Название | Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition) |
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Автор произведения | Ed Sanders |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870998 |
Als Barton MacIntyre merkte, dass er sich in die Malerin Louise Adams verliebt hatte, schaltete er zuallererst sämtliche Rivalen aus.
Er belagerte Louise. Zum Beispiel gewöhnte er sich an, ans Telefon zu gehen, wenn er bei ihr war, und mit allen Tricks zu versuchen, männliche Anrufer abzuwimmeln. Er verbrachte soviel Zeit mit ihr, wie er nur rausschinden konnte. Bei den Stammkunden von Stanley’s Bar und in den umliegenden Cafés verbreitete er die wildesten Gerüchte. Und zu ihrer eigenen Überraschung merkte sie, dass sie diesen schwitzenden, ruppigen Affenmenschen tatsächlich tolerierte, obwohl er sein Bestes tat, um alle ihre Liebhaber zu vertreiben. Sie glaubte an seine Liebe und fing sogar probeweise an, sich ein bisschen daran zu gewöhnen. Zum Dank schenkte sie ihm nicht nur ihre Zärtlichkeit, sondern vertraute ihm auch alle ihre Pläne und Sorgen an.
Geldmangel war in diesen Zeiten ihr größtes Problem. Deshalb hatte sie in der Wohnung ihre Töpferscheibe aufgebaut und konnte außerdem den Ofen im Cooper Union College benutzen. Verschiedene Läden im West Village nahmen ihre Vasen, Kannen und Töpfe in Kommission, und sie verkauften sich nicht schlecht. Geschickt bemalte sie sie mit ornamentalen Waldszenen und entstellten Teufelchen, die die Gesichter bekannter Künstler der Zeit trugen.
Dann kriegte sie eines Tages die Chance, ein Ladenlokal an der Neunten Straße Ost zwischen Avenue B und First Avenue zu mieten, für fünfundvierzig Dollar im Monat. Sie stellte sich vor, im rückwärtigen Teil zu wohnen und vorn ihre Arbeiten zu verkaufen. Dem Gesetz nach war sie sogar dazu verpflichtet, das Ladenlokal auch tatsächlich als Laden zu benutzen. Weiter hinten, dicht unter der Decke, baute sie ein riesiges Hochbett. Dann scheuerte sie die Farbe von den Ziegelwänden und brachte sie auf Hochglanz. Im Schweiße ihres Angesichts installierte sie eine Duschkabine von Sears & Roebuck. Aus alten Brettern bastelte sie sich Regale für ihre Töpfereiprodukte und zog eine Trennwand zwischen den Laden und das Wohnquartier. Der hintere Teil erfüllte ihre kühnsten Träume: Endlich hatte sie Platz genug für alles, Bilder, Holzskulpturen und Steingutarbeiten.
Sie hatte keine Ahnung, wie gut ihre bemalten Keramikvasen tatsächlich waren. Im allgemeinen verließ sie sich auf die Anerkennung ihrer Freunde, unterschätzte sie aber — und sich selbst gleich mit. So kam es, dass sie Vasen oder Kannen, für deren Fertigstellung sie wochenlang gebraucht hatte, für fünf bis zehn Dollar das Stück abgab. Sie waren bald ausverkauft und sie hatte eigentlich nicht vor, noch mehr von diesen unfertigen Gebilden auszuspucken. Andererseits brauchte sie dringend Geld und so platzierte sie zögernd die ersten paar Bilder vorn im Laden und im Schaufenster, wieder zu unglaublich bescheidenen Preisen. Innerhalb der ersten Woche verkaufte sie zwei Bilder und war überglücklich. An diesem Abend spendierte sie ihren Freunden bei Stanley’s eine Runde nach der anderen. Dann kaufte sie sich eine Ladung Leinwand, diverse Extrapinsel und -farben und bei Madame Braznick ein Paar rote Tanzstiefel.
Barton MacIntyre verfolgte diese Entwicklung mit leichter Besorgnis. Die Töpferidee und den verrückten Laden unterstützte er voll und ganz, aber dieser Absatz an Bildern jetzt, also der war unfair. Deshalb ermutigte er sie ständig, doch wieder zu töpfern. Zum Beispiel nahm er eine Vase in die Hand und erklärte: »Also hör mal, das sieht ja echt gut aus, fast schon vollkommen!«, während er gleichzeitig verstohlen seine Augen über die Reihe ihrer neuen Bilder schweifen ließ.
Eine halbe Treppe mit Stufen aus schwarz angestrichenem Eisen führten zum Eingang des Ladens hinunter. Er trug das gepriesene Stück hinüber zum Schaufenster und meinte: »Warum hängst du’s nicht einfach an ein paar Strippen ins Fenster?«, während sie gerade damit beschäftigt war, eine Schicht Schmirgelpapier auf die Schleifmaschine zu nageln.
»Verdammt noch mal! Das soll eine Galerie für Bilder werden! Bilder! Kein Keramikstudio!« Und damit feuerte sie die Schleifmaschine in die nächste Ecke und riss ihm die Vase aus der Hand.
