Samba tanzt der Fußballgott. Mirco Drewes

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Название Samba tanzt der Fußballgott
Автор произведения Mirco Drewes
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783864081644



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die Sklaverei ab. Die ehemaligen Leibeigenen zogen nach dem Ende ihrer Unterdrückung in die Städte und bildeten dort, zwar nun ihrem Status nach freie Bürger, dennoch eine weitgehend marginalisierte Unterschicht, der die Teilhabe am öffentlichen Leben verwehrt wurde. Das eigentlich brasilianische Element kam erst mit dem Zugang der afrobrasilianischen Spieler zu den Mannschaften in den Fußball.

      Fußballpionier Oscar Cox gründete gemeinsam mit neunzehn Freunden 1902 den Klub Fluminense, Rios ersten Fußballverein. Die Spiele waren ein Societyereignis erster Güte, die Damen der Oberschicht führten die neueste Mode aus, die Herren erschienen in Anzug und Krawatte, man gab sich dem britischen Vergnügen in weltläufiger Attitüde hin. Die Spieler waren weiße Studenten und Angehörige der Oberschicht, samt Amateure, die dem modernen Gedanken der Leibesertüchtigung frönten.

      Setzen sich heutzutage im deutschen Fußball Fans für den Erhalt günstiger Stehplätze ein, um auch weniger begüterten Liebhabern des Sports Stadionbesuche zu ermöglichen, so verteidigen sie einen Gedanken, der in den Anfangszeiten dieses Sports nicht vorgesehen war: soziale Inklusion als gesellschaftliche Funktion des Sports. Der sich etablierende Fußball Brasiliens war im Gegenteil das exklusive Spiel der britischen Eliten, Brasilianer und ehemalige Sklaven waren nicht erwünscht.

      Doch schon bald fanden sich auf den Dächern der umliegenden Häuser immer mehr farbige Zuschauer ein, die als Kiebitze die Spiele auf dem Feld verfolgten. Fußball bot gegenüber dem Kricket den Vorteil, dass es simpel zu erlernen und durchzuführen war und daher auch den weniger begüterten Möglichkeiten zur Ausübung bot. Da man nicht mehr benötigte als einen Ball, begannen auch die schwarzen Brasilianer bald überall zu kicken. Sockenknäuel, mit Papier ausgestopfte Tücher oder aus Gummibäumen abgezapfter und ausgehärteter Kautschuk gaben den Ball, der Rest war pure Freude. Bereits um 1910 war Fußball das beliebteste Spiel Rio de Janeiros, die arme Unterschicht bolzte überall und imitierte so das gepflegte Hobby der weißen Oberschicht auf eine Weise, die den meisten vornehmen Gentlemen des Sports ein Naserümpfen entlockte. Zu jener Zeit soll Rio über mehr Fußball- und Bolzplätze verfügt haben als jede andere Stadt Südamerikas. Dass wir nicht von ordentlichen Sportstätten sprechen, ist dem Bericht des Klubvorsitzenden des englischen Teams Exeter City zu entnehmen, der 1914 Rio besuchte: „Stellen Sie sich den schlimmsten Amateurplatz vor, den Sie je gesehen haben, den werfen Sie nun auf wie einen Teppich, streuen Schotter und Steine darüber und setzen das Ganze der tropischen Sonne aus, dann bekommen Sie eine entfernte Vorstellung von dem Spielfeld hier“, schrieb M.J. Mc Gahey an die Lokalzeitung aus Exeter und empörte sich zudem über einen Strandkick, als er der beteiligten Spieler ansichtig wurde und feststellte, „dass alle Nigger waren. Schwarz wie ein Zylinder, und die meisten spielten barfuß“. Das war eindeutig zu viel für die vornehmen Besucher.

      Der erste Club in Rio, der auch schwarze Spieler in seine Mannschaft aufnahm, war Bangu Atlético Clube. Bangu war eine Werksmannschaft, gegründet von den Inhabern einer Textilfabrik, die auch nicht-weißen Spielern die Teilnahme ermöglichte. Da diese ihr Geld als Fabrikarbeiter verdienten, verstießen die Spieler nicht gegen den vorgeschriebenen Amateurstatus. Bangu blieb jedoch einige Jahre eine absolute Ausnahme und verfügte nicht über die sportliche Klasse, um ein wirklicher Stachel im Fleische der weißen Fußballherren zu sein.

