Название | Lieber für die Ideale erschossen werden, als für die sogenannte Ehre fallen |
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Автор произведения | Christoph Regulski |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843804769 |
Die sich im Frühjahr 1917 herausbildende Matrosenorganisation ging auf erste Zirkel und kleine Gruppen zurück, die unter den sozialdemokratischen Heizern seit 1915 an Bord bestanden186. Eine sich allgemein ausbreitende »Mißstimmung«187 beruhte auch auf der Unzufriedenheit mit der SPD und deren fortlaufender Bewilligung der Kriegskredite188. Die Matrosen schlossen sich angesichts ihrer schlechten politischen und wirtschaftlichen Lage zusammen189. Auch wenn aus ihnen keine festen Strukturen erwuchsen, bildeten sie die Grundlage der späteren Bewegung190. Die vereinzelten Mannschaftsgruppen des Jahres 1915 vertraten durchaus unterschiedliche Ansichten, näherten sich aber durch gelegentliche Treffen in ihren politischen Zielen an und verfassten erste Erklärungen191. Im Winter 1915/16 kamen unter den Matrosen erste ablehnende Stimmen gegen den Krieg auf192. Seit Beginn des Jahres 1916 bestanden Verbindungen zwischen Vertrauensleuten der einzelnen Schiffe193. Die sich verstärkt zusammenschließenden Matrosen unterstützten die linken Kräfte in der Sozialdemokratie und wollten bei einem Friedensschluss zu ihnen übertreten. Bis zum Beginn der Skagerrak-Schlacht bezifferte Sachse die Zahl der eingeschriebenen Matrosen auf 3.112 Mann194, was er aber in späteren Aussagen relativierte und nur noch von dem Beginn einer Bewegung um das Jahr 1915 sprach195. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich erste kleine Gruppen über die Schiffe verteilt herausgebildet, in denen die politische, aber auch die sich dramatisch verschlechternde Versorgungslage Deutschlands erörtert wurde196.
Hans Beckers197, Willi Weber198 und der Matrose Steilemann199 von der Friedrich der Große stellten die Zahlenangabe Sachses in Frage200. Auch dem Untersuchungsrichter Dr. Dobring war im Laufe seiner Verhöre nichts über eine derartige Liste bekannt geworden201.
3.1. Die Skagerrak-Schlacht
Am 31. Mai 1916 fand die bis dahin größte Seeschlacht der Geschichte statt, als vor dem Skagerrak202 die deutsche Hochseeflotte und die Grand Fleet aufeinandertrafen. Auf deutscher Seite nahmen 100 Kriegsschiffe verschiedenster Größe mit insgesamt 45.000 Mann Besatzung teil, denen 151 Schiffe der Grand Fleet mit 60.000 Mann Besatzung gegenüberstanden. Das Hauptgefecht fand am 31. Mai 1916 zwischen 18 Uhr und 19:18 Uhr statt203. Wie konnte es angesichts der zögerlichen Taktik auf beiden Seiten überhaupt zu einer derartigen Begegnung kommen?
Deutsche Hochseeflotte vor der Skagerrak-Schlacht
An diesem Tag suchte die Aufklärungsflotte Admirals v. Hipper die Konfrontation mit britischen Schiffen in der Nordsee. Die englischen Schiffe stellten sich dem Gefecht, verfolgten dabei aber den Plan, eine Schlacht zu erzwingen204. Nach einem ersten Gefecht mit schweren britischen Verlusten205 entschloss sich Lord Beatty das Gefecht einzustellen und befahl am späten Nachmittag der Schlachtkreuzerflotte abzudrehen. Damit lockte er die deutschen Schiffe zur stärksten britischen Seestreitmacht, der Grand Fleet. Das fünfte britische Schlachtgeschwader zog die Hochseeflotte praktisch hinter sich her206. Um 18:26 Uhr begann die Skagerrak-Schlacht, als sich die deutschen Schiffe den britischen Linien näherten. Admiral Scheer, Oberbefehlshaber auf dem Schiff Friedrich der Große, sah die deutschen Schiffe direkt in die britische Schusslinie laufen und drehte umgehend ab. Dieses äußerst schwierige und gewagte Manöver glückte ohne Verluste207. Da ihnen aber der Rückzug abgeschnitten war, wendeten alle deutschen Schiffe und griffen in Formation an208. Sie stießen in die Mitte der Grand Fleet hinein, die wiederum in einem Bogen aufgestellt war und die deutschen Schiffe massiv beschoss209.
