Название | Ein herrlicher Ort für das Unglück |
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Автор произведения | Damir Karakaš |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941531 |
Ana interessiert mich nicht! Weder sie noch ihre pathetischen E-Mails.
Außerdem hat sie Mann und Kinder, da will ich mich nicht einmischen.
Ich decke mich mit meinem Mantel zu und schalte den Fernseher ein. Ich starre auf den Fernseher; er gehört Hristo.
Er hat ihn vor zwei Monaten auf der Straße gefunden.
Man muss zehn Minuten warten, bis er warm wird.
Erst dann kommt das Bild, flackernd und grün. Die Sendung ist interessant: In China gibt es nur noch tausendsechshundert Pandabären.
Wenn sie sich nicht vermehren wollen, lässt man Pornofilme laufen, um sie zu stimulieren.
Ich glotze auf diese sympathischen Pandabären und mir fällt ein, dass ich noch einige Briefumschläge kaufen muss, in die ich die restlichen Fotokopien der Übersetzung meines Romans stecken werde.
Danach werde ich sie zu den Verlegern bringen. Ich könnte sie auch per Post schicken, aber so ist es billiger.
Ich muss sparen, der Winter kommt. Ich habe gehört, dass einige Zeichner im Winter nichts verdienen. Sie zeichnen nicht, sondern machen etwas anderes, schälen Kartoffeln, stehlen.
Ich muss auf jeden Cent achten, Geld schmilzt in Paris schnell dahin.
Ich habe eine Liste mit zwanzig Verlagen in der Tasche. Die, die mich abgelehnt haben, habe ich schon ausgestrichen. Energisch, als wollte ich das Papier abschlachten. Wenn sie mich streichen können, kann ich sie auch streichen.
Mich haben schon einige abgelehnt. Mit zitternden Händen öffnete ich die Umschläge, die an Hristos Adresse geschickt worden waren, und las die Ablehnungen. Einige trockene Sätze im Stil von: Wir sehen uns nicht in der Lage, es zu veröffentlichen. Wie abgeschrieben aus dem vorigen Umschlag. Andererseits sind das alles kleinere Verlage, dachte ich. Sie sind es nicht wert, dass ich deshalb schlecht gelaunt bin.
HULA-HULA
From: [email protected]
Der Kapitalismus tötet mich, er widert mich an, er tötet die menschliche Seele. Ich stell mich mir auf einer pazifischen Insel vor, mit Eingeborenen, wir bauen Barken, schlagen Kokosnüsse auf, die von den Bäumen fallen, singen für die Meeresgötter, damit sie uns gnädig sind und uns einen reichen Fang bescheren, während die Frauen der Eingeborenen Blumenkränze flechten. Es ist so heiß, dass alle Badeanzüge anhaben oder ihre traditionellen Hula-Hula-Röckchen. alle sind schwarz und haben einen wunderschönen Teint, das kommt von den tropischen Früchten und von der Kokosmilch, die in Bächen fließt, hier und da taucht ein Hai auf, damit es nicht an Aufregung mangelt. Ana-Ana
8.
Ich lebe im 13. Arrondissement, dem Glasgebäude des nationalen Telekommunikationskonzerns gegenüber. Es ist eine Einzimmerwohnung, dürftig eingerichtet und mit feuchten Wänden; aufgrund der Feuchtigkeit kann man im Winter die Fenster nicht gut schließen. Im Sommer, wenn die Fenster wegen der unerträglichen Hitze geöffnet sind, herrscht ein furchtbarer Lärm; unweit davon befindet sich das Gebäude der Verkehrspolizei, deshalb hört man in der Nacht Sirenen und das durchdringende Knacken der Funkgeräte.
Bevor Hristo einzog, hatte sein Landsmann Emil hier gewohnt, ein Student der Molekularbiologie am Institut Necker. Als die Toilette noch funktionierte, war in der Kloschüssel ein Mechanismus installiert, der einem Propeller ähnelte: ein sogenannter Scheißeschredderer. Jedes Mal, wenn man abzog, wurde der Schredderer automatisch in Gang gesetzt und verwandelte die Scheiße in einen Brei, damit sie leichter durch die schmalen und abgenutzten Rohre rutschte.
Hristo, der damals manchmal bei Emil übernachtete, hat mir erzählt, dass es gefährlich war, sich auf dieser Kloschüssel in eine Zeitungslektüre zu vertiefen und dann abzuziehen, da einem der Schredderer im Nu die Eier zermanschen konnte. Vor sechs Monaten ging der Schredderer kaputt und die Toilette wurde unbrauchbar. Auch der Abfluss der Dusche war verstopft, genauso wie das Miniwaschbecken neben der Kloschüssel.
