Название | Unter fremdem Himmel |
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Автор произведения | Roland E. Koch |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941371 |
So war es, wenn man unbedingt etwas erreichen wollte, das hatte ich früher einmal gewusst, und ich erzählte die Geschichte mir selbst, als müsse ich mir auch wieder das Nachdenken und Sprechen beibringen wie nach einer Krankheit, bei der das Gehirn nicht versorgt worden ist.
Von Weitem sahen wir ein Auto näherkommen, ein kleines rotes Auto, und ich wusste, es würde zu uns kommen. Es hielt direkt vor unserer Bank, und eine junge Frau stieg aus. Sie wirkte ernst, bedrückt, aber auch weich und empfindlich, ich dachte, dass sie etwas ausdrücken wollte und eine bestimmte Weise dafür suchte. Sie ging wortlos an uns vorbei, sah den Kleinen an, schien so in Gedanken, dass sie nichts wahrnahm, öffnete die Haustür und verschwand im Haus.
Wir blieben aneinandergelehnt sitzen, obwohl ich merkte, dass wir beide froren, die Sonne ging unter, es dämmerte, die Vögel begannen mit diesem wunderbaren, wie aus dem Himmel stammenden, erwartungsvollen Gesang, den es nur im März gibt, und wir ließen unsere Gedanken weit weglaufen, ich spürte, dass auch der Junge nachdachte, etwas sah, sich erinnerte. Dies war der Moment, in dem einem unwillkürlich etwas einfallen konnte, und ich unterbrach ihn nicht.
Später, als wir fast eingedämmert waren, kam die Frau aus dem Haus, stieg in das Auto, wieder ohne uns zu beachten, und fuhr davon. Erst viel weiter weg, auf der Landstraße, sah ich plötzlich die Rücklichter, die eingeschaltet wurden. Wir gingen ins Haus, der Mond schien klar und kalt, die Sterne blinkten, und ich musste mich bald aufmachen.
Valentina saß in der Küche und starrte in ein Buch.
Das war die Besitzerin, sagte sie. Wir müssen hier raus, wir können nicht mehr lange bleiben.
Roddy kam an den Tisch und griff nach dem Buch, ich setzte mich dazu, antwortete aber nicht.
Entschuldigung, sagte Valentina und gab Roddy das Buch.
Ich sah, dass es ein Vorbereitungsbuch für die Führerscheinprüfung war.
Ist gut, sagte ich, ich muss jetzt los.
Sie will die Mühle verkaufen, sagte Valentina, und sobald ein Interessent kommt, müssen wir hier verschwinden.
Heute Nacht bleiben wir erst mal hier, sagte ich.
Sie hat gesagt, du könntest bei ihr auch Fahrräder reparieren und an ihrem Auto was nachsehen. Sie will dich morgen abholen. Als sie gehört hat, dass du das kannst, war sie sofort bereit, noch ein bisschen zu warten.
Es kam mir auf einmal vor, als wüsste ich etwas Wichtiges, etwas Entscheidendes, als müsste ich mich nur erinnern oder darauf kommen, aber es schwebte durch meine Seele, ich konnte es nicht fangen.
Ich ging in den Vorratsraum, kramte ein bisschen herum und kam mit etwas Proviant für die Nacht zurück. Wasser hatte ich ja dort. Ich wollte mit Valentina sprechen, aber ich wollte auch pünktlich sein. In dem Moment hörte ich Geräusche aus der Scheune. Ich nahm Streichhölzer und ging nachsehen. Als ich die Tür öffnete, standen drei junge Männer vor mir, in Turnschuhen und mit Nylonjacken, mit ängstlichen, schüchtern lächelnden Gesichtern, verlegen und abgehetzt, so wie ich vor ein paar Tagen, es war ja nur ein paar Tage her!
Einer redete, aber ich verstand ihn nicht. Sie waren durchgefroren, ungewaschen, hungrig. Sicher waren sie die vielen Kilometer in einem alten Auto hergebracht worden, im Dunkeln herausgelassen zwischen den Feldern, ohne zu wissen, wo sie waren. Immer mehr würden kommen, immer mehr würden ihnen folgen, eine große Wanderung hatte eingesetzt, ich hoffte nur, diese drei wussten, wer sie waren.
Ich hatte Bedenken, sie hier mit Valentina und dem Jungen zu lassen, aber ich konnte sie nicht wegschicken. Sie wollten sich genauso aufwärmen, sich waschen und schlafen wie ich. Ich wollte sie nicht gern in der Scheune lassen, und ich spielte mich auf wie ein Besitzer, dabei gehörten mir ja nicht einmal die Fahrräder.
