Trips & Träume. Klaus Fischer

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Название Trips & Träume
Автор произведения Klaus Fischer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862870196



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eine Pause.

      Ich fasste mir ein Herz. »Der Song da drinnen, der, den Mark spielte. Das Stück, das überall im Radio läuft und weit oben in der Hitparade steht. Es ist Ton für Ton ...?«

      »... exakt das Lied, dessen Noten ich aus dem Nachlass von Karen erhalten habe. Ja, so ist es«, antwortete er.

      Das Musikfieber, das Festival und jener schicksalhafte Segeltörn rauschten an mir vorbei wie ein Film im Schnelldurchlauf.

      »Dann weißt du auch, wer das Lied in Wirklichkeit komponiert hat?«

      »Andi, mein leiblicher Vater.«

      Er sagte es, als sei es das Normalste der Welt. Mich traf es wie ein Blitz.

      »Dann ...« Weiter kam ich nicht.

      »Karen und Daniel haben es mir gesagt, da war ich fünfzehn oder sechzehn Jahre alt«, sagte William.

      »Das war vernünftig«, antwortete ich.

      »Daniel wird für mich immer mein Vater bleiben. Von Andi weiß ich so gut wie überhaupt nichts. Wir haben noch nicht mal ein Foto von ihm.«

      »Ich auch nicht. Aber sein Gesicht habe ich nicht vergessen. Wenn ich dich anschaue ... Du hast einiges von ihm«, sagte ich.

      »Wie war er?«

      »Hat Karen dir nichts von ihm erzählt?«

      »Sie hat Tagebuch geführt«, antwortete er, »aber nur in Christiania. Darin steht, dass Andi den Song für sie komponierte und ihr die Noten schenkte. Um ein Tonband ging es auch.«

      »Ja, das Tonband. Ich habe damals schon vermutet, dass Mark es an sich genommen hat. Aber ich konnte es nicht beweisen.«

      »Dieser Typ scheint die Leute nur zu benutzen«, sagte William, »er stiehlt das geistige Eigentum eines anderen und gibt es als das seine aus. Früher Freak und heute ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft.«

      »Er war nicht immer so«, sagte ich.

      »Dann erzähl mir mehr über ihn und eure Freundschaft. Wie war das in euren ach so tollen Zeiten von Krautrock und Kiff? Damit ich verstehe, was das, was damals passiert ist, mit dem Durcheinander von heute zu tun hat.«

      Ja, wie war das damals?

      Das Pochen in meiner Schläfe nahm an Intensität zu.

      »An das meiste kann ich mich gar nicht mehr erinnern«, wehrte ich ab. Ich hatte Angst vor dem, was die alten Geschichten bei mir auslösen würden.

      William schaute mich an. Er wartete, schien es ernst zu meinen.

      »Ich will auch alles über Andi erfahren«, sagte er schließlich.

      Womit beginnen? Wann und wie hatte alles angefangen?

      Während ich noch überlegte, begann ich auch schon zu erzählen. Wie tonnenschweres Gestein löste sich der Druck, der allzu lange auf meinem Herzen gelastet hatte.

      Selbst Mila wusste kaum etwas davon. Und während ich zu erzählen begann, fühlte ich mich mehr und mehr erleichtert. Mir wurde bewusst, dass ich froh war, diese Last endlich loszuwerden. Das alles zu verdrängen hatte ich lange Zeit allzu gut beherrscht und geradezu perfektioniert.

      Ja, wie hatte alles angefangen? Dieser Irrsinn, der bis heute nachwirkt?

      zwei Sweet Smoke

      Es war heiß und trocken an jenem Samstag im Juni 1971. Die Sonne brannte erbarmungslos. Das Kaff lag wie ausgestorben da.

      Die Geschäfte in der einzigen Einkaufsstraße hatten bereits geschlossen, die Bürgersteige waren gekehrt und hochgeklappt.

      Mark und ich standen vor dem Eckfritz, der schlimmsten Spießerkneipe der Stadt. »Ich will das Spiel sehen«, sagte Mark.

      Ich schaute ihn zweifelnd an. »Da drin?«

      Er ließ nicht locker. »Es ist der einzige Laden, der eine Glotze hat. Jetzt sogar in Farbe.«

      Fußball war nicht unbedingt eine Herzensangelegenheit von mir. Aber ein Pokalfinale war etwas Besonderes, da stimmte ich Mark insgeheim zu. Bayern München gegen den 1. FC Köln. Live aus dem Neckarstadion in Stuttgart.

