Название | Lieber für die Ideale erschossen werden, als für die sogenannte Ehre fallen |
---|---|
Автор произведения | Christoph Regulski |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843804769 |
Vizeadmiral David Beatty
Im August 1914 besaßen Deutschland 18 und Großbritannien 29 Schlachtschiffe. Eine Entscheidungsschlacht wäre unter diesen Voraussetzungen, in Verbindung mit der ungünstigen geographischen und strategischen Lage, für die Marine wenig vorteilhaft gewesen153. Die deutsche Hochseeflotte blieb bei Kriegsbeginn, als das Heer weit in die Länder der Kriegsgegner vorstieß, weitgehend untätig154.
Daran zeigt sich, dass die Hochseeflotte in erster Linie dazu gebaut wurde, mögliche Gegner abzuschrecken155 und dem Kaiserreich ein größeres politisches Gewicht zu verleihen. Kaiser Wilhelm II. selbst stand einem Angriff im August 1914 sehr skeptisch gegenüber und untersagte ein offensives Vorgehen156. Gerade in Hinblick auf kommende Friedensverhandlungen sollte die Kriegsmarine ein wichtiger Faktor sein157. Damit standen sich die defensiven Kräfte um Admiralstabschef v. Pohl und Marinestaatssekretär v. Tirpitz unversöhnlich gegenüber158.
Flaggschiff Friedrich der Große – Paradieren statt Kämpfen
Den Vorschlag des Monarchen, einen kombinierten Einsatz von Unterseebooten und Hochseeflotte zu erwägen und zu planen, griffen die Offiziere des Admiralstabes nicht auf159.
Ein erstes Seegefecht am 28. August 1914 vor Helgoland zeigte der deutschen Marine ihre Grenzen auf. Überlegene englische Verbände versenkten drei deutsche Kreuzer160.
Britische Schlachtflotte auf hoher See
Der Überraschungstaktik konnte die deutsche Marine angesichts ihrer strategischen Lage in der Nordsee nicht begegnen161. Die eigentliche Wirkung dieses Gefechts bestand aber darin, dass der Verlust der Schiffe Kaiser und Seekriegsführung bewog, zukünftig zurückhaltend zu handeln162. Als einziger Ausweg, dem wenigstens ansatzweise begegnen zu können, bot sich die Strategie des Kleinkrieges. Damit hätte bei einem erfolgreichen Verlauf die englische Überlegenheit langsam ausgehöhlt werden können, um dann eine Schlacht zu riskieren. Aber auch diese Option griff nicht, da die Navy durch ihr Konzept der Fernblockade kaum Angriffsmöglichkeiten bot. Dafür hatte diese Strategie für Großbritannien den Nachteil, dass die britische Ostküste recht ungeschützt war163. Das nutzten deutsche Schiffe erstmalig am 16. Dezember 1914 aus, als Schlachtkreuzer aus dem Aufklärungsgeschwader des Admirals Franz v. Hipper die Städte Hartlepool und Scarborough beschossen und mehr als 100 Zivilisten töteten. Nach dem Angriff hoffte die deutsche Marine, englische Schiffe würden durch das frisch verminte Seegebiet folgen164. Zehn Schiffe setzten den Angreifern nach, die wiederum durch Schiffe auf offener See unterstützt wurden und somit den englischen Schiffen unter der Führung von Lord Beatty mit 24 Schiffen weit überlegen waren. Der Flottenkommandeur, Admiral Friedrich v. Ingenohl, wusste nicht um den großen Vorteil und nahm Kurs auf heimische Gewässer. Der deutschen Marine entging ein wahrscheinlich sicherer Sieg165.
Admiral Franz v. Hipper
Ein Grund für die geringe englische Präsenz in der Nordsee war die Verfolgung des Ostasiengeschwaders166 im Pazifik und Atlantik167, dem es gelang, durch die Scharnhorst unter dem Kommando von Graf Spee am 1. November vor der chilenischen Küste bei Coronel zwei britische Panzerkreuzer zu versenken168. Die Seeschlacht bei den Falklandinseln am 8. Dezember 1914 brachte dem Geschwader aber gegen vierfach überlegene englische Schiffe169 den Untergang170.
