Название | Erinnerungen |
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Автор произведения | Maximilien de Robespierre |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783940621948 |
Die Königliche Gesellschaft der Künste und Wissenschaften zu Metz hatte die Blicke auch auf ihre Arbeiten lenken wollen. Sie hatte zur Preisbewerbung folgende Fragen aufgestellt, über die im Jahre 1784 entschieden werden sollte: 1. Woher entspringt die Meinung, welche über alle Glieder einer Familie einen Teil der Schande verbreitet, die an den entehrenden Strafen eines Verbrechens klebt? 2. Ist diese Meinung mehr schädlich als nützlich? 3. Welcher Mittel bedarf es, die Bejahung dieser Frage vorausgesetzt, um den daraus hervorgehenden Übelständen vorzubeugen?
Dieser Gegenstand sprach mich außerordentlich an: ich beschloß, ihn zu bearbeiten, und fragte deshalb den kleinen Kreis der Freunde um Rat, die meine engere Gesellschaft bildeten; sie billigten mein Vorhaben und versprachen mir, es geheim zu halten, da ich über alles den Schimpf einer Schlappe fürchtete. Vor allem ermutigte mich Carnot: „Schreibe“, sagte er, „mit aller Glut deiner patriotischen Seele; mit blutiger Schrift grabe die Wahrheiten ein, welche du deinen Mitbürgern sagen wirst; entreiße diesem gräßlichen Vorurteil wenigstens ein Opfer, und du bist reich belohnt.
Ich schrieb meine Abhandlung fast in einem Zuge nieder. So stark war ich im Banne meiner Ideen, daß ich vor der Versammlung viel lieber gegen die entehrenden Strafen gesprochen hätte, als für eine Abgrenzungslinie. Ich hätte als Seitenstück zu, ich weiß nicht welchem Charakter im „Advokat Pateli“ gelten können, der bunt durcheinander von Kleiderstoffen und Hammeln spricht. Während der ganzen Dauer meiner Arbeit mied ich deshalb die Sitzungen.
Endlich wurde mein Werk, überlesen, gefeilt, durchgearbeitet. seiner Bestimmung übergeben. Ich will die Unruhe nicht verhehlen, die mich in der Zwischenzeit von der Übersendung bis zu dem Augenblicke, wo ich mein Schicksal erfuhr, zu bestehen hatte. Nicht immer jedoch war sie peinlich; oft mischten sich süße Träume hinein; man ist nicht ungestraft 25 Jahre alt. Jetzt kann ich mir kaltblütig Rechenschaft davon ablegen. Ich dachte keinen Augenblick an den Geldgewinn; die Liebe zum Golde ist ein unsittlicher Durst, den ich nie empfunden habe; der süße Kitzel, den ein Triumph der Eigenliebe gewährt, war nicht ganz aus meinen Gedanken verbannt: dies war eine Schwäche, ich gebe es zu; aber wo ist der Mann, der in ähnlicher Lage sagen könnte, er sei mehr Philosoph als ich? Doch die Idee, welche mich am meisten beherrschte, war die, daß ich meinen Namen an ein nützliches Werk knüpfte, außer dem Kreise bekannt wurde, in welchen das Geschick mich verpflanzt hatte, und ein Anrecht mehr an die Achtung meines Vaterlandes erhielt. Ich wiederhole es, diese Ansicht greift der Zukunft, späterer Nachrechnung vor; ich will mich nicht verteidigen, nicht bereuen. Mein Weg ist seit langer Zeit vorgezeichnet: ich wollte Staatsmann werden, die Interessen des Volkes aufrechterhalten; dieser Gedanke hat bis zu dem Augenblicke seiner Verwirklichung mich keinen Augenblick verlassen.
Endlich wurde mir das Urteil der Akademie bekannt: ich bekam den Preis nicht! Doch hatte meine Abhandlung dem Areopage27) einer ganz besondern Auszeichnung würdig geschienen: man hatte mir eine Medaille von 400 Livres zuerkannt. Dies hieß meine Abhandlung durchaus auf eine Stufe mit dem Werke stellen, dem der Preis zugesprochen wurde, denn die Medaille war ganz dieselbe. Die beiden Denkschriften fanden also beinahe gleichen Beifall, mein Nebenbuhler hatte nichts vor mir voraus als den armsel’gen Gewinn der Ehre des Vortritts. Das war wenig; aber immer genug, meine Freude zu trüben.
Ich erfuhr, daß ich Lacretelle28), einen jungen Literaten aus Paris, der dort an verschiedenen Zeitschriften arbeitete, zum Mitbewerber hatte: wir haben gesehen, wie er sich später vergebens bemüht hat, sich auf der politischen Schaubühne, zu der er wenig Patriotismus und (trotz den Akademikern von Metz) wenig Talent mitbrachte, einen Namen zu erwerben. Er ist gegenwärtig Mitglied der Versammlung, in der er auf der rechten Seite sitzt29).