Nur der Wasserhahn über der Spüle funktionierte. Die Vermieterin sagte Emil, dass er den Klempner rufen solle, sie meinte, sie wolle es bezahlen. Emil rief einen Klempner an. Eine Stunde später erschien ein Araber in weißem Jogginganzug und mit einem Kilo Pomade im Haar. Er zog eine Zange, die eher einer Pinzette ähnelte, aus der Tasche und stellte angeekelt fest, dass da nichts mehr zu machen sei. Schließlich verlangte er siebzig Euro, weil er ordnungsgemäß auf den Anruf reagiert und all das diagnostiziert hatte. Als er jedoch ebenfalls diagnostizierte, dass Hristo in der Wohnung war und drohte, ihm die Eier mit einer Schere abzuschneiden, verduftete er schleunigst. Die Vermieterin versprach Emil daraufhin, dass sie einen Handwerker finden würde, doch dann musste sie ganz plötzlich nach New York. Sie rief an und sagte, dass er bis zu ihrer Rückkehr kostenlos hier wohnen könne. Sie meinte auch, dass sie eine Lösung finden werde, sobald sie zurück sei. Emil zog wütend aus der Wohnung aus, und am nächsten Tag zog Hristo ein. Einige Tage später kam ihm die Idee, die Wohnung sogar unterzuvermieten. Er rechnete dabei mit Klientel aus dem Osten.
»Wem es nicht passt«, pflegte er zu sagen, »der soll ins Hilton gehen.«
Außer mir und Hristo leben noch sein Cousin Georgi in der Wohnung, ihr Landsmann Stefan und Andrej, ein Maler aus Moskau. Neben uns fünf ständigen Bewohnern sind zurzeit noch drei Zigeuner hier, Harmonikaspieler aus Rumänien. Wenn sie gerade nicht in der Metro spielen, stehlen sie in Supermärkten Eier, die sie zu Hause mit einer Nadel anstechen und aussaugen. Gestern haben sie in der Bäckerei die Sammelbüchse vom Roten Kreuz geklaut. Die ganze Nacht lang haben sie fröhlich Geldstücke gezählt und sie unter sich aufgeteilt. Hristo sagte ihnen, dass er ihre Miete auf zehn Euro pro Tag erhöhen würde, da sie gestern Nacht so viel Krach gemacht hätten. Er legt die Preise nach Instinkt fest: Wenn ihm irgendeine Schnute nicht gefällt, lässt er sie nicht einmal für hundert Euro pro Tag bei uns wohnen. Von mir kassiert er fünfzig Euro monatlich, von Andrej hundert Euro, Georgi und Stefan zahlen gar nichts.
Die Wohnung wirkt meistens wie ein Bahnhof: In den letzten Monaten defilierten hier Bulgaren, Chinesen, Rumänen, Moldawier, Serben, Bosnier, Ungarn, Polen, Albaner, Armenier, Türken und Kurden vorbei. Meist Malocher, die nach einer Schwarzarbeit suchen. Ein paar Nächte lang schlief auch ein Goran aus Belgrad hier.
Er wartete auf die Anstellung als Kellner in einem serbischen Café an der Ecke Sainte-Marthe und Saint-Maur. Während des Krieges waren wir beide mobilisiert gewesen, wir waren sogar am selben Frontabschnitt eingesetzt, nur auf entgegengesetzten Seiten. So hatten wir also aufeinander geschossen, und fünfzehn Jahre später schliefen wir in Paris auf derselben Matratze – wir lachten darüber.
Goran erzählte mir, wie viele Schwierigkeiten er gehabt hatte, bis er endlich in Paris war.
»Ihr Kroaten könnt wenigstens drei Monate hier bleiben und dann zurück, wir Serben dürfen nicht einmal das«, sagte er, wobei er ständig an seiner Hose zog. Das war wohl ein Tick von ihm.
Er sagte, dass er zunächst ein Visum für Frankreich beantragt habe, doch man habe ihn abgelehnt, als hätte er die Pest.
Also beantragte er ein Visum für Deutschland – wieder wurde er abgelehnt – und dann für Italien – wieder eine Ablehnung. Erst bei den Österreichern hatte er irgendwie Erfolg. Als er nach Wien kam, fand er eine Clique, mit deren Auto er bis nach Paris kam, und zwar dank der Tatsache, dass es zwischen Österreich und Frankreich keine Grenzen mehr gibt.
Es gab Tage, da herrschte in der Wohnung ein unerträgliches Durcheinander und Hristo rieb sich zufrieden die Pranken. Einige, die nur eine Nacht lang hier blieben, habe ich nicht einmal gesehen.
In den letzten Tagen waren vor allem Rumänen da, hauptsächlich rumänische Zigeuner. Sie sind über die Weihnachts- und Neujahrsfeiertage gekommen. Meistens kommen sie über die Feiertage nach Paris, um zu stehlen.
Hristo sagt, sie seien so geschickt,