Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition). Ed Sanders

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Название Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition)
Автор произведения Ed Sanders
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862870998



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Scheck auszustellen ... zustellen ... stellen.

      Und auch heute war der Grund, warum Uncle Thrills mit Newt und Avram Maniac am Brunnen hockte und tuschelte, die Aussicht auf einen Scheck. »Also passt auf«, erklärte er, »Ich kenne da zufällig eine europäische Adelige, die hier mit ’nem reichen amerikanischen Pinkel verheiratet ist. Sie fliegt auf Schriftsteller und kann einfach nicht anders, als ihnen zu helfen. Und rein zufällig hab ich grade heute mein Manuskript — pffft!«, er pustete den Staub von seinem Aktenordner, »... bei mir. Sie wohnt in den Dakota-Apartments. Also, auf geht’s!«

      Er winkte Barrett. »He Barrett, willst du mitkommen? Du kriegst auch was ab!« Aber Barrett zögerte, und so marschierte das Trio alleine los, auf der Suche nach dem heiligen Scheck.

       III

      Barrett sah zu, wie seine Freunde aufbrachen und kurz danach sank seine Laune auf einen Tiefpunkt. Er sah sich nämlich seinem dreiköpfigen Todfeind gegenüber: Langeweile, Verwirrung und Paranoia. »Hi!« begrüßte er die Halluzination. Er füllte die Löcher sozusagen mit gefüllten Löchern, indem er eine Zeit lang gedankenverloren mit seinem Füllhalter auf Händen und Armen herumkritzelte. »Ra steht uns bei« tätowierte er sich mit Tinte auf seinen Arm. Dann rollte er den Ärmel hoch, damit es auch jeder sehen konnte, stand auf und bummelte durch den Park. Das ist mein Kicktrip, murmelte er beim Gehen, das ist mein Kick-Trip, das ist mein Kick-Trip. Vielleicht würde jemand eine Schlägerei anfangen; es gibt doch nichts Besseres als eine kleine Paranoiawolke am Horizont, um den Tag in den Griff zu kriegen.

      Man darf nicht vergessen, dass die Zeit des Washington Square Park mitten in die Eisenhower-Ära fiel, also tiefstes Squareville, Baby. Die Beats, die Herumtreiber, der Campus der angrenzenden New Yorker Universität und die Eltern kleiner Kinder lagen sich in den Haaren, wenn es um die Nutzung des Geländes ging. Musik war verboten (außer sonntags), Dichterlesungen ebenfalls. Und Trommeln. Erst vor Kurzem hatten es ein paar berüchtigte Beatnikrebellen geschafft, den gefährlichen Autoverkehr verbieten zu lassen, der vorher mitten durch den Park gefegt war. Trotzdem blieben aber die Vorschriften für den Aufenthalt im Park strikt und mechanisch. Ständig lagen die Bullen auf der Lauer, um Menschenansammlungen zu zerstreuen, die an einer Ecke einem Dichter lauschten, oder Liebespärchen vom Gras zu verscheuchen. Und wo wir gerade beim Gras sind — genau danach hielt Barrett Ausschau. 1959 im Washington Square Park einen Joint zu rauchen war eine Lektion in Paranoia, die sich für immer ins Gedächtnis einprägte. Gewöhnlich lungerten die Dharma-Kommis auf einer abgelegenen Bank herum, machten sich spöttisch oder grimmig über die Besteuerung von Gras lustig und pumpten ihre Lungenbläschen mit blassen Rauchschwaden auf, gleichzeitig mit allen Sinnen auf der Pirsch: Augen nach links — absichern; Augen nach rechts — absichern; ihre Augen tasteten sogar den Himmel ab. Und erst die Ohren: ihre Ohren kriegten den entferntesten Fußtritt mit und ihre Mäuler hielten sich allzeit bereit, die aphrodisisch schwelenden Reste zu verschlingen, falls die Bullen anrückten.

      Aber heute Morgen gab es nicht einen einzigen Krümel Hasch im Park. Allerdings war das auch nicht weiter tragisch, denn jetzt vernahm Barrett den Gong in seinem Kopf, einen Gong, der die Stunde der Poesie einläutete und damit den Höhepunkt des Tages.

      Er fand eine Bank ganz in der Nähe des Hauptgebäudes der Uni von New York, machte seine Umhängetasche auf, zog einen kleinen Stoß Bücher heraus und breitete sie nebeneinander auf dem Sitz aus. »Ahhh, ihr heiligen Bücher«, wisperte er und streichelte sie zärtlich wie ein heimlicher Bilderschänder, dem schon einer abgeht, wenn er das Bein von Ödipus und die Sphinx im Metropolitain Museum betatscht.

