Название | Samba tanzt der Fußballgott |
---|---|
Автор произведения | Mirco Drewes |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783864081644 |
Was im Verdacht stand, auf irgendeine geheimnisvolle Weise Botafogos Erfolg zuträglich zu sein, wurde gnadenlos durchexerziert. Und selbstverständlich auch vice versa: 1945 träumte der Botafogo nahestehende Sportjournalist Geraldo Romualdo da Silva, dass der Klub im nächsten Spiel über ein Unentschieden nicht hinauskommen würde. Als Botafogo sogar das Spiel verlor, wurde umgehend angeordnet, den somnambulen Unglücksraben vom Träumen abzuhalten. Wie dies zu bewerkstelligen war? Ganz einfach: Die Vereinsführung buchte dem Journalisten am Abend vor den Spielen einen Platz im besten Kasino der Stadt, Angestellte des Klubs holten diesen zur Sperrstunde ab und unterhielten den Journalisten ununterbrochen bis zum Spielbeginn. Mit Schlaf war es in dieser Saison nichts für da Silva, zumindest nicht am Wochenende.
Galt Carlito Rocha infolge derartiger Exzesse 1948 als der abergläubischste Vereinsboss Brasiliens, so führte ihm der Zufall in jenem Jahr seinen kongenialen Partner zu, mit dem gemeinsam Carlito Rocha fortan das legendärste Tandem in der Geschichte sportlichen Aberglaubens bildete: Biriba, einen Promenadenmischling von magischer Prominenz.
Das Debüt des berühmtesten Vierbeiners der Fußballhistorie fand in einem an sich unspektakulären Rahmen statt. Einem Ersatzspieler Botafogos namens Macaé war der herrenlose Straßenköter zugelaufen, just an einem Tag, als Botafogos Reserve ein ansonsten recht bedeutungsloses Spiel gegen Bonsucesso, eine unterklassige Mannschaft aus Rio, austrug. Da Macaé auf die Schnelle nicht wusste, wohin mit dem Hund, nahm er diesen mit zum Spiel. Lange Zeit hielt der Hund brav neben der Ersatzbank aus, bis er plötzlich bei einem Angriff Botafogos wie von der Tarantel gestochen auf den Platz in Richtung gegnerisches Tor stürmte. Der Schlussmann Bonsucessos griff, durch die Tatsache irritiert, dass sich neben den gegnerischen Stürmern und dem Ball noch ein Hund in seinem Strafraum aufhielt, an einem harmlosen Schuss vorbei. Macaé mag zunächst im Boden versunken sein, da er auf sein neues Haustier nicht besser acht gegeben hatte, zumal bei diesem Testspiel der unberechenbare Präsident zuschaute. Doch in dem Moment da der Schiedsrichter das Tor gab, stand für Präsident Carlito Rocha eines fest: Diesen Hund hatte der Himmel geschickt. Der Botafogo gewogene Fußballgott hatte Gestalt angenommen – als schwarz-weiß gemusterter Bastard. Daran konnte kein Zweifel bestehen, schließlich trug der Hund in seinem Fell die Vereinsfarben.
Hatte Macaé zunächst mit einigem Ärger gerechnet, so durfte er sich stattdessen einer plötzlich eingetretenen und nachhaltigen Wichtigkeit für seinen Verein erfreuen. Zwar nicht als Spieler, so aber doch als persönlicher Betreuer des magischen Hundes, der innerhalb kürzester Zeit das Maskottchen des Vereins wurde. Biriba, so ordnete der Präsident an, hatte fortan jedem Botafogo-Spiel beizuwohnen.
Tatsächlich stellte sich unter Biribas Ägide ein deutlicher Aufwärtstrend der Mannschaft ein. Um die magische Wirkung des Hundes zu befördern, bekam Biriba vom Mannschaftskoch Botafogos auf Weisung Rochas vor jedem Spiel ein Festmahl zubereitet. Manche Spieler mochten munkeln, der Hund werde besser versorgt als sie selbst, doch der Erfolg gab Carlito Rocha recht, wenn man auch nicht von einem wissenschaftlich validen Kausalzusammenhang sprechen konnte.
Biriba war bald nicht mehr nur als Glücksbringer wichtig, in engen Partien kam der Hund auch zu spektakulären Sondereinsätzen: Drohte ein Spiel zuungunsten Botafogos zu kippen, ließ Präsident Rocha den munteren Mischling aufs Feld jagen. Nach der nötigen Spielunterbrechung, um den Hund einzufangen, fand der Gegner nicht selten nicht mehr zu seinem Spiel-Rhythmus.
Die Bedeutung Biribas erkennend und ausgestattet mit einer passablen Portion Paranoia ließ Präsident Rocha anordnen, dass vor jedem Fresschen Biribas ein Spieler vorzukosten hatte. Im Fall eines Giftanschlags hätte man den Verlust eines einzelnen Spielers gewiss auffangen können, doch wer hätte den magischen Hund Biriba ersetzten sollen?
Die Erfolgs-, oder sollte man tatsächlich Glückssträhne sagen, Botafogos hielt an. Immer mehr Menschen brachten die Siege Botafogos mit Biriba in Zusammenhang. Schließlich kam es zu Entführungsdrohungen. Hundehalter Macaé wurde verpflichtet mit Biriba ins Klubhaus zu ziehen, um den ehemals streunenden und nun äußerst sesshaften Hund rund um die Uhr zu bewachen. Wer weiß, ob der Spieler sich des herrenlosen Hundes angenommen hätte, wenn er geahnt hätte, wie dessen Präsenz sein Leben verändern sollte? Leicht hatte es der Hundehalter gewiss nicht.
