Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition). Ed Sanders

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Название Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition)
Автор произведения Ed Sanders
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862870998



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Wahnwitziger mit den Armen in der Luft herum. Wenn es darum ging, auf sich aufmerksam zu machen, war er wirklich nicht zu schlagen. Die Menschenmenge konnte gar nicht oft genug auf den Auslöser drücken, als Newt den Rollschuh irgendwie in Bewegung brachte und dann in einem eleganten Bogen um die sprühenden Fontänen yoga-jonglierte. Newts Jünger, und davon gab es jede Menge, verschlangen solche Einzelheiten wie eine neue Theophanie.

      Newt war ehrgeizig. Er bildete sich ein, er wäre höchstens noch zwei Jahre von der Oberliga der Beauty-Motion entfernt, und das bedeutete Soloauftritte, große Säle, Tourneen, Viertelseitenanzeigen in der Village Voice und Flugzeugtickets. »Newt hat das Rätsel gelöst, Newt hat das Rätsel gelöst«, schrie er aus dem Rollschuhkopfstand und wirbelte dazu mit den Armen, als ob er Wunderkerzen in den Händen hielt.

      John Barrett war derzeit einundzwanzig und versuchte krampfhaft, mit seiner geradezu überirdischen Hektik klarzukommen. Er war ein Dichter, einer von denen, die sich über ihre Berufung nur mit zusammengebissenen Zähnen äußern. Jeden wachen Moment verbrachte er damit, den »Set« zu patrouillieren, was in den Kreisen der Parklinge soviel bedeutete wie alles, was sich zwischen den Slums der Lower East Side und der sauberen, gut gepflegten Bohemia des West Village erstreckte, vorausgesetzt, man hielt sich unterhalb der Vierzehnten Straße. John Barrett war für die Jahreszeit vielleicht etwas zu dick angezogen, aber in seinem schwarzen Rollkragenpullover und seinem Jackett, das er das ganze Jahr hindurch trug, fühlte er sich empfänglicher für die Blake’schen Geistesblitze. Unter einer Maske von schlauer Ungeschicklichkeit glaubte Barrett nämlich, dass er mindestens so begabt war wie Keats. Und zwar Keats hauptsächlich deswegen, weil er irgendwann einmal den abscheulichen Mist gelesen hatte, den Keats Kritiker nach der Veröffentlichung von Endymion über den armen Poeten verbreitet hatten.

      »Mit so ’nem vernagelten Gelaber kommen diese Fatzken bei mir nicht davon!« murmelte Barrett und ballte die Fäuste. Er gehörte zu den Typen, die mit Tränen in den Augen aufmerksam einem Beethoven-Konzert lauschen und beim Rausgehen heiser krächzen: »Das bring ich auch noch! Das bring ich auch! Ich werd’s euch noch zeigen!«, womit er wahrscheinlich die Verfassung einer neuen Ilias, mindestens aber einer Sequenz von unsterblichen Versen über die schmieropathische Geilheit meinte. Oder so etwas ähnliches.

      »Himmel noch mal, ich bin echt ein guter Dichter«, seufzte er, wenn er seine Beobachtungen in die Notizbücher kritzelte und dabei die durcheinandergewirbelten Blätter glättete und ordnete. Alles war heilig, alles beachtenswert. »Kreisch! Kreisch!« — das Wort Kreisch liebte er wirklich über alles — »Kreisch, ich bin schon bei Nummer 47! « Damit meinte er seine Serie von Notizbüchern, die er am 15. Juni 1957 begonnen hatte und konsequent bis zu diesem prächtigen Morgen im Sommer 1959 weitergeführt hatte. Erst 1963 schloss er die Reihe mit der Nummer 128 ab. Der gesamte exquisite Ausbruch wurde übrigens später von der Harris Collection der Brown-Universitäts-Bibliothek erworben, wo er nach Herzenslust inspiziert werden kann.

      Ohhhh und ahhhh — spürst du den Flügelschlag der Musen über seinem Haupt? Erato, Terpsichore und die laut trillernde Melpomene, alle schön brav in schwarze Lederröcke gewickelt, mit Allen-Block-Sandalen bis zu den Knien geschnürt, und sie alle rufen Feuer! Feuer! Keats-Kreisch! Blake-Fleisch! Byron-Stöhn! Ja, das waren die stürmischen, egoistischen Erleuchtungen seiner Seele. »Mach nur weiter so, mein arrogantes Ich!« kommandierte er. »Meine Notizen sind sowieso nur der krakelige Vorspann für das Endgültige Gedicht; ich brenne darauf, Amerikas letztes Gedicht zu schaffen. Ich bin Pindar!«

      So kam es, dass er ein Faible für Anekdoten entwickelte. Ständig stachelte er seine Freunde an, sich völlig zu verausgaben und unbedacht in die unheimlichsten und unergründlichsten Tiefen zu springen. Ihm konnte es gar nicht wild genug sein. Und auf diese Weise stiftete er auch Leute wie Newt und Avram Maniac an, die vor seinen Augen herumtanzten, während er selber sein Notizbuch mit poetischer Schaumschlägerei füllte.

