Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition). Ed Sanders

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Название Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition)
Автор произведения Ed Sanders
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862870998



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Heuwagen hievten und zum städtischen Schrottplatz karrten.

      Johnny wurde abrupt aus seinen glücklichen Erinnerungen gerissen und in die grausame Realität vom Washington Square zurückversetzt, als mehrere vom New York’s Finest ihn packten und versuchten, ihn zum Scheuermop zu degradieren. Ruppig zerrten sie ihn an den Beinen und schienen gar nicht zu merken, dass sein Gesicht über das Betonpflaster und durch die ganzen Eisbecher schleifte, die auf der Erde verstreut waren.

      »He! Aua! Ich verschwinde ja schon. Ich hau hier ab!« schrie er. Sie ließen ihn los und er rappelte sich hoch. Dann bemerkte er den dichtgeschlossenen schweigsamen Kreis von schockierten Touristen, die wie Pilze um ihn herumstanden.

      »Gut so! Schnappt sie euch!« giftete einer von ihnen. »Macht diese Beatniks alle!« schnarrte ein pausbäckiger kleiner Dicker aus dem Ausland mit gedehnter Stimme. Seine robotergleiche Primitivität war wirklich durch nichts mehr zu überbieten. Johnny wurde es allmählich ungemütlich.

      Innerhalb der nächsten Viertelstunde lernte er das zweite Prinzip bei Demonstrationen. Es lautete: »Es kann passieren, dass du dich plötzlich im Führungskader wiederfindest und keinen blassen Schimmer hast, wie du da überhaupt reingekommen bist.«

      Johnny Filth Feet drängelte sich nach vorn. Er hatte dem Volk etwas zu sagen. Er kippte einen Abfalleimer aus Metall um und stieg obendrauf. »Wir haben das Recht!« schrie er, »und die Pflicht! und den Wunsch! zu singen!«, und dann stieß er einen durchdringenden Tarzanschrei aus Lunge und Kehle hervor — ein Sound, der zwischen hoch und tief schwankte, halb Jodler, halb Triller. Etwa bei der Hälfte des anhaltenden Geheuls setzte jemand den ganzen Mist im Abfalleimer in Brand; die Flammen loderten auf und leckten wie brennende Zungen über seine Füße. Aber ihr mumifizierter Zustand verhinderte wahrscheinlich intensivere Schmerzen, denn Johnny jodelte weiter, als ob er das Feuer gar nicht bemerkte, das seine Gliedmaßen bei lebendigem Leib zu grillen drohte. Dieser Anblick, seine in Flammen gehüllten Füße, während er gleichzeitig der verbiesterten Menschenmenge ungerührt weiterpredigte, sorgte für spontane Wahnsinnsausbrüche im Publikum.

      Nichts konnte sich in den folgenden Jahren je damit vergleichen. Weder Sit-Ins in den Selbstbedienungsrestaurants südamerikanischer Busstationen, Wahlkampfreisen durch Mississippi, Friedensmärsche, noch die Sache, als er einen Kriegsforschungscomputer mit Ahornsirup ölen wollte — keiner von all diesen bewusstseinserweiternden Kicks war so einschneidend wie Johnny Filth Feets Auftritt bei der Folksong-Demonstration von ’61.

      Schließlich schleppten sie ihn von seiner Kanzel in einen Polizeibus, während draußen die Leute »Faschisten!« brüllten und »Polizeiterror!«, eine Phrase, die Johnny noch nie gehört hatte. Der Beatnikpöbel umstellte den Bus und schaukelte ihn hin und her. Beinah wäre er umgekippt — für einen Moment balancierte er in der typischen Entweder-oder-Position, der reinste Autoflipper, wo man entweder schnell zur Seite springen muss, wenn er zurückkracht oder triumphierend aufheulen kann, wenn er tatsächlich fällt. Der Bus knallte zurück auf die Räder, und Johnny bahnte sich mit ein paar Kinnhaken einen Weg nach draußen, wo die tobende Menge immer noch seine Rückkehr auf den verkohlten Abfalleimer forderte. Aber er hatte keine Chance. Die Bullen zerrten ihn zurück in den Wagen. Volle zwei Stunden lang hielten die Leute das Auto umstellt und verhinderten, dass es den Park verließ. Und was warf der Richter ihm dann später vor? Dass er ohne Genehmigung eine öffentliche Rede gehalten hatte.

      Von den Tausenden, die sich im Park versammelt hatten, waren insgesamt nur zehn verhaftet worden. Noch ein enorm wichtiger Grundsatz: »Du kannst überall Krawall machen und trotzdem entwischen.« In der Verzückung inneren Friedens lachte Johnny den ganzen Weg über, bis sie bei den Tombs angelangt waren. Um Mitternacht hatte ein völlig Fremder die Kaution für ihn bezahlt und kurze Zeit später saß er mit dem Unbekannten schon wieder im Café Figaro und kippte einen Orzata nach dem anderen.

      Erst fünfzehn Jahre später zeitigte die Verhaftung im Washington Square Park ein paar unangenehme Folgen für Johnny. Aber die ließen sich schnell vertuschen, er brauchte bloß an den richtigen politischen Fäden zu ziehen, und schon waren die Akten über seine Festnahme ein für allemal versiegelt. Denn letztlich »sickert alles mal durch«, wie Sam Beckett respektvoll bemerkt, und das gilt schließlich auch für ehemals glücklich herumstromernde Beatniks. Innerhalb eines Jahr nach seiner Verhaftung war Johnny Filth Feet ohne ein Sterbenswörtchen aus der Szene verduftet.

