Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition). Ed Sanders

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Название Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition)
Автор произведения Ed Sanders
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862870998



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Kicks, Mann? Kicks!« Eine unbestimmte Sehnsucht ließ ihn erschauern, oder war es doch nur Show? »Die alten Bäume da drüben, seht ihr die?« Und er wies auf die riesigen Eichen im Westen. »Sie sind aus Leichendunst entsprossen, jawohl! Wisst ihr denn überhaupt, was da unter dem Brunnen ist? Armselige tote Reste von ein paar bepissten Motherfuckern von vor hundert Jahren, die liegen da rum! Das war Potter’s Field, Leute, der öffentliche Henkersplatz. Und es gab mal eine Zeit, da wimmelte es in diesem Park von Alraunwurzeln!«

      »Ich bin doch kein Spinner! Ich will meine Kicks. Nicht Gestern, kapiert ihr, und nicht Morgen, das ist ja wohl klar ... jetzt und auf der Stelle. KonBef! KonBef!« Er stampfte mit dem Fuß auf. »Das isses was ich will, Himmelherrgott, Kicks! Her mit den Kicks! Her mit den Kicks! Her mit den Kicks!« Er fing an, die Worte zu singen, und ein Teil seiner Freunde fiel ein. Aber natürlich scheuchte das Geschrei der Kicksüchtigen prompt die Polizei von ihrem Posten. Im Nu kamen sie angewetzt, drüben von der McDougal Street, und stoppten den Aufruhr.

      Plötzlich löste sich Uncle Thrills aus dem Kreis der Sänger und schlurfte rüber zu ein paar frühmorgendlichen Touristen. »Hör mal Mann, hast du vielleicht ’ne Zigarette für mich?« fragte er. Er machte ein paar saugende Geräusche mit den Lippen und führte gleichzeitig zwei Finger zum Mund. »Wie wär’s mit ’ner kleinen Fluppe für Uncle Thrills, hmmm, Freundchen?«

      Mit aschfarbenem Gesicht, dem man ansah, dass er vom nächsten Herzinfarkt nicht mehr weit entfernt sein konnte, fischte der Tourist eine Pall Mall aus der Hemdtasche und reichte sie Thrills, der zum Pissoir weitertrottete, mit halb aufgeknöpfter Hose und ohne einen Gedanken an das Gesetz bezüglich der Erregung öffentlichen Ärgernisses zu verschwenden. Aus voller Kehle schmetterte er zu der Melodie von »Der Herr ist mein Gott« seinen eigenen Text: »Ich lutsch dem Herrn Jesus seinen Schwabbelschwanz«.

      Uncle Thrills hatte ein ausgesprochenes Talent, seiner Umgebung auf die Sprünge zu helfen, und die Versammlung am Brunnen hielt sich den Bauch vor Lachen, als Un’ Thrills davonschlurfte. Barrett betrachtete seine Fingernägel und riss sich mit einem schmerzhaften Ruck einen Fetzen Nagelhaut ab. Mehrere Finger taten ihm sowieso schon weh, weil sie bis aufs Fleisch abgekaut oder an den oberen Rändern des Nagelbetts eingerissen waren. Er tröstete sich, indem er die Finger zählte, die nicht kaputt waren, eine Art Geständnis, bloß verkehrt herum, und konstatierte, dass heute Morgen volle sechs von zehn sauber und ohne Kau- oder Reißspuren waren.

      Thrills begann seine nächste Schrei-Lektion schon auf dem halben Weg zurück vom Klo zum Brunnen. »Der höhere Funke knallt dir in alles rein! Und es ist besser, du weißt Bescheid! Lass doch auch den Göttern ihren kleinen Kitzel. Uiiiih! Bei Ihrer Figur, junges Fräulein, würden die Götter allerdings glatt durchdrehen!« Dabei probierte er einen blitzschnellen Griff auf das Gesäß einer vorbeischlendernden Spaziergängerin. »Du kannst die silbernen Fäden zwischen Himmel und Erde nicht nur lutschen, sondern auch kauen! Wow!«

      Das war typisch für Uncle Thrills, wenn er gute Laune hatte. Die meiste Zeit heulte er wie eine ganze Hundemeute auf einmal. Sein Lieblingsschrei zum Beispiel war eine Zeile aus Warten auf Godot:

      »Ich hab diesen Scheißdreck von Leben ausgekotzt, ich sag’s dir ...«

      Wenn Uncle Thrills diese Zeile zitierte, geriet er jedes Mal in einen überschäumenden Begeisterungstaumel. »Warten auf Godot«, schrie er, so hysterisch, dass sich seine Stimme um mindestens eine halbe Oktave in die Höhe schraubte. »Gott der Idiot! God-ott! Bah! Oh wie hab ich den Dräääääck meines Lääääbens aus-ge-kotzt!!!«

      Nachahmer von Uncle Thrills pflegten diesen Vers immer so lange zu üben, bis sie diese irren, lächerlichen Modulationen darin ganz genau erwischten. Barrett erinnerte sich, wie seine Klassenkameraden in der Highschool dasselbe gemacht hatten und aus The Wild One herausgestelzt kamen und im Badezimmerspiegel übten, bis sie den verächtlichen Gesichtsausdruck eines Brando-Rockers voll draufhatten.

