Название | Erinnerungen |
---|---|
Автор произведения | Maximilien de Robespierre |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783940621948 |
Ich schrieb an Lacretelle, dankte ihm für seinen Artikel und benachrichtigte ihn bloß, ohne mich in einen unnützen Streit mit ihm einzulassen, daß ich die Hilfsquellen, welche die Hauptstadt den jungen Männern bietet, die sich den Wissenschaften ergeben, nicht so ganz entbehrt hätte, wie er es gedacht habe. Ich war höflich, nichts weiter. Unser Briefwechsel hörte damit auf.
FÜNFTES KAPITEL
Die Zeit, in der wir uns damals befanden, war reich an denkwürdigen Begebenheiten, die sich auf die Weltbühne drängten, um das unerhörte Schauspiel unserer Revolution vorzubereiten. Die größte, die wichtigste jener Begebenheiten ereignete sich auf der andern Halbkugel und war eben, dank der edelmütigen Mitwirkung Frankreichs, zu ihrem Ende gediehen. England hatte, müde des Krieges und immer erneuter Unfälle, seinen überseeischen Provinzen den Frieden bewilligt, und diese hatten, da sie endlich die Freiheit erhielten, ihre Regierung selbst zu führen, im Angesichte Europas die heiligen Rechte bekanntgemacht und in Kraft gesetzt, für welche sie seit fünf Jahren gekämpft und ihr bestes Blut vergossen hatten. Glückliches Land, wo eine kaum begonnene Zivilisation den Lastern unserer alten Reiche noch nicht gestattet hat, sich in den Herzen zu verwurzeln, die, jungfräulich und fruchtbar, sich dem segenbringenden Samen der Freiheit öffnen, in denen kein parasitisches oder giftiges Unkraut die keimenden Sprossen erstickt, deren Früchte dereinst die Mühen der Aussaat lohnen sollen!
Ein bewunderungswerter Mann, den der Zufall an die Spitze eines heldenmütigen Volkes geschleudert hatte, vollendete das große Werk. Washington30), ehrwürdiger Name, vor dem jeder Freund der Menschheit das Haupt beugen sollte! Ein Mann, der Huldigungen der Nachwelt tausendmal würdiger als die aufgereihten Namen der Könige und Eroberer. Ein einfacher Landmann, ein Mann, den das Alter schon niederdrückt, den die Täuschungen der Jugend nicht mehr reizen, umfaßt mit der Wärme eines jugendlichen Herzens die Sache der Freiheit; er opfert alles, seine Ruhe, sein Vermögen, sein Leben; mit dem Enthusiasmus der Krieger vereint er die Kaltblütigkeit des Feldherrn, mit dem glühenden Eifer des Patrioten, den Takt, die Tiefe, den Weitblick des bürgerlichen Gesetzgebers. Und als dies Gebäude in Jugend und Frische strahlend sich erhoben, nachdem ein ganzes Volk, welchem seine Bestrebungen die natürliche Würde zurückgegeben haben, seinen Namen zu den Dankgebeten fügt, die es an das höchste Wesen richtet, hat dieser Heros etwas sehr Schlichtes getan: Seinem Geiste waren große Taten so selbstverständlich, daß diese eine ihn nicht stolz machte; mit römischer Gelassenheit zog er sich in die Stille seiner Scholle zurück, größer als Cincinnatus31), der sein Vaterland nur verteidigt hatte.
Und doch ist dieser erhabene Bürger verleumdet worden. Man konnte sich nicht zur Überzeugung bringen, daß er, wenn er den Gipfel des Ruhmes erreicht hätte, sich entschließen würde, wieder herabzusteigen; man murmelte den Namen Cromwell32) um ihn her, als ob dieser heuchlerische Machträuber der Volksrechte ein Muster wäre, das Washington nachahmen könne! Es liegt etwas Niedriges, Gemeines in dem unseligen Gepräge, welches die Knechtschaft der neuern Gesellschaft aufgedrückt hat, daß wir unaufhörlich selbst das edelste Leben beschmutzen, indem wir ihm, nach dem Maß unserer Kleinheit, den Kreis, in dem es sich bewegen, das Ziel vorzeichnen, nach dem es streben soll.
Washington hat jene beleidigende Furcht zunichte gemacht; er hat im Schatten des Freiheitsbaumes, der ihm sein bestes grünendes Laub verdankt, fünf Jahre den Frieden, den seine schöne Seele verdiente, den Segen seiner Mitbürger genossen. Er ist jetzt zu den Staatsgeschäften zurückgerufen und wird, der erste unter seinesgleichen, sein Werk kräftigen und der Macht mit derselben Ruhe entsagen, mit der er sie wieder ergriffen hat. Ein lebendiges Beispiel für seine Zeitgenossen, die eine unerhörte Revolution in dieselbe Laufbahn schleudern kann!