      Aber was passierte denn mit unserem Mr. Stinkfuß? Kämpfte er sich nach oben und führte Zehntausende in rasende Demonstrationen? Na ja, also erst mal reiste er in den Süden hinunter, wo er ein paar Wahlkampfveranstaltungen organisierte. Und ging er dann zurück? Ließ er sich fürs Repräsentantenhaus von Nebraska aufstellen? Übernahm er einen Verlag in New York? Verschwand er, billigen Fusel saufend, in irgendeiner lausigen Bowery-Imitation von Amerika? Tja, Jungs, um ehrlich zu sein — ich hab ihn vor ein paar Jahren aufgespürt, und ich muss gestehen, es ist schon erstaunlich, wie gründlich man den Lauf seines Lebens verändern kann. Er zeigte mir sogar seine Füße, nachdem ich ihn beim Abendessen eine Weile damit aufgezogen hatte, und sie waren weiß und glänzten wie der Marmor von Carrara.

      Aber ich will nicht, dass er sauer wird, wenn ich euch seinen Namen verrate. Er ist nämlich eine der Hauptgeldquellen für viele meiner Projekte. Zum Beispiel hat er damals die Kohle für das LSD in Chicagos Trinkwasservorräten besorgt. Ihr werdet also sicher verstehen, wenn ich seinen Namen nicht in irgendwelchen Akten geheimer Nachrichtendienste herumfliegen haben will. Alles, was ich sagen kann, ist: Im Moment arbeitet er als Vizepräsident in der Kreditabteilung einer prominenten New Yorker Bank. Und hat glänzende Zukunftsaussichten.

       DIE MINDSCAPE GALLERY

      Sie hiess Louise Adams, war zweiundzwanzig und studierte am Cooper Union College, wo sie sich auf Holzskulpturen spezialisiert hatte. Außerdem beschäftigte sie sich mit handbemalter Töpferei. Aber mehr als alles andere fühlte sie sich zum Malen berufen und was dabei herauskam, war nicht einmal schlecht. Die größten Schwierigkeiten hatten ihre Alten gemacht, die nur von einem Wunsch beseelt waren: dass sie diesen Fatzke Murray, Spross eines Immobilienimperiums, heiratete. Und um ihrem Wunsch explizit Ausdruck zu verleihen, warfen sie einfach ein paar von Louises Bildern weg. »Du hast uns das Herz gebrochen. Nach allem, was wir für dich getan haben!« Heirate endlich, sollte das heißen. »Du schaffst es ja doch nie allein. Wir leben nun mal in einer Männerwelt«, faselte ihre Mutter. »Nimm, was du kriegen kannst!«

      Sie hatten unrecht und die Gemeinheit, Louises Bilder wegzuschmeißen, kostete sie ihre Anwesenheit draußen in Patchogue. Mülltonnenweise kippte sie ihre Sachen auf den Sperrmüll und behielt nur ein Bett, den Plattenspieler, ihre Bücher und Malutensilien. Dann zog sie in die Lower East Side, um dort zu malen. Sie gab ihren Eltern noch den guten Rat, sie ja in Ruhe zu lassen; alle weiteren Kommunikationsversuche und ebenso alle Angebote finanzieller Unterstützung wurden ignoriert. Dann beantragte sie eine geheime Telefonnummer und riss als erstes den Aufkleber mit ihrer Nummer von der Wählscheibe ab.

      Die Alten versuchten dann auch nur ein einziges Mal, sie in ihrem neuen Apartment zu besuchen. Als sie sich vor der Tür bemerkbar machten, stieg sie in Windeseile aus ihren Kleidern und machte die Tür auf. »Hi Paps. Hi Mom, kommt rein. Ach ja ... ich möchte euch meinen Freund Big Brown vorstellen, er kommt in ein paar Minuten vorbei. Ihr werdet bestimmt begeistert von ihm sein.« Die einzige Antwort ihrer Mutter war ein Schauder. Louise würde ja wohl nicht riskieren, dass ausgerechnet ihre Eltern sie in den Knast verfrachteten, also rollte sie erst mal einen Joint. Als sie ihn angezündet hatte, machte sie einen tiefen Zug und behielt den Rauch in der Lunge. »Wollt ihr Mal?« — bei jedem Wort, das sie hervorstieß, strömten Wolken von Haschisch aus ihrem Mund. Als sie den J. ihrem Vater anbot und sich dabei nach vorn beugte, streifte ihre nackte Brust den Mantel ihrer Mutter, den diese während des kurzen Besuchs anbehielt.

      Louise musste das Cooper Union bald aufgeben. Aber das fand sie auch ganz okay; sie hatte sowieso die Nase voll davon, Schulmädchen zu sein, und außerdem brachte sie es einfach nicht, die miesen Talente ihrer Lehrer gebührend zu würdigen, denn sie wusste ganz genau, dass sie selbst eine bessere Künstlerin war als jeder einzelne von denen.

      Sie war groß, etwa einsfünfundachtzig,