      Wohlhabende Amateure

      Der verpflichtende Amateurstatus erfüllte eine nicht unwesentliche Funktion bei der Aussperrung der schwarzen Unterschicht vom weißen Fußball. Indem der Fußball als Einnahmequelle per Satzung eliminiert wurde, konnten nur Spieler zu den Teams finden, die auf alternativem Weg Geld verdienten. Anständig bezahlte Lohnarbeit, die nebenbei Zeit für Hobbys ließ, war jedoch für die meisten farbigen Brasilianer kaum erreichbar und so konnten diese nicht im Fußball reüssieren. Dieser gezielte Ausschluss sollte der Sorge Vorschub leisten, es könnten sich farbige Angehörige der Unterschicht finden, die am Ende gar die weiße Oberschicht in ihrem Gentlemen-Spiel übertrumpften. Es bedurfte der Erfahrung einer ehemals als Kolonialmacht herrschenden und nun selbst herabgesunkenen Bevölkerungsgruppe, um das britische Fußballkartell zu sprengen: Die Portugiesen in Brasilien, längst selbst eine sozial marginalisierte Randgruppe aus eng zusammengerückten Handeltreibenden, gründeten in Rio 1915 die Fußballabteilung ihres Sportclubs Vasco da Gama, benannt nach dem portugiesischen Seehelden. Um die Vormacht der großen Clubs in Rio zu brechen, verpflichteten sie Fußballer aller sozialen Schichten und Hautfarben – einfach nach deren Leistungsvermögen.

      Um die Amateurklausel zu umgehen, bekam jeder Spieler irgendeine Arbeit in den Läden der Vereinsoberen zugewiesen. 1923 stieg die Mannschaft in die erste Liga der Region Rio auf und besaß die Frechheit, mit einer Mannschaft, in der drei Schwarze und ein Mulatte spielten, auf Anhieb Meister zu werden. Auf dieses als gänzlich unwürdig empfundene Gebaren reagierten die arrivierten Clubs Rios mit der Gründung einer eigenen Liga, in der Vasco nicht mitmischen durfte. Doch angesichts der enormen Beliebtheit der Mannschaft musste der Club auf Druck der Massen wieder in den Spielbetrieb aufgenommen werden.

      Nenn mich „Silva“

      Die weißen Großklubs ersannen eine neue List, um die Spieler der Unterschicht aus dem Fußball zu drängen und den multiethnischen Rivalen zu schwächen: Neue Vorschrift wurde, dass alle Spieler ihren Namen selbständig auf dem Spielberichtsbogen eintragen mussten. Vasco verfügte mit seinen zahlreichen armen Spielern über die größte Zahl an Analphabeten. Doch abermals zeigte sich der Verein couragiert im Aushebeln der diskriminierenden Regelungen und schickte die gesamte Mannschaft in einen eigens organisierten Lese- und Schreibunterricht. Bei Spielern, deren Name allerdings zu lang oder kompliziert war, als dass der bildungsferne Kicker ihn hätte schreiben können, half leider nichts. Der Name musste also kurzerhand geändert werden, Vasco lief bald mit einigen Spielern auf, die allesamt auf den einfachen Namen „Silva“ hörten.

      Vor so viel Erfindungsgeist fürchteten die Großclubs kapitulieren zu müssen und entschlossen sich daher, auch den Besitz eines eigenen Stadions für jeden Club vorzuschreiben. Die Portugiesen sammelten, wild entschlossen, sich auch von dieser Schikane nicht den Ball vom Fuß nehmen zu lassen, unter den Mitgliedern ihrer Gemeinde Geld. Die Solidarität war so groß, dass Vasco bald genug Geld beisammen hatte, um mit dem São Januário das damals größte Fußballstadion Brasiliens zu bauen. Auf diesem Weg gelang es dem Club, den verbindlichen Amateurstatus ins Wanken zu bringen.

      Als die europäischen Profiligen in den 1930er-Jahren begannen, Spieler aus Lateinamerika abzuwerben, wurde die Einführung von Profiligen unumgänglich. 1933 führten Rio und São Paulo Profiligen ein, die Menschen aller Hautfarben und sozialer Herkunft offenstanden. In Rio schickte der Club Bonsucesso gleich elf schwarze Spieler in die Auftaktsaison. Fußball war nun Massensport. Den verbohrtesten Anhängern der weißen Oberschicht blieb nur Kricket.

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