Und die Biriba-Show wurde noch toller. Vor einem wichtigen Spiel Botafogos erdreistete sich der unantastbare Vierbeiner und pinkelte einem Spieler des Teams in der Umkleide ans Bein. Die Logik Präsident Rochas kannte keine Ausnahme. Nach dem Sieg wurde angeordnet, dass Biriba bis Ende der Saison, wenn es die Natur denn hergab, vor jedem Spiel ans Bein desselben Spielers urinieren sollte.
Nun mag der geneigte Leser den Kopf ob dieser Auswüchse schütteln, doch eines steht unumstößlich fest: In der Premierensaison Biribas gewann Botafogo die Stadtmeisterschaft Rio de Janeiros – zum ersten Mal seit dreizehn Jahren. Roch es in der Kabine des Teams 1948 zwar etwas streng nach Hundefutter und Urin, so verlor die Mannschaft doch seit dem Auftauchen des legendären Straßenköters kaum noch ein Spiel. Carlito Rocha und Biriba waren das außergewöhnlichste Duo des brasilianischen Fußballs, die Fans Botafogos werden als historische Reminiszenz bis heute Cachorrada genannt, zu deutsch: Hundemeute.
Der Fluch des Phantomfroschs
Neben dem Hund Biriba und dessen zugunsten des eigenen Teams ausgeübten Zauber erlangte ein weiteres, wenn auch namenloses, Tier Berühmtheit im brasilianischen Fußball: der Frosch von Vasco da Gama.
Jener Traditionsklub der portugiesischen Einwanderer Rios verfügte in den 1930er-Jahren über eine hervorragend besetzte Mannschaft, die 1934 und 1936 bereits Rios Stadtmeisterschaft gewonnen hatte. 1937 stand im heimischen Stadion São Januário die Begegnung der Startruppe gegen den Abstiegskandidaten Andaraí FC an. Auf dem Weg zum Stadion stieß der Mannschaftsbus Vascos mit einem Müllwagen zusammen, was die Ankunft am Stadion endlos verzögerte. Dort wartete der Gegner ahnungslos im Nieselregen. Obwohl ein Antrag auf Wertung des Spiels zu eigenen Gunsten wegen des Nicht-Antretens des Gegners möglich gewesen wäre, erwies sich Andaraí als sehr fair im Sinne des Sportsgeistes.
Nach Ewigkeiten traf Vasco schließlich am Stadion ein und das Spiel konnte stattfinden. Der klar unterlegene Klub aus Bahia setzte auf eine auch real-sportliche Anerkennung der sportiven Geste und durfte nach entgegenkommenden Vorgesprächen auf eine gewisse Schonung hoffen. Doch auf dem Platz machte Vasco rücksichtslos ernst und schlachtete den Gegner, dessen Freundlichkeit man die Austragung des Spiels überhaupt verdankte, mit sage und schreibe 12:0 ab. Nach dem Abpfiff dieser ungastlichen Lehrstunde betrat Andaraís Ersatzspieler Arubinha das Spielfeld, kniete auf dem Rasen nieder und sprach laut ein Gebet, in welchem er beschwor, dass Vasco, wenn es denn einen gerechten Gott gäbe, genau zwölf Jahre lang die Meisterschaft nicht mehr gewinnen möge.
Zunächst maßen die Vereinsoberen der Geschichte keine besondere Bedeutung bei, doch kurze Zeit nach dem Spiel kursierten Gerüchte, Arubinha habe heimlich einen Frosch unter dem Rasen begraben. In den Naturreligionen Brasiliens gilt der Frosch, der Wächter des Regenwaldes, als Überbringer schlechter Nachrichten und Verwünschungen. Und das amphibische Menetekel begann Wirkung zu zeigen. Die kommenden Jahre sahen Vascos Starelf in der Tabelle stets weit vorn, doch es wollte mit dem Titel nicht klappen. 1943 drang Vasco mit einer der stärksten Mannschaften der Vereinshistorie endlich wieder ins Endspiel vor. Doch Gegner Flamengo, der Klub der benachteiligten Massen, triumphierte mit 6:2. Jetzt wurde Vascos Management nervös. Ein früherer Spieler des Klubs, der vorgeblich über besondere spiritistische Fähigkeiten verfügte, wurde angeheuert, um den Frosch zu entfernen, den Fluch zu bannen. Dieser schritt mit einer Wünschelrute, die auf dämonische Präsenz reagieren sollte, den gesamten Platz ab und verkündete schließlich, der Frosch sei unauffindbar.
Als im kommenden Jahr die Mannschaft, erneut hochfavorisiert in die Meisterschaft gestartet, den Titel wiederum verfehlte, schien es keine Alternative zu geben als vor dem Fluch zu kapitulieren. Arubinha wurde öffentlichkeitswirksam gebeten, dem Klub zu verzeihen. Man habe nun wirklich genug gelitten, er möge doch endlich verraten, wo der Frosch vergraben sei. Das Dumme war nur, dass Arubinha von einem Frosch nichts wissen wollte, er habe keinen Schimmer, wie die Gerüchte aufgekommen seien und habe