Название | Der Duft der Bücher |
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Автор произведения | Jenny Schon |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783947373512 |
Ich gucke ihn verdutzt an, weil er mehr weiß als ich.
Und ich dachte, wenn du sowieso hier bist, dann kannste auch unseren Jackie zu dir nehmen, dann haste einen Aufpasser, wenn die Eltern weg sind.
Nun war ich noch mehr verdutzt. Jackie, der struppelige Hund und ich haben sofort Freundschaft geschlossen. Dass ich aber in den Ferien auf Bruder und Hund aufpassen soll, ist mir völlig neu. Ich wollte doch gerne im Tonweiher schwimmen gehen mit Karin und vielleicht auch mit den Jungs.
Abends erzähle ich meiner Mutter davon.
Nun ja, das war bis jetzt nicht so klar, aber wir werden fahren, wo wir letztes Jahr waren. Ich lass dir genug Geld da und der Kühlschrank wird voll sein. Ihr werdet schon nicht verhungern. Wir bleiben ja nur zehn Tage, mehr können die Schmitz nicht, die sind ja selbstständig.
Am nächsten Morgen geh ich in den Keller, unsere Papierkörbe leeren, was ja wie Staubwischen zu meinen Aufgaben als Lehrling gehört. Die Kellertür geht, ich höre Schritte. Klatsch, Klatsch, meine Wange schwillt an wie nach dem Klatsch Klatsch von meinem Vater.
Ich starre meinen Chef an und frage: warum?
Oben auf deinem Schreibtisch liegt das Corpus Delicti.
Ich renne hoch. Eva kommt gerade. Was ist denn los?
Er hat mich geschlagen.
Der Chef?
Ich nicke, da steht er schon in der Tür. Was ist denn das für ein Geschmiere hier?
Ich schaue auf das Journal. Ja, ich habe mich gestern mehrmals verschrieben und musste die Zahlen durchstreichen.
Du weißt, dass man Dokumente nicht verändern darf und ein Journal ist ein Dokument.
Ich hab gestern, ich war gestern …
Dinge Vatter soll kommen, noch ist Probezeit, so wat bleibt bei mir nicht in der Lehre.
Ich komme später nach Hause als sonst, weil ich Angst habe.
Als mein Vater kommt, sage ich, du sollst zum Chef kommen, ich hab mich verschrieben und er hat mich geschlagen.
Da platzt es aus meinem Vater raus. Der schlägt dich? Ist der denn doll?
Wenn einer schlägt, bin ich es. Ich hab die Erziehungsgewalt, nit der. Der kann wat hören.
Ich gehe erleichtert schlafen. Mein Vater hält zu mir. Das habe ich mir im schönsten Traum nicht vorgestellt.
Am nächsten Tag komm ich zittrig zur Arbeit. Mein Vater kommt heute Nachmittag, sage ich, dann schreibe ich weiter Bleistiftzahlen in Tinte, ganz vorsichtig. Es stinkt mir schon lange, so was Langweiliges. Ich komme oft in eigene Gedanken dabei, erfinde Geschichten, und merke dann, wie ich unvorsichtig werde.
Um 17.00 Uhr will ich die Bürotür schließen, da kommt der Chef. Kannste deinem Vater verdanken, dass de bleiben darfst. Und ich sehe es ja ein, dass Bleistiftzahlen in Tinte schreiben drei Monate lang zu langweilig ist für so ein intelligentes Mädchen wie dich. Nach den Ferien kriegste ne interessantere Arbeit, jetzt wo du schon den §1 RAO kennst und der heißt?
Und ich rassele runter: Steuern sind im Sinne der Reichsabgabenordnung einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem rechtlich-öffentlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden.
Sommerferien – Ein Duft von Büchern
Ich hab Jackie zur Mühlenoma gebracht, Mattes ist bei Tante Änne.
Ich fahr mit Fahrrad nach Köln. Am Neumarkt sehe ich in die Fenster einer Buchhandlung. Was für wunderbare Bücher. Ich sehe auch Anne Frank. Ich traue mich rein, noch nie war ich in so einer Buchhandlung, wo die Bücher bis unter die Decke stehen. In einem Nebenraum, der kleiner ist, werde ich von dem Duft angezogen. Der Duft erinnert mich an etwas. Es sind alte Bücher, sie haben einen Lederrücken, ich gehe ganz nah heran und rieche den Staub an, der auf ihnen lagert. Das ist mir alles so vertraut, als wäre ich schon mal hier gewesen. Auf einem Absatz liegt ein dünner Band, Die Verwandlung, daneben liegt noch eins, beide haben einen gruseligen Käfer auf dem Titelbild. Eins nehme ich vorsichtig in die Hand und blättere, die Zeichnungen, die anders sind als in meinen Schulbüchern, die Zeichnungen, viel zarter, gefallen mir.