      Mittlerweile war ein leichter Wind aufgekommen, der ihren Turm immer wieder zum Einstürzen brachte. Sie leimten eine senkrechte Verstrebung an die Spitze und lehnten den ganzen Apparat gegen einen der dicken Betonpfeiler, die alle paar Meter aus dem Rand des Brunnens emporstiegen. Newt zauberte aus seiner Umhängetasche ein paar Tarotkarten hervor (ein seltener Anblick in diesen präpsychedelischen Tagen), die sie an der Außenseite des stufenförmigen Eisstielturms festklebten. »Ich wünschte bloß, wir hätten ’ne Kamera«, seufzte Newt, als er sich zurücklehnte, um das Kunstwerk zu betrachten. Unwillkürlich zuckte er in einem abstrakten Rhythmus zu Maniacs Gepfeife mit den Achseln.

      Ungefähr um sechs Uhr dreißig war es dann fertig, gerade rechtzeitig für die Straßenfeger aus dem Parkbezirk, die wie gewöhnlich um diese Zeit anrückten und mit ihren fahrbaren Müllkarren und Besen auf den Brunnen zuschlurften, um die Papierberge der letzten Nacht zu beseitigen.

      »Wollen Sie das behalten?« fragte einer der Straßenfeger und deutete auf den Turm.

      »Nee, nehmen Sie ihn nur mit. Er gehört Ihnen.« Als der Müllmann ihn aufhob, flatterte eine Karte herunter und fiel als Prophezeiung auf Barretts Fuß. Barrett starrte auf die Karte.

      »He, Barrett«, lachte Avram, »der Karte nach sitzt du ganz schön in der Scheiße, Mann! Du willst dir wohl das Gras von unten ansehen, was? Das ist der Tod auf deinem großen Zeh, Bab! Hahaha!«

      Barrett bückte sich und hob die Karte auf, die immer noch klebrig feucht war. Er presste sie wieder an den Stielturm. Und der Straßenfeger stopfte das ganze Ding unter Knirschen und Knacken in seine Mülltonne.

       II

      Sun-Ra verströmte seine irrsinnigen Strahlen über den Platz und im Park wurde es langsam voller. Ein Dutzend Ohren reckten sich in die Höhe, als ein hoher gurgelnder Sound aus Richtung Fünfter Avenue ertönte. Er ähnelte einem persischen Gesang und signalisierte die Ankunft eines menschlichen Wesens namens Uncle Thrills. Er war wirklich höchst elegant ausstaffiert mit grauen Latzlederhosen und einem breitkrempigen Strohhut dazu. Außerdem trug er einen genau rechteckigen schwarzen Bart, der allerdings an der Innenseite in schlohweiß überging.

      »Hier bin ich, direkt aus Gottes Turm«, rief Uncle Thrills, »Thrill-Freak ex machina! KonBef! KonBef!« KonBef war das Akronym für Konstante Befriedigung. »Rappel dappel dalli do!« fuhr er fort. »Gluppel Globbel Gloffel Gluffel! Gloppe Gloppe har har! Har!«

      Barrett kritzelte, so schnell seine armen Finger mitkamen und versuchte jede einzelne Silbe exakt zu transkribieren. Teufel nochmal, er wünschte wirklich, Uncle Thrills würde ein kleines bisschen langsamer sprechen, seine Notizen sahen sowieso schon verdammt krakelig aus, und welche Universitätsbibliothek würde jemals ein solches Durcheinander kaufen wollen?

      »He Thrills, Baby«, schrie Avram, »stimm uns ein auf den großen Thrills-Flow, Mann! »

      Uncle Thrills gehorchte mit dem größten Vergnügen und stürzte sich in einen endlosen Babellog, während der junge John Barrett, Avram Maniac, Newt und die ändern mit offenem Mund dahockten und zuhörten. Denn Uncle Thrills war ein bedeutender Mann; er hatte seine Sachen im Partisan Review und in Beatitude veröffentlicht, und wenn du weißt, wo du gucken musst, kannst du ihn sogar in On the Road wiederfinden.

      Barrett hatte Uncle Thrills’ Sprechweise intus wie einer, der Jonathan Winters Stil von einer seiner frühen Aufnahmen geklaut hat. Nur konnte er ihn hier schlecht in seinem eigenen Revier kopieren, also hielt er sich zurück mit seinen Imitationen, bis er in der Interpretationsklasse war oder bei seinen Freunden unten im katholischen Fürsorgeheim, wo er gelegentlich einen kleinen theologischen Streit vom Zaun brach: Theos versus Thrills.

      »Wie poetisch Uncle Thrills mit seinen Gesichtsmuskeln arbeitet, da oben auf den Brunnenstufen!« schoss es Barrett durch den Kopf. Thrills schwang weiter große Reden. »Was gibt es denn sonst noch da draußen im Kosmos, wenn nicht Kicks, Baby? Du musst dich eben einfach gut fühlen, das werden die Götter schon merken! Dieser Set hier ist jedenfalls am Ende!« Und er zeigte auf den Dunst, der sich über dem Park ausbreitete. Eifrig folgten die Augen seiner Schüler der Hand, die hinüber zur Spitze des Washington Arch