      Uncle Thrills genoss die Aufmerksamkeit. Seine Zukunftsaussichten hingen unter anderem davon ab, wie sorgfältig er heute seine eigene Legende als Genie konstruierte. Nach langem Nachgrübeln war er auf drei Karrieren verfallen: Schriftsteller, Erfinder und Künstler.

      Acht Jahre lang hatte er an einem endlosen, mehrsprachigen Roman gearbeitet, der angeblich über zehntausend Seiten haben sollte und Cryptozoic Aeon hieß. Es war die epische Story von der Genealogie eines menschlichen Genies (Uncle Thrills), das in der warmen Algensuppe des kryptozoischen Zeitalters entstand und dann circa 14.023 Lebensformen durchlief, bis es irgendwie in seiner jetzigen Form landete, einem US-Genie aus dem Jahre 1959. Tja, so was nennt man Angeber. Es muss aber auch dazu gesagt werden, dass alles, was man von diesem monumentalen Unternehmen je zu Gesicht bekommen hat, ein verstaubter Aktenordner voller unnumerierter Blätter war.

      Als Erfinder hatte Uncle Thrills mehrere Patente angemeldet. Eines davon war der batteriebetriebene Thrill Beeper. Eigentlich war das so was ähnliches wie ein kleiner Stachelstock, der angeblich die irrsten Lustzentren im Gehirn aktivieren konnte, wenn er an bestimmten Punkten des Schädels angeschlossen wurde. (Eine Schädelkarte mit den wichtigsten Aktivierungspunkten wurde beim Kauf mitgeliefert.) Uncle Thrills hatte jedenfalls den größten Spaß daran, junge Beatlinge mit hoch erhobenem Thrill Beeper um den Brunnen zu jagen.

      Eine andere Erfindung war sein Badewannenmeditationssystem. Es entsprang Uncle Thrills Gewohnheit, sich jeden Morgen in ein heißes Bad zu versenken und spirituelle Kommunikation mit Poseidon aufzunehmen. Er blieb dabei mehr als eine halbe Stunde unter Wasser und atmete durch einen Kupferschlauch, der nach oben und über den Rand der Porzellanwanne hinausragte. Um die Möglichkeiten visueller Kreativität zu erleichtern, entwarf er eine schwarze Stoffverkleidung, die genau über den Badewannenrand paßte. Außerdem kreierte er exquisite Verkleidungen aus Kirchenglas, die es dem Meditierenden ermöglichten, nach oben und in Visionen heraufbeschwörende gotische Farben zu schauen.

      Was seine Malerei angeht, so ist zu befürchten, dass sie ganz erheblich im Wert fallen würde, wenn Uncle Thrills seine Werke nicht mit komplizierten mythologischen Erklärungen versehen hätte, die er den Käufern mitgab. Die verwickelten Interpretationen seiner Bilder schienen viele Sammler zu täuschen. Sie kauften beispielsweise ein Gemälde mit dem Titel Das Chaos auf Hesiods Karte oder Der böse Geist des Proteins verunglimpft Deus, und eigentlich waren diese Werke nichts anderes als tellerweise gegen eine Leinwand geschmetterte Spaghetti, die dann mit Fixativ besprüht worden waren. Die Spaghettiklumpen hatten zusätzlich noch Verzierungen: Kränze organischer Moleküle aus Uncle Thrills Rapidographen.

      Was uns auf seinen Dreh mit den Schecks bringt. Mann, hatte der Kerl ein Talent, Schecks aufzureißen! In einem blitzschnellen, verwirrenden Überraschungsmanöver hatte Thrills einem Sammler oder Mäzen, besser einer Mäzenin, Adresse und Telefonnummer aus der Nase gezogen und innerhalb von vierundzwanzig Stunden einen Scheck, manchmal sogar einen Blankoscheck in der Tasche.

      Ihr lacht? Tja, das war schon merkwürdig, besonders wo es doch angeblich ein hartes Stück Arbeit sein soll, jemand auf die Schnelle um einen gedeckten Scheck zu erleichtern. Aber sogar Leute, die nie auf die Idee gekommen wären, einem nuschelnden, Manuskripte schwenkenden Irren auch nur einen Cent anzuvertrauen, fanden sich plötzlich wie im Traum an ihrem eleganten französischen Schreibpult wieder, wo sie irgendetwas unterschrieben. »Du schreibst Uncle Thrills einfach einen Scheck aus — ich kann ihn drüben im Buchladen an der Achten Straße einlösen, — ich steh nämlich kurz vor Abschluss meiner Ibsen-Übersetzung, verstehst du, und dieser Scheck hier wird sie ermöglichen!«

      Manchmal hatte Thrills gern den unschuldig dreinblickenden John Barrett bei sich, wenn er seine krummen Dinger drehte. Das bedeutete, Barrett stand dann bei irgendwelchen Parties vor der Türe zum Schlafzimmer Schmiere, während Thrills drinnen versuchte, mit monotoner Stimme eine Gräfin zu hypnotisieren, die ihm in die Falle gegangen war. Und während ihr wie von selbst die Träger von den makellos gepflegten Schultern rutschten, flüsterte er: »Schreib mir einen Scheck aus, du schönste aller Schönen, schreib einen Scheck, schreib einen Scheck ...«

      Thrills schreckte wirklich vor nichts zurück, aber sein Lieblingsdreh war die Sache mit der Peyote-Methedrin-Mixtur