Gefällt dir? spricht mich ein älterer Herr an. Ich nicke verlegen und lege das Büchlein wieder zurück.
Haste dir auch das Beste ausgesucht, ist sehr selten, weil handgeschöpft.
Ich weiß nicht, wovon er redet, ich nicke und lächele ihn an.
Es muss wunderschön sein, hier zu arbeiten, sage ich.
Warum?
Der Duft, der Duft wie von gut geputzten Lederschuhen!
Der Mann lacht.
Gut geputzte Lederschuhe. Das hat ja noch nie jemand gesagt, du hast Fantasie. Willst du hier arbeiten, ich suche einen Lehrling.
Wie versteinert stehe ich da. Hier arbeiten? Als Lehrling? Weg von den Zahlen? Arbeiten mit Büchern? Ich kann es kaum fassen.
Ich wohne aber in Brühl, sage ich.
Das macht doch nichts. Die Bahn fährt alle halbe Stunde. Willst du?
Ich nicke.
In Brühl angekommen, renne ich durch den Park, Richtung nach Hause. Muss mit meiner Mutter reden, die ja übermorgen aus dem Urlaub kommt. Sie muss die Unterschrift fälschen, der Vati unterschreibt nie. Der Herr Beyer hat mir den Lehrvertrag mitgegeben, soll ich unterschrieben zurückschicken oder vorbeikommen. Am 1. September kann ich anfangen, ich bin ja noch in der Probezeit beim Mertens. Der hat mich geschlagen, das kann ich ihm nicht verzeihen, auch wenn er mir bessere Arbeit nach den Ferien geben will. Es ist langweilig, Zahlen, immer nur Zahlen. Hier die Lehre schmeißen und nach Köln gehen, ja, das wär was.
Yes, oh yes, jauchze ich und fliege mit meinem Kafka, den mir Herr Beyer geschenkt hat, durch die Luft. Es ist eine Taschenbuchausgabe wie das Tagebuch von Anne Frank. Ich stolpere, direkt in die Arme des Jungen, der auf dem Schulhof auf dem Mäuerchen saß und las, und mich neulich auf dem Markt vor dem Kino angelächelt und Guten Tag gesagt hat.
Er gibt mir meinen Kafka, der runtergefallen ist, zurück. Sie lesen ja interessante Bücher, Frollein, sagt er. Kafka hatten wir neulich auch in Deutsch. Gehen Sie aufs Ursulinenlyzeum?
Ich verneine.
Darf ich Sie ins Milchcafé einladen? Ich seh Sie manchmal dort sitzen, wenn ich aus der Schule komme. Ich zeige auf meinen Kafka. Meine Anne Frank hat ein Brüderchen bekommen, rufe ich. Ich muss nach Hause. Und laufe davon.
Nach den Ferien
Das Elend ist schlimmer als vorher. Als ich meiner Mutter erzähle, dass ich von Brühl nach Köln in die Lehre will, kriegt sie einen Tobsuchtsanfall und scheuert mir eine.
Wenn du das dem Vati antust, dann schmeißt er dich raus, du kommst in die Erziehungsanstalt wie die Nina und die Marianne. Nina hat mit 15 ein Kind gekriegt und Marianne hat sich mit Jungs im Park rumgetrieben. Man hat sie erwischt, wie sie … Eine Schweinerei, wurde getuschelt.
Erziehungsanstalt ist das Schlimmste, das einem Jugendlichen passieren kann, wo man jeden Tag geschlagen wird, nichts zu essen kriegt und man den ganzen Tag ganz schlimme Arbeit machen muss, wie Kloos scheuern in Krankenhäusern und Ähnliches. Sie sind bei den Nonnen, die am Rhein auch ein Krankenhaus haben, man höre nur Schreckliches, sagte Frau Lenz aus dem Haus, eine Verwandte, als ich sie mal fragte, wie es Marianne geht.
Als ich anderntags nach Hause komme, ist mein kleines Bücherregal heruntergerissen und die Bücher auf meinem Bett zerfleddert. Als ich die Küchentür aufreiße und schreie, was das soll, steht mein Vater hinter der Tür, wie so oft, und