      In meinem Dachzimmer abhängen, ein bisschen Amon Düül II oder Kraftwerk hören, das hätte mir mehr Spaß gemacht. Doch dafür konnte ich Mark nicht begeistern. Für ihn war Fußball die angemessene Beschäftigung, um die Zeit bis zu dem Ereignis totzuschlagen, auf das wir seit Wochen hinfieberten und das heute Abend endlich anstand.

      Er war fest entschlossen. »Ich geh da jetzt rein.«

      »Wir werden gelyncht und anschließend noch geteert und gefedert«, warnte ich.

      Mark schüttelte den Kopf. »Du übertreibst wie immer.«

      Das Eckfritz war beliebt wegen seiner regionalen Küche und den volksnahen Preisen. Der Besitzer hieß, wie sollte es anders sein, Fritz und hatte sie alle um sich geschart, die Gartenzaunnazis und reaktionären Parolenschwinger. Bei ihm tranken sie ihr Bier, spielten Skat und verputzten »Russisch Ei«, Kartoffelsalat mit hart gekochten Eiern und Mayonnaise, ein in unserer Gegend beliebtes Schnellgericht.

      Fritz war Anfang sechzig und trotz der Trommel, die er vor sich hertrug, noch gut in Form. Es hieß, er kraule jeden Morgen seine fünfzig Bahnen. Er stand einer freien Wählerliste vor, die er gegründet hatte und die es bei der nächsten Kommunalwahl in den Stadtrat schaffen wollte, um dann die Einsetzung einer Bürgerwehr durchzudrücken. Angeblich sei die Polizei notorisch unterbesetzt und könne deshalb nicht energisch genug gegen Verbrecher und ähnliches Gesindel vorgehen. So hatte er sich zumindest in einem Interview mit dem Lokalblatt geäußert.

      Auf die Frage, wen er mit »Gesindel« meine, hatte er geantwortet: »All die, die die FDGO, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, gefährden.« Mir schwante, an wen er dabei dachte, nämlich all jene, die nicht in seinen beschränkten Kleinstadthorizont passten: Langhaarige, Kiffer und Freaks, die ins Lager oder nach drüben gehörten.

      »Komm endlich«, drängelte Mark.

      Ich folgte ihm, wenn auch widerwillig.

      Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen.

      Als wir eintraten, empfing uns ein Geräuschpegel wie im Stadion. Der Fernseher dröhnte. Der Laden war proppenvoll, alle verfügbaren Stühle besetzt. Selbst im Gang zwischen Theke und Schankraum standen die Leute. Die Luft stank nach Männerschweiß, Zigaretten und Bier.

      Niemand nahm Notiz von uns.

      Die Glotze hing hoch über den Köpfen an der Decke in einem extra dafür konstruierten Gestell. Der 1. FC führte mit 1:0. Jetzt zeigten sie Franz Beckenbauer in Nahaufnahme. Der zog ab, und der Ball kullerte ins Netz.

      »1:1! Die Bayern holen auf. Zu sehr haben die Kölner das Spiel schleifen lassen«, kommentierte der Sprecher, dessen Stimme sich fast überschlug.

      Jubel im Neckarstadion. Entsetzen im Eckfritz.

      Einige riefen wild durcheinander und fluchten. Andere waren von den Sitzen aufgesprungen. Am Tresen fiel ein Barhocker zu Boden. In der Stammtischecke, an der sie dicht gedrängt saßen, klirrte es verdächtig.

      Ich sah mich um. Männer von vierzig an aufwärts, auch etliche Rentner, die fast immer hier hockten, als ob sie kein Zuhause mehr hätten. Eine ältere Bedienung wuselte mit einem Handbesen zwischen den Tischen, räumte Scherben weg und nahm nebenbei Bestellungen auf.

      An der Theke, direkt vor uns, stand ein Trupp mürrisch dreinblickender Kerle im Blaumann.

      »Vier Bier, aber dalli«, bellte der größte von ihnen. Kurzes Hemd, muskulöse, dichtbehaarte Unterarme. Seine Kumpels konnten sich kaum noch gerade halten. Das waren wohl die städtischen Arbeiter, die am Morgen vor der Tür den Bürgersteig aufgerissen, ein Loch gebuddelt und Rohre verlegt hatten. An einem Samstag zu arbeiten, war ärgerlich genug, nun geriet auch noch ihr geliebter 1. FC in Bedrängnis. Das musste runtergespült werden.

      Der