Название | Bochumer Häuser |
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Автор произведения | Rainer Küster |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783898968355 |
Lohneinbußen, erheblich längere Schichtzeiten und das berüchtigte Wagen-Nullen – ungenügend beladene Förderwagen wurden nicht angerechnet – waren einige der Gründe, warum es schließlich zum Arbeitskampf kam. Auch Heinrich Kämpchen lehnte sich mit seinen Kameraden auf gegen das Leid der Bergleute, gegen die »Bergmannsnot«, wie es in seinen Gedichten heißt. Er wurde Sprecher und Vertrauensmann seiner Arbeitsbrüder im großen Bergarbeiterstreik des Jahres 1889, der mit spontanen Arbeitsniederlegungen – ein Streikrecht gab es nicht – in Bochum begonnen hatte. Es folgten Streiks in Essen und Gelsenkirchen, und auf dem Höhepunkt der Streikbewegung befanden sich an der Ruhr etwa 90.000 Bergleute (von 105.000) im Ausstand.
In seinem Kämpchen-Buch »Aus der Tiefe« erzählt Wilhelm Helf, wie es damals im Dahlhauser Bergbau zuging:
»Die Belegschaft der Zeche Hasenwinkel hatte sich versammelt, um zur Streiklage Stellung zu nehmen. Ein Bergmann eröffnete die Versammlung mit den Worten: ›Kameraden, wir müssen treu und fest zusammenhalten!‹ Danach wandte er sich zu dem Dichter und sagte: ›Heinrich, nu kür du!‹«
Am Ende siegten die Unternehmer. Die Streikführer wurden ausgesperrt. Heinrich Kämpchen wurde als Hetzer und Aufwiegler gemaßregelt, verlor seine Arbeit und wurde später zum Berginvaliden. Nach dem Arbeitskampf im Jahre 1889 hat er nicht mehr unter Tage gearbeitet. Das Anfahrverbot traf ihn, dessen Vater Bergmann und Obersteiger gewesen war, besonders hart. Bis zu seinem Tode musste er sich mit einer kargen Knappschaftsrente und den Honoraren für seine Texte über Wasser halten. Sein persönliches Schicksal scheint er in dem Gedicht »Bergmannslos« verarbeitet zu haben. Dort heißt es in den Strophen 5 und 6:
Er hat zu viel im Engen
Gekrümmt sich und gebückt,
Bis ihm von allem Kriechen
Der ganze Leib zerdrückt.
Mit sechzehn Jahren stieg er
Als Knappe in den Schacht,
Nun, nach kaum zwanzig Jahren,
Steigt er zur Grabesnacht.
Im Jahre 1890 tauchte Kämpchens Name an erster Stelle in der polizeilichen Überwachungsliste des Amtes Linden-Dahlhausen, der so genannten schwarzen Liste, auf, da er im Verdacht stand, »der socialdemokratischen Partei anzugehören«. Er wurde dann später Delegierter für den Kongress der Bergarbeiter und Mitglied im Kontrollausschuss der Bergarbeitergewerkschaft, die 1889 gegründet worden war. Im Jahre 1962, dem fünfzigsten Todesjahr Heinrich Kämpchens, bezeichnete ihn die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie als »einen der Pioniere der Arbeiterbewegung«.
Aber Kämpchens Biographie hatte viele Facetten. Er schrieb in seiner freien Zeit Lieder und Gedichte, viele, in denen er die Ausbeutung und Verelendung der Bergarbeiter anklagte, aber auch eine ganze Reihe, in denen er die Liebe zu seiner Heimat, zu seinem Westfalenland verewigte. Dass sich Heimatliebe und soziales Engagement nicht zu widersprechen brauchen, zeigt Kämpchens »Westfalenlied«, dessen dritte und vierte Strophe ich hier zitiere:
Mein Heimatland, du bist mir teuer,
wie hätte sonst ich Sohnesrecht –
doch hass ich auch wie Blut und Feuer
den Zwingherrn und den feigen Knecht.