      Da lagen sie nun, die Cantos von Ezra Pound, Howl & Other Poems von Allen Ginsberg, The Collected Poems von Dylan Thomas, Wasteland And Other Poems, von Eliot, Echo’s Bones von Sam Beckett, Buddhist Texts Through The Ages, die neueste Ausgabe von LeRoi Jones’ Yügen (mit Ginsbergs Kaddish IV und V), plus Beatitude Nummer 2. Er las mit einer Faszination, die ihm die Kehle zuschnürte. Es machte ihn so nervös, dass er vor der Bank auf und ab gehen musste und nur manchmal stehen blieb, um ein neues Buch in die Hand zu nehmen. Er las laut und wechselte Strophen aus verschiedenen Werken miteinander ab. Zuerst kam Pounds Canto 45 dran, mit seiner wunderbaren Litanei gegen Usura, die den jungen Künstler erschauern ließ. Nach dem Canto ein paar Zeilen aus Ginsbergs Kaddish, Part V — der Abschnitt mit den heiser krächzenden Krähen und den weißen Sonnenstrahlen, die über die Grabsteine von Long Island huschen —, gleich danach die ersten sechzehn Zeilen von Wasteland und ein Cut zurück zu Kaddish, Part IV — oh Mutter, was habe ich ausgelassen, oh Mutter, was habe ich vergessen —, und mittlerweile hüpfte Barrett vor lauter Begeisterung hin und her.

      Am Schluss riskierte er sogar einen Anschnauzer von den Bullen oder Parkwächtern und sprang mit einem Satz über die Bank, hinein in die verbotene Wiese, warf sich ins Gras und begann, die schlanken glitzernden Goldähren purer Poesie in sein Notizbuch zu sensen; unter seinen Fingernägeln klebte das Wachs seiner armseligen Kerzenlichtexistenz.

      Ja, er konnte den Fluss der Verse sehen! Ein Strom von Zeilen verschiedener Barden — herrje, war das aufregend, die eigenen Zeilen im Geist schon mit dem dichterischen Treibgut seiner Helden vermischt zu sehen. Ihm war, als schriebe er ohne Bewusstsein. Eine Stunde verging und kam ihm vor wie eine Minute. Tja, das sind Kicks, dachte er bei sich, als die reinsten Stromstöße durch seinen Körper pulsierten — vom Stift zum Gehirn — vom Gehirn zum Stift — »Melpomene, Baby!« rief er begeistert. [SVG-Griechische Schrift] — das heißt Gottestanz.

       IV

      Aber falls Melpomene Barretts Schreibanfall tatsächlich beobachtete, wäre ihr auch nicht entgangen, wie armselig angezogen er herumlief: seine Jacke, die überall mit Wachs bekleckert war, weil es in seiner Bruchbude keinen Strom gab, und vertrocknete Buchweizennudeln auf dem Kragen, die aussahen wie geschmolzene Anstecknadeln vom Secret Service. Es war schon beinah so weit gekommen, dass er mindestens einmal am Tag eine Kerze umschmiss und sich mit Wachs vollspritzte. Genau das Wahre für einen verhinderten Barden, bildete er sich ein. Außerdem hatte die Jacke, die auch im Winter herhalten musste, im Verlauf ihrer ununterbrochenen Dienstzeit die olfaktorische Ausdünstung eines Zebra-Arsches angenommen und beleidigte so ziemlich jeden, der in ihre Nähe kam.

      Diesen Morgen hatte er auch noch einen Absatz am Schuh verloren, und jetzt bohrten sich die herausragenden Nägel langsam in seine Fußsohle. Die Regenschauer des New Yorker Frühlings hatten das Leder aufschwellen lassen und brüchig gemacht. Beide Schnürsenkel waren schon vor langer Zeit gerissen, und Barrett war gezwungen gewesen, die beiden Hälften zu neuen Schnürsenkeln zu verarbeiten, deren Enden nun mit der Zeit ausfransten. Als sie das nächste Mal rissen, blieben nur noch Fetzen übrig, und er konnte knapp zwei Löcher pro Schuh zuschnüren. An nassen Tagen wickelte er sich Silberpapier um die Socken, um zu verhindern, dass die langsam durchsickernde Flüssigkeit die perlgraue Dreckschicht auf seinen Füßen völlig aufweichte.

      Wird Zeit fürs katholische Fürsorgeheim, dachte er. Erst stell ich mich zum Essen an, und später kann ich vielleicht noch ein paar Kleider loseisen. Er packte seine Bücher zusammen und ging hinüber zur Bowery, dann weiter nach Osten in die Chrystie Street, wo er hoffte, in eine neue Haut schlüpfen zu können. Dabei spürte er einen leichten Stich von schlechtem Gewissen, das ihn mahnte: »Barrett, du hast eigentlich noch gar keine neue Jacke verdient!« Seine Vorliebe für den Sozialismus beziehungsweise eine Art anarchistische Volksrepublik sollte sich auch erst Jahre später voll entwickeln. Außerdem wusste er ganz genau, dass er der Frau, die für die Kleiderkammer zuständig war, bestimmt erst mal stundenlang die Ohren vollquasseln musste, ehe er den Nerv haben würde, sie nach einer Jacke zu fragen. Und vielleicht auch noch nach einem Paar neuer Schuhe, wenn noch genug Energie übrigblieb.

      Er quatschte eine Weile mit den Leuten vom Fürsorgeheim und murmelte was von nolo credere, als einer das Lamm Gottes erwähnte. KonBef! KonBef! Er imitierte Thrills wirklich bis ins kleinste Detail. Da wo Barrett herkam, war Atheismus die coolste Lösung. Er konnte zum Beispiel einen ganzen Umkleideraum voller Fußballspieler nach