Bei einer anderen Gelegenheit fuhr er mit den Fingern über eine ihrer geschnitzten Holztafeln, Teil einer Serie aus langen Walnussbrettern mit kompliziert eingearbeiteten menschlichen Figuren und einer Slum-Szenerie im Hintergrund. »Du solltest mit dem Zeug hier wirklich praktischer umgehen«, sagte er und hielt ihr das Brett horizontal unter die Nase. »Das hier zum Beispiel wäre das ideale Material für einen Bücherschrank, in dem irgendein reicher Pinkel seine Erstausgaben aufbewahren könnte.« Worauf sie ihm das Brett wegnahm, ihn zur Tür hinausschubste und die Stufen hochscheuchte.
Ihre kleinen Erfolge ermutigten sie, eine Serie von Bildern anzufangen, die sie mindscapes nannte. Sie wurden chronologisch nummeriert und als die Serie fertig war, hatte sie zehn mindscapes beisammen.
Ihre Methode war folgende: Als erstes verbannte sie alle Besucher und Freunde. Sie schlief sehr viel und passte auf, dass sie keinen Kater, keine Methedrin-Depression oder sonstigen Ärger kriegte. Das Telefon wurde in einen Schrank befördert und mit Kissen zugedeckt. Und dann skizzierte sie in einem wahren Taumel alles, was sich in ihrem Kopf abspielte, wenn sie auf die unsichtbare Leinwand starrte. Gesichter, Bilder aus der Vergangenheit, Zitate, Halluzinationen, verborgene Wünsche. Meistens dominierte dann am Schluss eine bestimmte Vision auf jedem Gemälde. Fieberhaft machte sie sich Notizen, Skizzen, formte Gestalten aus Ton und war im wahrsten Sinne des Wortes ausgepumpt, wenn sie nach mehreren Stunden Arbeit den ersten rohen Entwurf auf der Leinwand stehen hatte. Sie fing jeden Tag ein neues mindscape an, sodass sie nach zehn Tagen an zehn Entwürfen gleichzeitig arbeitete, immer von einer Leinwand zur nächsten wandernd. Die mindscapes erstaunten ihre Freunde. Viele waren so beeindruckt, dass sie Bekannte anschleppten und ihnen die Arbeiten zeigten. Etwa zu diesem Zeitpunkt beschloss Louise, ihren Laden Mindscape Gallery zu nennen. Außerdem wollte sie eine feierliche Eröffnungsparty schmeißen und dabei die mindscapes feiern. Sie gab sich also einen Monat Zeit, um alles vorzubereiten.
Zuerst schnitzte sie für die Galeriefront einen Holzrahmen, der in einer Reihe mehrere kleine Leinwandvierecke fasste. Auf jedes Stück Leinwand hatte sie einen Buchstaben gemalt, die hintereinander die Worte Mindscape Gallery ergaben. Und der folgende Monat bestand aus nichts als Arbeit.
Unvorhergesehene Schwierigkeiten drohten alles zu vereiteln. Das Kaninchen im Labor reagierte positiv auf Schwangerschaftshormone und sie kämpfte sich durch einen Albtraum von Bussen und Angst, als sie losfuhr, um die Abtreibung bei einem Unhold, der im ganzen East Village nur als der »Schlächter von der Sechsundachtzigsten Straße« bekannt war, machen zu lassen. Barton war natürlich gerade völlig pleite und konnte sich an den Kosten nicht beteiligen. Die Folge war; dass sie mit der Ladenmiete in Rückstand kam. Sie hätte den Laden natürlich jederzeit für dreihundert Dollar verscherbeln können; soviel Arbeit hatte sie mindestens in die Renovierung gesteckt. Aber sie konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, das Mindscape jetzt schon wieder zu verkaufen — wo es doch noch gar nicht richtig in Gang gekommen war.
Sie hätte sogar von ihren Eltern finanzielle Unterstützung bekommen können, schließlich hatten sie ihr Hilfe angeboten, aber sie ließ sie eiskalt abblitzen. Innerlich wurde ihr allerdings das Herz doch ein bisschen weicher und sie lud die beiden sogar zur Ausstellungseröffnung ein.
Es gab schrecklich viel zu tun. Die Einladungskarten waren falsch gedruckt, und der Drucker war tatsächlich unverfroren genug, eine zusätzliche Ratenzahlung zu verlangen, ehe er die korrigierten Karten lieferte. Sie kriegte einen Wutanfall und machte sich daran, ihre Einladungen im Siebdruckverfahren selber herzustellen — eine Prozedur, die sie Tage kostete. Außerdem musste die Galerie neu gestrichen, mussten die Scheinwerfer in der richtigen Anordnung installiert und Wein und Lebensmittel eingekauft werden. Und vor allem musste sie die ganze Zeit auch noch mit Barton fertigwerden.
MacIntyre bestand nämlich darauf, dass sie ihn die ganze Zeit auch noch bei seinen täglichen Runden zu Mahlzeiten, Spaziergängen, endlosen Fummelsessions, Barbesuchen, Parties, Galerien und Cafés begleitete. Eines ihrer Lieblingsplätze war ein Café mit dem Namen House of Nothingness. Es lag an der Zehnten Straße in der Nähe der Öffentlichen Bibliothek am Tompkins Square.