Название | Ein herrlicher Ort für das Unglück |
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Автор произведения | Damir Karakaš |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941531 |
Früher hatte ich meine Freundinnen ständig betrogen, sie aber wollte ich nicht betrügen.
Ich weiß aus Erfahrung: Wenn man einmal betrügt, wenn man diese Linie überschreitet, dann ist es schwer aufzuhören.
In den letzten Monaten hatte ich begonnen, auf Pornoseiten herumzusurfen.
Ich überprüfte, ob sie nicht doch in der Nähe war, und dann wechselte ich von einem Clip zum nächsten und onanierte hemmungslos.
An jenem Abend, nachdem ich ihr die Sache mit der verfluchten Kartenabreißerin gestanden hatte, kniete ich mitten in der Wohnung, vor mir den Rucksack, in den ich langsam meine Sachen stopfte. Morana saß auf dem Stuhl neben dem Fenster. Ihr Gesicht war versteinert, sie starrte aus dem Fenster.
Der Wind bauschte den Vorhang auf. Das war das einzige Geräusch.
Wie in Horrorfilmen.
Ich stand auf, ließ den Kopf hängen und entdeckte ihre Pantoffeln an meinen Füßen.
Ich seufzte tief auf, mein Atem zitterte.
»Vielleicht sollten wir uns noch einmal unterhalten«, presste ich leise hervor.
»Worüber?«
»Über uns.«
»Du hast deinen Teil schon gesagt.«
»Ich würde dir verzeihen«, sagte ich. »Ich würde versuchen, dich zu verstehen.«
Sie sah mich mit ihren großen grünen Augen an, als wollte sie mich mit Blicken abschlachten.
»Nimm deinen Kram und verschwinde«, flüsterte sie.
Ich ahnte, dass sich Tränen unter ihren Augenlidern versteckten.
Ich kniete mich wieder hin, zog das Packen in die Länge.
Plötzlich schluchzte sie laut auf.
Sie verbarg das Gesicht in den Händen, stieß meine Hand von sich, als hätte sie etwas gebissen. Dann stand sie weinend auf und begann, auf mich einzuschlagen und einzutreten.
Sie ging zur Spüle, griff sich ins Haar und begann, daran zu zerren.
»Morana«, sagte ich. »Ich liebe dich.«
Sie schrie auf, schnappte sich ein Messer von der Spüle und warf es in meine Richtung. Ich konnte gerade noch ausweichen.
»Geh weg«, schrie sie. »Du hast mein Leben zerstört.«
Ich saß in der letzten Reihe des Busses, sonst waren da nur der Fahrer mit einem lustigen aufgezwirbelten Schnurrbart und hinter ihm eine Oma in Schwarz. Die Strecke Split – Zagreb. Nur noch fünf Minuten bis zur Abfahrt. Dann kam ein hübsches Mädchen mit einer schwarzen Bürstenfrisur herein (damals hatte sie das Haar noch nicht rot gefärbt). In ihrem Gesicht erschien alles größer, vor allem die Lippen. Der Fahrer sagte etwas zu ihr und sie lachte. Ihre weißen Zähne gehörten nicht zu dieser Welt.
Und dann noch diese runden, sexy Nasenlöcher! Sie kam mir vor wie eine weiße Schwarze.
Als sie auftauchte, wusste ich sofort, dass zwischen uns etwas passieren würde.
Sie ging nach hinten und setzte sich direkt vor mich.
Als der Bus losfuhr, waren wir symmetrisch darin verteilt: links vorne der Fahrer, hinter ihm die Oma, hinten rechts ich, vor mir dieses Mädchen.
Als hätte jemand unsere Sitzordnung vorher festgelegt.
Ich wollte sie sofort anbaggern. In meinem Kopf schwirrten Fragen herum wie Fliegen in einer Pferdemähne.
Doch auch zwei Stunden später dachte ich immer noch über die Methode nach, wie ich sie anmachen sollte.
Mir fiel nichts ein.