Die Abhandlung Lacretelles wurde mir von ihm selbst zugeschickt; ich dankte ihm für diese Höflichkeit, die ich dadurch erwiderte, daß ich ihm die meinige zusandte, welche ich soeben herausgegeben hatte. Ich konnte jetzt die beiden Werke miteinander vergleichen und wußte nun, was ich von dem Scharfsinn meiner Richter zu halten hatte. Man wird mir ohne Zweifel Glauben beimessen, wenn ich sage, daß ich das meinige besser fand; aber was auch für Vorurteile natürlicherweise auf mein Urteil einwirken mußten, so bleibe ich doch dabei, es für gegründet zu halten. Wenn man die beiden Abhandlungen miteinander jetzt besonders vergliche, wo Künstelei der Worte der Wissenschaft der Dinge gewichen ist, würde man vielleicht meiner Meinung sein.
Man suche in der umständlichen Ausführung Lacretelles einen gediegenen Gedanken, eine kräftig geschriebene Stelle; man suche einige Sätze, einige Ideen, die das Gepräge eines edlen, aus dem Herzen, nicht aus dem Kopfe hervorgehenden Unwillens tragen: man wird sie nicht finden. Es ist ein Mann von Geist, nicht ein Bürger, welcher denkt; ein Redner, nicht ein Philosoph, welcher schreibt. Man trifft gerundete Sätze, gesuchte Phrasen, einen künstlichen Stil bei ihm; man glaubt, er sei immer auf der Lauer nach Formen und kümmere sich nicht um den Grund; sein Werk ist eine reiche Stickerei, die auf dem gröbsten Gewebe nicht weniger glänzen würde wie auf dem zartesten Stoffe.
Ich beurteile ihn jetzt, da die Sache von keiner Bedeutung mehr ist; er hat nicht so lange gewartet, seine Meinung über meine Arbeit auszusprechen: der Merkur von Frankreich lieferte im Laufe des Jahres 1785 einen ausführlichen und höchst vorteilhaften Bericht über sein Werk; später rückte er einen Brief ein, den ihm Thomas, der Lobredner, geschrieben hatte. Es war ein Stückchen von seiner alten Kunst; ihm zufolge glich nichts der Beredsamkeit Lacretelles. Dieser schämte sich vermutlich, daß er so viel von sich sprechen ließ, während man kein Wort von einem Werke erwähnte, das dem seinigen gleich geschätzt worden war, wollte mir Gerechtigkeit widerfahren lassen und ließ sich beikommen, selbst von mir zu sprechen.
Der Artikel, welchen er im Dezemberhefte 1785 über mein Werk lieferte, ist eine wahre Merkwürdigkeit; zuerst fühlt man sich über eines betroffen, nämlich, daß zwei Drittel des Artikels von Zitaten aus seinem eigenen Werke eingenommen werden. Er hat auf das Geratewohl, und der Form wegen, einige Stellen aus meiner Abhandlung, und zwar nicht die besten, herausgehoben, um sie andern aus seiner Denkschrift gegenüberzustellen, die ihm am geeignetsten schienen, die gehörige Wirkung hervorzubringen. Darauf erteilte er mir mit einem gewissen Beschützeransehen, das mich nicht sehr entzückte, guten Rat und Aufmunterung.
Ich denke, daß viel Eigendünkel dazu gehört, wenn man sich dazu hergibt, einen Mitbewerber zu belehren, wo gewiß die Untergeordnetheit des Schülers neben dem Meister nicht zu erkennen war. Wenn Lacretelle die Einfachheit meines Stiles, und was er meine Alltagsideen nennt, tadelt, so bin ich durchaus nicht versucht, seinem Rat Glauben beizumessen noch ihn zu befolgen, wenn er recht hätte. Denn der belehrende, absprechende Ton, den er annimmt, ist in seinem Munde übel angebracht und keineswegs überzeugend; sein Tadel gibt mir eine geringe Idee von seinem Geistes umfange. Ich sah in ihm den Redner, nie den Philosophen. Alltagsideen! Aber, großer Gott, waren sie nicht in aller Herzen, waren sie nicht so aufgeschossen, daß sie die bürgerliche Gesellschaft beherrschten und der Regierung Achtung geboten? Und was kümmerte es mich, daß andere dieselben Ideen gehabt hatten, die ich aussprach, wenn jene sie fruchtlos ausgesprochen hatten? Hat man denn im Schreiben keinen andern Zweck, als zu schreiben?
Lacretelle hatte eine Phrase aufgefunden, die ihm passend schien, seinen Artikel damit zu beschließen; ich habe ihn nicht zur Hand, es tut mir leid, ich hätte sie gern wörtlich angeführt. Der Sinn war, daß meine Abhandlung um so bemerkenswerter wäre, da ich noch ein junger Mann, ein gewöhnlicher Advokat aus der Provinz wäre, der niemals die Hauptstadt gesehen habe. Er fügte hinzu, glaube ich, daß dieser Anfang zu großen Hoffnungen Grund gäbe, und ermahnte mich, fortzufahren.
Ich sah in diesen lobpreisenden Phrasen etwas ganz anderes, als was sie zu enthalten schienen; mir kam es vor, als ob jedes Wölkchen Weihrauch, das mir erteilt wurde, doch nur Lacretelles Kopf umzog. Überdies fühlte ich mich ein wenig gekränkt, daß man mir die Provinz vorwarf. Wenn man meinen Kunstrichter hörte, verdiente ich eher Aufmunterung als Lob; mein Werk müßte nicht an und für sich, sondern im Verhältnis zu den Umständen