Название | Der Duft der Bücher |
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Автор произведения | Jenny Schon |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783947373512 |
Zum Neujahr fahr ich mal wieder nach Bonn zu den Großeltern.
Ich komme am Theater vorbei und sehe das Plakat vom weißen Rößl.
Im weißen Rößl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür, hat Vati immer gesungen, wenn er gut gelaunt war, wenn die Bonner da waren und sie Schnäpschen getrunken haben. Dann hat er auch Auf in den Kampf, Torero gesungen, die Schwiegermutter kommt, und dann hat die Bonner Oma gesagt: Aber ich bin doch deine Schwiegermutter, Fritzerl, und dann hat er ihr ein Bützchen gegeben auf die Wange und die Oma hat gekichert, weil sie dann auch gut gelaunt war.
Ich erzähl das dem Opa vom weißen Rößl, oh, das kenn ich, sagt er, das ist in Österreich, vor dem Krieg waren wir auch in Österreich, und er gibt mir Geld. Dann gehok ins Theater, Madla.
Alleine?
Vielleicht kommt der Franzl mit.
Ach, der ist doch jetzt Vater geworden, Opa, der kommt bestimmt nicht mit.
Dann geh mit Deiner Freundin. Und tatsächlich, ich treffe Breuers Bärbel in der Uhlstraße und sage ihr, dass ich demnächst in Bonn ins Theater gehe.
Und ein paar Tage später sagt mein Vater, ich soll zum Breuers Pitter kommen, der will dich wat sagen.
Ich wundere mich, von der Wirtschaft der Pitter will mir was sagen. Und tatsächlich, er sagt, ich hab vom Bärbel gehört, dat du in Bonn ins Theater gehst bei dinge Großeltern. Ich will, dat dat Bärbel auch ins Theater geht, ich han angerufen und han für euch ein Abonnement bestellt, ist dir dat Recht?
Ich strahle, ja, sicher. Und eine Woche später sitze ich mit der Bärbel in Bonn im Theater, Breuers Pitter hat uns hingebracht, und er holt uns auch wieder ab. Bärbel und ich singen im Auto: Es muss was Wunderbares sein, von Dir ge– liiiebt zu werden. Es ist elf Uhr abends und Herr Breuer gibt uns in der Wirtschaft noch einen Piccolo zu trinken, weil wir so lustig sind.
Und meine Mutter steht wie immer, wenn ich später nach Hause komme, im Treppenhaus und sagt: So spät kommst du?
Ja, Breuers Pitter hat dem Bärbel und mir noch ein Piccolo spendiert, als wir aus dem Theater kamen.
Und am nächsten Tag ist mein Vater ganz stolz, dass ich mit dem Bärbel von der Wäätschaft ins Theater gehe, da hat er endlich was zu erzählen an der Theke beim Kölsch: Ming Doochter!
Im Ausland
Mit Breuers Bärbel war ich ein zweites Mal im Theater, zu Ostern. Ich arbeite jetzt schon ein Jahr für den Mertens. Er hat mir tatsächlich noch anderes beigebracht, als Bleistiftzahlen in Journalen in Tinte zu übertragen.
Weil ich ganz gut Schreibmaschineschreiben kann, da ich im Winter fast jeden Tag geübt habe, darf ich auch schon Briefe und Bilanzen abtippen.
Einmal war ich bei Herrn Beyer in Köln, da hat er mich in seine Privatgemächer mitgenommen.
Komm mal mit rauf, hat er gesagt, ich will dir was zeigen. Und tatsächlich, in seiner privaten Bibliothek oben, wo auch seine Büros sind und seine drei Angestellten arbeiten, roch es so wie bei dem Sparkassendirektor in Brühl, als die Schranktüren aufgingen und der Duft nach altem Staub und nach altem Bohnerwachs sich befreien durfte. Oh, wie schön, rief ich begeistert und gehe mit der Hand langsam über einige Lederrücken.
Ja, das sind teilweise Bücher von meinem Großvater, der wohnte in der Eifel. Wären sie in Köln gewesen, hätten sie den Krieg nicht überstanden. Unser hiesiges Haus ist total zerstört worden.