Dann erreichten wir meinen Geburtsort. Es begann zu regnen; die Tropfen schlugen auf das Dach des Busses.
Der Bus bewegte sich nur mit Mühe durch den zähen Schlamm, der die Straße bedeckte. Der Regen wurde stärker, von irgendwoher fielen Äste auf den Bus. Draußen konnte man hässliche, unverputzte Häuser sehen, Autowracks, die nur noch vom Rost zusammengehalten wurden, Hunde ohne Schwänze (in meiner Gegend schneidet man den Hunden die Schwänze ab, da man glaubt, dass sie so gefährlicher werden und das Haus besser hüten), und dann schlug ein Blitz ein und beleuchtete eine Szene, in der ein betrunkener Mann hinter einem Huhn herlief und versuchte, es in eines der Autowracks zu treiben.
Twilight zone, so ungefähr sah das aus.
Plötzlich reckte ich den Hals und fragte das Mädchen: »Entschuldige, weißt du, in welchem Ort wir sind?«
Sie zuckte zusammen, schaute erschrocken aus dem Fenster, sah dann mich an und meinte: »Keine Ahnung.«
Dann sagte ich: »Das ist mein Kaff.«
So lernte ich Morana kennen.
XXXXX
From: [email protected]
Herzlichen Gruß von der weiblichen Person, die ein wenig zu viel getrunken hat, hick, obwohl man damit nicht prahlen sollte. Man sollte es auch nicht herumerzählen, hick, aber mir scheint, dass Wodka einen positiven, kristallklaren Einfluss auf mein Verständnis der Welt und der Situation hat, im kristallklaren Aufleuchten der momentanen Erkenntnis, reitend auf dem Schlitten von Väterchen Frost durch die sibirische Winternacht, auf der Flucht vor den Wölfen, vor Rasputin und der Schneekönigin, und es ist schon richtig, sich deiner zu erinnern, lieber Fjodor, wärest du hier, würde ich auch dir Wodka anbieten, dazu Plätzchen aus Schnee, den ich in einem Tuch aufbewahre, auf das russische rote Rosen gestickt sind, die im Sommer blühen, sie sprießen heldenhaft aus dem Grab hervor, aus dem verharschten Schnee und dem Eis, ich fahre jetzt mit dem Schlitten zum sibirischen Supermarkt, hoffentlich geht es dir gut, ich brauche in jeder Hinsicht Unterstützung, denn die Nacht ist lang und kalt. Warum meldest du dich nicht?
Ana
7.
In den ersten fünf Tagen, nachdem es mit Morana zu Ende war, dachte ich, dass ich verrückt würde.
Ich wusste nicht, ob ich sie liebte oder nicht, ich wusste nicht, was ich wollte, in meinem Kopf summte es wie in einem Bienenstock. Die nächsten zehn Tage dachte ich gar nicht mehr an sie. Zehn weitere Tage dachte ich wieder an sie.
Dann eine Zeitlang wieder gar nicht, doch jetzt schleichen sich wieder allerlei Gedanken an sie ein. Vielleicht wäre es am besten, sie zu suchen, sie noch einmal zu bitten, mir zu verzeihen.
Die Krise hat mich erwischt, die Einsamkeit.
Das Leben in der Fremde verstärkt das alles, denke ich. Ich werde vor Traurigkeit krepieren. Ich denke sogar daran, zurück nach Kroatien zu gehen. Wer weiß, was passieren würde, wenn sie in diesen Tagen zum Pompidou käme und mir sagen würde, dass sie mir verzeiht? Wahrscheinlich kämen wir wieder zusammen und ich würde mich wieder schrecklich langweilen. Es ist wichtig, nicht mehr darüber nachzudenken; in der Vergangenheit zu wühlen, ist schmerzhaft.
Manchmal bringt es mich um. Dann erinnere ich mich an Ana.
Ich frage mich, ob ich sie anrufen soll?
Damit es mir ein bisschen besser geht. Doch dann fällt