Ich sagte Valentina Bescheid, die gleichgültig reagierte. Von ihr aus konnten sie in der Scheune bleiben, sie würde ihr Fahrrad ins Haus holen und ihnen zeigen, wo sie sich waschen, essen und trinken konnten. Am meisten Angst hatte ich wegen Roddy, irgendeine Ahnung sagte mir, dass ich ihn nicht bei den Männern lassen sollte, aber auch er gehörte mir nicht, und Valentina war da, um auf ihn aufzupassen.
6
Es war höchste Zeit, ich fuhr los. Wieder kam ich zu spät. Die ganze Zeit horchte ich hinter mich, als könnte ich dort etwas vernehmen, das, was die drei jungen Männer taten, die Besitzerin, Roddy, Valentina, ich horchte, und ich sah nichts. Ich dachte daran, was passierte, wenn das Haus von der Polizei kontrolliert würde.
Ich arbeitete zerstreut, Herr Steinke hatte mehr Aufträge angenommen als am Tag zuvor, vielleicht hatte sich herumgesprochen, dass er wieder vom einen auf den anderen Tag reparierte, und die Leute brachten ihre schon lange defekten Räder. Ich arbeitete gehetzt, als könnte ich dadurch die Geräusche überlagern, es machte mich nervös, dass ich nichts sah außer Ritzeln, Ventilen, Kugellagern, kein Bild.
Gegen zehn kam Herr Steinke und brachte mir etwas zu essen. Er gab mir fünfzig Euro, für den Abend vorher und schon einen Vorschuss für heute. Dann wurde es ruhig, ich aß und trank, nahm ein Fahrrad nach dem anderen dran, wie Patienten rief ich sie auf, um mich abzulenken, und erst gegen zwölf musste ich eine Pause machen.
Ich schlief fast vier Stunden, dann war ich ausgeruht. Draußen hatte es zu stürmen begonnen, ich arbeitete jetzt schneller und hatte bis sechs alles fertig. Es war noch dunkel, als ich losfuhr, aber in einer Bäckerei brannte Licht, und ich ging am Hintereingang in die Backstube. Dort kaufte ich eine große Tüte Brötchen und ein frisches Brot.
Ich wusste einen Moment lang wieder, dass ich einmal als Kind mit meiner Mutter an einer Bäckerei vorbeigekommen war, der Duft erinnerte mich daran, es war die Beerdigung meiner Großmutter, und ich ging mit im Trauerzug, aber dann war das kurze Aufflackern vorbei, und ich hatte nur dieses eine Bild gesehen, nicht die Umgebung, nicht die Zeit. Ich musste heftig gegen den Sturm ankämpfen und schob das Fahrrad zeitweise. Als ich an der Weide vorbeikam, dämmerte es, die Schafe standen da, aber von dem alten Mann war nichts zu sehen.
Nervös kam ich bei der Mühle an, alles war dunkel, und wahrscheinlich schliefen sie noch. Aber die Scheune war leer, die Fahrräder standen dort, ich hörte nichts von den Männern. Plötzlich ging die Tür auf, und Roddy kam hereingelaufen, er hatte geweint, und er trug seine Brille nicht. Ich ging auf ihn zu, aber er erschrak und rannte weg. Ich rief ihn, folgte ihm, berührte ihn an der Schulter, aber er hatte Angst vor mir und erkannte mich nicht. Sah er ohne seine Brille so schlecht, oder war ich als ein anderer zurückgekommen? Ich lief ins Bad und sah mich im Spiegel an, aber ich war wie am Vortag, müde, meine Haare standen hoch vom Wind, meine Augen schienen stumpf.
Es gelang mir, ihn festzuhalten, aber er zitterte und wimmerte, schlug um sich und war nicht mehr der Junge, mit dem ich gestern auf der Bank gesessen hatte.
Wo ist deine Brille?, fragte ich, obwohl ich wusste, dass er nicht antworten konnte.
Ich zog ihn in die Küche, Valentina war nicht da, und ich versuchte, ihn zu beruhigen, summte die Melodie, die er gemocht hatte, sprach besänftigende Silben, wie man sie zu einem Pferd sagt, das nicht erschrecken soll, aber es half kaum. Ich wollte ihm Wasser zu trinken geben, doch er schlug nach dem Glas, fiel auf den Boden, schlug und trat um sich, dann war er still. Ich beugte mich zu ihm, er hatte gespuckt, und er roch merkwürdig, aber ich konnte ihn jetzt zu mir ziehen, aufrichten, im Arm halten. Es tat mir gut, ihn so zu spüren, seinen aufgeregten Herzschlag, dabei die Kühle seiner Haut, die feucht und verschwitzt war.
Du brauchst keine Angst zu haben, sagte ich mehrmals, hier tut dir keiner was.
Auf einmal war es, als hätte er mich verstanden. Jetzt sah ich auch seine Brille, die in einer Ecke unter dem Tisch lag, holte sie und hielt sie unter den Wasserhahn, dann trocknete ich sie sorgfältig mit einem Taschentuch ab. Ich