Niemand hat sich der moralischen Vollkommenheit, welche den tugendhaften Menschen ausmacht, so genähert als Washington: wir suchen nach einem Fleckchen seines Lebens, um uns über unsre eigene Schwäche zu trösten, und das, welches wir finden, ist so leicht, daß es in einem andern Charakter nicht bemerkt werden würde. Ich meine den Cincinnatus-Orden33), auf dessen Schöpfung er verfallen war. Einem so erhabenen Geiste wie dem seinigen, konnte es nicht unbekannt sein, wie unvereinbar diese aristokratischen Abzeichen, dieser monarchische Flitterkram mit der republikanischen Einfachheit ist; er wußte, daß es wertvollere Belohnungen gibt als Bänder und Kreuze. Aber er hatte einen Haufen Franzosen, leichtfertige, flatterhafte Hofmänner, wie sie damals waren, um sich; Männer, die gewohnt waren, für ein Ludwigskreuz sich den Kopf zerschmettern zu lassen, und sich unglücklich gedünkt hätten, wenn sie ohne ein rotes oder blaues Band in Versailles eingezogen wären. Er warf ihnen deshalb diesen Orden hin, wie man den jungen Mädchen ein Kleid gibt, und gewann sie durch ihre Eitelkeit.
Washington gab der Klagen wegen, welche strenge Republikaner sich erlaubten, selbst diese Erklärung; aber da er einsah, daß er zu weit gegangen sei, beschränkte er sein eignes Institut und erteilte den Rittern kein Erbanrecht mehr. Ich bekenne, daß ich ihn nicht ohne Verdruß in einem neugebornen Staate diese Schattenbilder des Adels schaffen sah. An seiner Stelle hätte keine Rücksicht mich vermocht, etwas so Widersinniges zuzugeben, und ich hätte den französischen Edelleuten auch diese Lehre nicht erspart.
Die Mündigsprechung der Neuen Welt war das gewöhnliche Thema unserer vertraulichen Gespräche; Washington war unser Held; mehrere meiner Freunde haben ihn in Gedichten gefeiert, welche die Vergessenheit, der wir sie bestimmt hatten, wohl verdient haben mögen.
Andre Gegenstände, die, wenn auch nicht die Bewunderung, doch die Neugierde in Anspruch nahmen, brachten damals alle Geister in Anregung. Ein Papierfabrikant von Annonay, Herr Montgolfier34), hatte damals das Mittel entdeckt, einen Ballon in die Luft steigen zu lassen und ihn oben zu erhalten; nach diesem ersten Schritte kam er auf den Gedanken, einen Kahn daran zu befestigen, der einen Menschen aufnehmen könne; auch dieser Versuch glückte. Die Entdeckung diente zuerst zu einem königlichen Spiele, bald nachher riß sich das Volk darum, und ganz Frankreich wollte Luftschiffer haben; die öffentlichen Blätter sprachen von nichts als von aufsteigenden Ballons und herabgelassenen Fallschirmen. Die Namen der Herren Blanchard35), Pilastre- Durosier36) nahmen mehr Platz darin ein als die Katharinas und Josephs; bald jedoch legte sich auch diese Wut wieder. Einige Unglücksfälle, wie der, welcher den armen Pilastre-Durosier traf, entzauberten das Publikum; die sichere Überzeugung, daß es unmöglich sei, die Ballons zu lenken, stellte diese Entdeckung unter die glänzenden und gefährlichen Überflüssigkeiten. Man gab sie auf, und mit Recht.
Eine noch sonderbarere Neuigkeit, die durch die unendlichen Folgen, welche davon zu erwarten waren, bei weitem größere Wichtigkeit hatte, stürzte Paris in eine Art von Taumel, den auch die Provinzen teilten. Ein deutscher Arzt war zu uns gekommen und hatte sich als den Besitzer eines wunderbaren Geheimnisses angegeben, welches alle Wißbegierigen in Erstaunen setzte: Mesmer nämlich, der Entdecker des tierischen Magnetismus37), welcher, für einige ein Mann Gottes, für andere ein abgefeimter Betrüger, vermittels seines magnetischen Kastens die Krüppel gehen lehrte, dem Tauben das Gehör, dem Blinden das Gesicht wiedergab. Der künstliche Zustand, in welchen er seine Kranken versetzte, bewirkte in ihnen eine vollkommene Verjüngung, brachte den Urstoff des Übels zum Vorschein, zerstörte ihn und verließ sie nicht vor der gründlichen Heilung. So sprach in ganz Frankreich der Ruf über Mesmers Kuren.
Obgleich ich diesem Wunder nicht völlig Glauben beimaß, konnte ich mich doch einer gewissen Hinreißung nicht erwehren, welche weder Zeit noch Erfahrung zerstört haben. Ich sah sogleich ein, daß die Fakultät es sich würde angelegen sein lassen, ein System zu verwerfen, welches das ganze Gerüst der medizinischen Wissenschaft über den Haufen stößt. Übereinstimmung und Vorurteil bewogen mich also, es günstig aufzunehmen.
Man brauchte durchaus nicht Arzt zu sein, um sich mit der großen Tagesentdeckung zu beschäftigen; jedermann mischte sich darein und auch unsre kleine Gesellschaft folgte der Mode und widmete ihr einige Abende. Einer unsrer Freunde, der Advokat B ..., der soeben aus Paris zurückgekehrt war und dort Mesmer hatte operieren sehen, weihte uns in die Geheimnisse seiner Künste ein. Carnot, Rusé, Fosseux und andre Mitglieder