Panzerkreuzer Blücher
In dem Doggerbank-Gefecht vom 24. Januar 1915 standen sich die beiden Flotten erneut gegenüber171. Admiral v. Hipper sollte die Lage an der Doggerbank aufklären und den Firth of Forth, die größte Bucht der schottischen Ostküste, verminen.
Nach der Verfolgung durch britische Schiffe kam es bei der Doggerbank zu einem Gefecht, bei dem die Blücher unterging und die Seydlitz Feuer fing172. Dort leistete die Besatzung Herausragendes, als es gelang, das stark brennende Schiff wieder in den Heimathafen zu führen173. Die Navy erzielte keinen vollkommenen Sieg, da die eigenen Schiffe nur mit zum Teil erheblichen Beschädigungen den Heimathafen erreichten174 und die im Gefecht eingesetzten Schlachtkreuzer viel zu selten trafen. Nur sechs der 1.150 abgefeuerten schweren Granaten schlugen ein175. Nach dem für Admiral v. Ingenohl unglücklich verlaufenen Gefecht nahm Admiral v. Pohl dessen Stellung als Flottenchef ein. Doch auch unter den Offizieren war die Stimmung angespannt. Angesichts wenig erfolgversprechender Alternativen im Kampf gegen England baten zahlreiche Offiziere um ihre Versetzung zum Landheer oder lehnten verliehene Kriegsauszeichnungen ab, da sie der Meinung waren, diese nicht verdient zu haben176.
Kenternde Blücher – 792 Besatzungsmitglieder starben, 260 Matrosen wurden durch britische Schiffe gerettet
Das Operationsgebiet Nordsee blieb weiterhin die einzige Möglichkeit, England überhaupt auf dem Meer begegnen zu können. Korvettenkapitän Wolfgang Wegener und sein Geschwaderchef Vizeadmiral v. Lans befürworteten deshalb ein verstärktes Vorgehen in diesem Gewässer, was Marinestaatssekretär v. Tirpitz hingegen ablehnte, freilich ohne eine Alternative aufzeigen zu können177. Dem Begründer der deutschen Seemacht wurde Anfang 1915 anscheinend endgültig klar, wie hilflos die Marine tatsächlich in einem Krieg mit England war. Alle Strategien und Konzepte der Friedenszeit, und besonders das der Entscheidungsschlacht, waren Makulatur178. Der 1916 erfolgte Rücktritt v. Tirpitz’179 lag also schon ein Jahr zuvor nahe. Die deutsche Marine folgerte aus dem verlorenen Gefecht bei der Doggerbank180, dass es nicht in erster Linie die Zahl der Schiffe sei, die über den Ausgang eines Gefechtes entscheide, sondern die technischen Vorteile weit schwerer wögen. Die deutsche Hochseeflotte blieb ein Jahr in den Häfen, um technisch überholt181 und aufgerüstet zu werden182. In der Zwischenzeit entwickelte Vizeadmiral Harald Dähnhardt ein illusorisches Marinekonzept der Zukunft mit einem Etat von 980 Millionen RM183. Anhand dieser unrealistischen Planung zeigt sich, wie wenig zufrieden die Admirale mit ihrer damaligen Situation waren.
Die Besatzungen fühlten sich vollkommen unterfordert und glaubten zum Teil auch, die Seekriegsleitung besäße kein Vertrauen in ihr Können184. Zu Beginn des Jahres 1915 vollzog die Marineleitung personelle Veränderungen, die sich auf das weitere Verhältnis zwischen Offizieren und Mannschaften verhängnisvoll auswirkten. Richard Stumpf brachte es auf den Punkt: »Da begann der Riß. Das Vertrauen schwand schon 1915. Die höheren Offiziere mittleren Jahrgangs, die Kapitänleutnants und Oberleutnants, die in ihrer aktiven Zeit mit den Mannschaften zusammengewachsen waren, wurden schon damals herausgezogen und kamen auf Zerstörer, U-Boote