Und ob auch deine Schlösser ragen
in stolzer Pracht zum Himmelsblau –
das Volk muß doch die Lasten tragen,
das arme Volk, von jedem Bau.
Schön bist du, Land der roten Erde,
im Morgenglanz, im Abendlicht –
nur auch ein Land der Freiheit werde,
dies will und fordert mein Gedicht.
Daß deine Söhne nicht mehr länger
verkümmern noch bei kargem Sold –
o schafft es mit, ihr freien Sänger,
die ihr nicht singt um Gunst und Gold.
Die Gedichte erschienen meistens in der »Deutschen Berg- und Hüttenarbeiterzeitung«. Drei Gedichtsammlungen gibt es, die vom Autor selbst zusammengestellt und in der Zeit von 1898 bis 1909 publiziert wurden. Sie heißen »Aus Schacht und Hütte«, »Neue Lieder« und »Was die Ruhr mir sang«. Im Vorwort zur ersten Sammlung hat Kämpchen sein bescheidenes literarisches Selbstverständnis formuliert:
»Wenn ich mit einer Gedichtsammlung an die Öffentlichkeit trete, so geschieht dies vornehmlich auf Wunsch und Wollen meiner Freunde und Kameraden aus dem Bergmannsstande. Einen literarischen Wert beanspruchen diese Gedichte nicht; es sind eben schlichte Arbeiterlieder und wollen auch nur als solche gelten.«
Gelebt hat Heinrich Kämpchen viele Jahre in Linden, unweit der Grenze nach Dahlhausen. Dort steht bis auf den heutigen Tag an der Dr.-C.-Otto-Straße – damals hieß sie noch Bahnhofstraße – das Haus mit der Nummer 46, in dem Kämpchen dreißig Jahre lang als »Kostgänger« bei der Familie Küper gewohnt hat und wo er schließlich am 6. März 1912 gestorben ist.
Das Haus mit dem Erker, der zwei Stockwerke erfasst, steht direkt an der Straße, ein Gartenzaun begrenzt es zur Nachbarschaft. Der schmuckvolle Eingang liegt an der Seite, vielleicht stammen die schönen Stuck-Verzierungen noch aus der Zeit, als Kämpchen die Dachstube bewohnte. Eine Gedenktafel, die an den »Bergarbeiter, Streikführer und Dichter« erinnert, wurde erst vor wenigen Jahren angebracht. Sie ist von der Straße aus nicht besonders gut zu erkennen, eigentlich nur von jemandem wahrzunehmen, der schon weiß, was er sucht. Die Gedenktafel enthält eins der wenigen Porträts, das Kämpchen als jungen Mann zeigt – hier ist er 33 Jahre alt. Auf der Tafel sind seine wichtigsten Lebensdaten verzeichnet, und ein kleines Stück Kämpchen-Literatur ist dort auch abgedruckt. Dabei handelt es sich um die beiden ersten sowie die vorletzte Strophe eines Gedichts, das in der Originalfassung aus elf Strophen besteht:
Heimat
So liegst du wieder ausgespannt
vor meinen Blicken, lachend Land,
mit deinen Tälern, deinen Höh’n
mit Berg und Burgen wunderschön.
Wie oft schon hast du mich entzückt,
du Land, mit jedem Reiz geschmückt,
wenn ich die Augen schweifen ließ
auf dich, mein Heimatparadies.
Und schafft das Leben Müh und Qual,
du bist doch schön, mein Heimattal!
Du hast gelabt mich und erquickt,
wenn Schwermut mir das Herz bedrückt.
Liest man in Kämpchens Sammlung »Neue Lieder« auch noch die auf der Lindener Gedenktafel nicht abgedruckten Strophen, so erkennt man unschwer, dass dieses Gedicht der unmittelbaren Umgebung des Dichters, nämlich der »silberhellen« und »blanken« Ruhr und ihrem Tal gewidmet ist. Wenn er in die Dachstube des Hauses Küper stieg, musste sich Heinrich Kämpchen wahrscheinlich