Ich sehe die Trümmer in Brühl vor mir, sehe die Ratten, und da steht das Haus von dem Bankdirektor als einziges unversehrt, und seine Bücher auch. Die Puppe seiner Tochter lächelt mich an und ich schaue weg, weil ich weiß, dass ich nie in meinem Leben mit ihr spielen darf und dass ich diese Bücher in dem Glasschrank nie berühren darf.
Aber bei Herrn Beyer streiche ich über den Lederrücken, als wären es meine Bücher und Herr Beyer schimpft nicht so, wie es der Bankdirektor getan hat. Dass das Kind da nicht dran geht, verstehn Sie, Frau Pütz?
Herr Beyer hat gefragt, ob ich nicht mal wieder ein Buch mitnehmen will?
Ich druckse rum.
Nun? Welches?
Sagan, Bonjour Tristesse.
Ach ne, wo hast du denn das gelesen?
Ich werde rot. In der Bravo.
In der Bra …?
Nein, nein widerspreche ich, im Kölner Stadt-Anzeiger. Wird empfohlen, weil die Schriftstellerin noch jung ist.
Ja, ich weiß, mit 17 hat sie es geschrieben.
Bist du denn schon 17?
Nein, 16, aber ich schreibe ja auch, seit ich eine Schreibmaschine habe.
Dann bring das doch mal mit!
Nein, das geht nicht, das ist ja nicht fertig, ich übe doch nur, und wollte mal sehen, wie die Sagan …
Nun gut, gehen wir runter, mal gucken, ob eine Taschenbuchausgabe da ist, sonst werde ich es dir bestellen.
Was ich Herrn Beyer nicht erzählt habe, meine Freundin vom letzten Jahr, die Karin, als ich noch mit ihr und den Halbstarken unterwegs war und viel Fahrrad gefahren bin, war Ostern bei mir und hat sich verabschiedet.
Ich geh nach Paris, hat sie gesagt, als Au pair, Kindermädchen, ich will Französisch lernen. Die Bravo gibt es jetzt nicht mehr.
Nach Paris? Mir blieb der Mund offen, nach Paris, wiederhole ich, ja, da möchte ich auch hin.
Die Bravo-Hefte, die sie mir dagelassen hat, haben berichtet, dass jetzt viele Mädchen nach Frankreich gehen, wegen Brigitte Bardot und ihrem wunderhübschen Pferdeschwanz, den Breuers Bärbel auch hat – da passt ja auch BB …
In Köln gehe ich nach der Schule manchmal mit Theresa an den Rhein ins Café. Auf einmal kommt ein junger Mann zu uns und umarmt sie.
Ich kann gar nicht mehr wegsehen, so hübsch ist er – wie James Dean. Theresa merkt, dass ich irritiert bin.
Das ist Benno, mein Bruder, ein Jazzer, er lebt in Amerika und spielt jetzt hier im Jazzkeller.
Benno gibt mir die Hand, du bist Betty, nicht? Theresa hat von dir erzählt. Ich könnte die Hand küssen, so zart hat er mich berührt.
Er setzt sich. Wenn ihr Lust habt, nächsten Samstag spiele ich, ich kann euch zwei Karten reservieren.
Abends? frage ich entgeistert.
Ja, nicht zum Kaffeeklatsch, er lacht.
Ne, abends lassen mich meine Eltern nicht raus.
Dann schläfste bei uns, unsere Eltern sind im Augenblick auch in Amerika, wir haben Platz, meint Theresa.
Wenn ihr meint, ich kann ja mal fragen, sage ich. Aber das gestatten die mir nie! Ich fahre nach Bonn zu den Großeltern, und bleibe über Pfingsten, ja, das wird gehen, die verpetzen mich nicht, wenn ich eine Nacht wegbleibe.
Eine Jazzsession
Ich fahre schon Freitagabend nach Bonn und esse mit den Großeltern zu Abend.
Der Zimmerherr, der in dem Kinderzimmer gewohnt hat, wo früher Nina wohnte, wenn sie den Zuständen in Pützchen entfliehen wollte, als der neue Mann ihrer Mutter auch ihr nachstellte, ist jetzt weg und das Zimmer ist frei.
Nina bekommt ein Kind und ist in der Erziehungsanstalt eingelocht wie Marianne aus dem Fischmarkt, weil sie mit einem Jungen im Park erwischt worden war. Der Junge von Marianne durfte zu Hause bleiben, das ist doch ungerecht, immer nur die Mädchen, die bestraft werden.
Aber