Britische Schlachtkreuzer im Gefecht
Kreuzer Birmingham unter schwerem Beschuss
Nachdem die Schlachtkreuzer das Gefecht eröffnet hatten, beteiligten sich alle Verbände an der Hauptschlacht210. Dadurch geriet Admiral Scheer unter Breitseitenfeuer und löste die äußerst bedrohliche Lage durch erneutes Wenden und Einsatz der Torpedobootflottille. Daraufhin drehte die Grand Fleet ab211. Einsetzende Dunkelheit beendete schließlich das Gefecht. Die deutschen Schiffe gerieten bei Horns Riff in erneute Gefechte mit britischen Zerstörern, bis sie am Morgen des 1. Juni die englischen Linien passierten und Kurs auf die Heimathäfen nahmen212.
Die Skagerrak-Schlacht, in Großbritannien ging sie als Schlacht von Jütland in die Geschichte ein213, brachte der Hochseeflotte einen Sieg, der jedoch schwer errungen war. In dem Seegefecht, an dem insgesamt 250 Schiffe mit rund 100.000 Mann Besatzung beteiligt waren214, verlor die Royal Navy 14 Schiffe, darunter drei Schlachtkreuzer215.
Brennender Schlachtkreuzer Seydlitz
Auf britischer Seite waren 6.784 Tote und Verwundete zu beklagen. Elf Schiffe der Hochseeflotte kehrten nicht zurück, darunter ein Schlachtschiff und ein Schlachtkreuzer216. 3.058 Seeleute waren tot oder verwundet217.
Decktreffer auf der Derfflinger
Entscheidend für den weiteren Verlauf des Seekrieges aber war, dass auf deutscher Seite zehn Großkampfschiffe schwer beschädigt218 und somit am 2. Juni 1917 nur zehn Schiffe dieser Größe seetüchtig waren.
Dem standen 24 Schiffe des Admirals Jellicoe gegenüber, die vollständig einsatzbereit gewesen waren219. Als das wichtigste Ergebnis der Skagerrak-Schlacht stand für Admiral Scheer fest, dass Seeschlachten keine Option für die deutsche Flotte waren220. Die deutsche Marine konnte auch zukünftig nicht die englische Seeblockade durchbrechen221, denn das Stärkeverhältnis der Flotten war nach der Schlacht unverändert222. Die maritime Überlegenheit Englands war trotz des deutschen Sieges nicht zu überwinden, und die Strategie der Royal Navy blieb gleich223. Die britische Bereitschaft zu einer großen Seeschlacht war ein einmaliges Abenteuer224, das der Navy schmerzhafte Verluste einbrachte. Auch für Admiral Scheer blieb die eingeschlagene Strategie, in erster Linie aus Mangel an Alternativen, unverändert bestehen225. Eine direkte Folge der Skagerrak-Schlacht war der Beginn des uneingeschränkten U-Bootkrieges am 1. Februar 1917226, um die britische Vormachtstellung zur See zu erschüttern227.
Der Sieg der deutschen Hochseeflotte war nur möglich, weil Schiffsleitung und Mannschaft reibungslos zusammenarbeiteten228. In der Schlacht waren die Spannungen auf den Schiffen ausgeblendet229. Jeder an Bord konzentrierte sich auf seine Aufgabe, es blieb keine Zeit für Schikanen oder dünkelhaftes Auftreten. Die Skagerrak-Schlacht zeigt deutlich, dass die Matrosen trotz aller zuvor erlebten Ungerechtigkeiten bei einer militärischen Herausforderung zuverlässig waren230. Sie erfuhren eine besondere Anerkennung, als der Flottenchef auf eigene Anordnung allen schwer verwundeten Matrosen das Eiserne Kreuz zweiter Klasse verlieh. Dabei bedachte er drei Offiziere, zwei Deckoffiziere, 39 Unteroffiziere und 184 Mannschaften231 und verteilte die Auszeichnungen somit nach tatsächlich erbrachter Leistung und persönlichem Opfer232. Die Autorität des Kaisers war bei den meisten Matrosen nach der Schlacht ungebrochen233.
Albin Köbis nahm als Heizer auf der Prinzregent Luitpold an der Skagerrak-Schlacht teil und leistete wie seine Kameraden über zwei Tage körperliche Schwerstarbeit, wenngleich er in der Schlacht keine besondere Ruhmestat der Marineführung erkennen konnte234.
Willi