossen Vorstufe des Priesteramtes verkam, war damit doch der Dienst sozialen Helfens als ein eigenständiges |22| kirchliches Amt eingeführt. Es markierte neben der Aufgabe der Verkündigung und derjenigen der Leitung eine Grundfunktion des Kircheseins: die Praxis der Nächstenliebe angesichts konkreter Situationen von Not und Leiden.
3. Schliesslich entwickelte sich eine dritte, nachhaltig