Название | Die vorderen Hände |
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Автор произведения | Martin Zels |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783992002962 |
„Sag einmal, können wir nicht einen einzigen Großhändler nehmen, statt dass ich immer die ganzen Maxerln einzeln abfahre? Viel zu teuer, und meistens doch auch nicht besser, als wenn einer das en gros verkauft und in Einem liefert, meinst nicht auch?“
„Nein, meine ich nicht auch. Und, lieber, guter Bert, kannst du mir bitte aus dem Weg gehen? Siehst du das nicht, wenn du nichts arbeitest, stehst immer da, wo ich grade hinmuss!“
„Anton, du kommst mir nicht aus. Irgendwann musst du mit den Ausgaben runter! So oder so. Du kochst eine große Küche, aber wir leben beim Einkauf auf zu großem Fuß!“
„Das hier ist eine kleine Küche. Und du wirst immer dicker. Bert. Kein Platz hier, für noch einen wie mich, meinst nicht auch?“
Ihre miese Bezahlung musste er akzeptieren. Schließlich hatten sie ihm ja den Arsch gerettet, damals. Hatten sie selber gesagt. Genau so. Den Arsch. Immer wieder. Da half ihnen die falsche Freundlichkeit, die sie jeden Tag im Lokal herumtrugen, gar nichts. Er entlarvte ihre Süße.
roxane & freunde?
„Anton, Tisch 5. Der Kunde –“
„Der Gast.“
„Meinetwegen. Der Gast meint, dass die Sellerieschaumsuppe ein bissel zu heiß gewesen ist.“
„Muss man sie halt ein bissel weniger heiß servieren, meinst nicht, Gitti? Soll ich sie nach dem Eingießen vielleicht noch eine Zeit anblasen, oder was meinst?“
„Gib sie doch erst zum Servieren aus, wenn sie zwei Minuten gestanden hat!“
„Genau. Und dann meint dein Kunde vielleicht, dass sie ihm jetzt ein bissel zu kalt wäre? Nur weil du noch nicht fertiggeraucht hast? Geh bitte!“
„Ich habs dir jetzt gesagt. Und du wirst dich bitte danach richten.“
„Und wenn nicht? Willst mich entlassen? Sind wir schon so weit? Könnt ihr schon genug?“
„Geh, Anton, so war das nicht gemeint, das weißt du ganz genau.“
„So, Gitti? Weiß ich das?“
Er wusste ganz genau, was sie im Schilde führten. Aber er würde ihnen nicht auch noch dabei helfen. Er würde seine Kunst mit in sein Grab nehmen. Und es würde ein bayerisches Einzelgrab sein!
Fast täglich, seit zweieinhalb Jahren schon, landete Anton nun beim Kochen in diesem Grab, den großen Spiegel über dem Herd anstarrend, den er täglich putzte, als Letztes, wenn alles andere sauber war. In seinem goldenen Rahmen hing er dort. Schon seit damals. Als er begonnen hatte.
Er sah sich an. Dieses Bild.
Wie oft hatte er den Spiegel schon abnehmen wollen?
Und wie oft hatte er es auch getan! Heimlich.
Genauso heimlich hatte er ihn dann wieder hingehängt. Dahin, wo er gehangen hatte, als er hier der Maestro, der Chef von allen gewesen war, und niemand sonst. Genau da sollte er ruhig weiter hängen! Es mochte ja sein, dass es völlig lächerlich war. Aber er wollte, dass dieser Spiegel sein Zeuge war. Zeuge, dass Anton noch lebte, und dass er, der Meister, am Ende hocherhobenen Hauptes aus dieser Küche hinausgehen würde. Als Sieger! Das hatte er sich geschworen. Und er schwor es sich jeden Tag noch einmal. Er würde sie alle wieder aus dem Roxane hinausfegen! Und ganz neu beginnen. Eines Tages.
Er sah sich an. Da oben hing er also.
Und schon wollte er sich wieder abhängen. Als müsste dieses Spiel für immer und ewig genau so weitergehen.
Er atmete ein. Atmete aus. Und wusste, dass er jetzt nicht viel mehr tun konnte. Einfach weiter atmen, weiter kochen, weiter leben. Und dafür sorgen, dass er am Ende sein bayerisches Grab nicht verfehlte.
Das blinde Fell im sich wiegenden Korn
Für einen Moment lebt es wiederr
Kennt sein Wesen noch
Darüber ein Himmel in leisem Flirren
Er weiß von diesen Dingen nichts
Sieht alles immer neu
Und noch darüber klingt ein Lied an
Als keines Menschen Klang zu nehmen
Als wäre in der Höhe alles eins
Professor Kramers bester Student
„Herr Professor, ich habe da noch eine Frage zu diesem Taktwechsel hier, Abschnitt K, Takt 256.“
„Nur zu, Karla, fragen Sie, bitte, Sie können mich so lange fragen, bis ich den Löffel abgeb! Ist eh bald so weit.“
Sie schwieg ihn ausdruckslos an. Er fasste nach.
„Ich weiß doch gar nicht, was ich bald ohne Sie anfangen soll!“
Er zwinkerte ihr lächelnd zu, so halb schräg hinter seiner randlosen Brille und dem Flügel hervor. Sie stand gegenüber am Dirigierpult. Die Partitur war von vielen Händen abgegriffen, es roch bei jedem Umblättern erhaben, altes Papier. Sein Blick war gar nicht angekommen, auch wenn man nur unter dem steil aufgestellten Flügel hindurchschauen hätte müssen, um seinen müden Augen zu begegnen. Sie hatte aber gerade keine Lust auf Altherrencharme. Hatte sie ja meistens nicht. Sie wollte arbeiten. Öfter als er. Der gutmütige, ältere Herr überging dann aber den eigenen Schmäh genauso unspektakulär wie sie, und alles war gut. Er war da nicht so.
Umso dankbarer erhellte sich sein Blick, wenn Karla Manhardt ab und zu doch auf sein Angebot einging, ihn ein wenig hochnahm, sich bald naiv, bald autoritär unter, neben oder über ihn stellte und einer Plauderei freien Lauf ließ. Dies und das, und ach! Die Musik, und das Leben erst! Karla erlaubte sich das insgeheim nur, wenn sie nicht ausreichend vorbereitet zum Hauptfach erschienen war. Professor Bernhard Kramer, Dirigieren und Korrepetition.
Er durchschaute das, natürlich. Aber er war da eben nicht so. Sie war seine beste Studentin. Was er ihr in zwanglosen Gesprächen auch gerne sagte, wie zufällig. Auch, dass er stolz auf sie sei. Sie parierte dann, sofort. Immer.
Sie sei schließlich seine einzige Studentin. Unter acht jungen Männern aus aller Herren Länder.
Ach, sie wisse ganz genau, wie er es gemeint habe.
„Und gerade deshalb kann ich nicht verstehen, warum Sie mit Ihrer Begabung, Ihrem Ehrgeiz, Ihrer Ausdauer manchmal doch so schnell aus dem Gleichgewicht zu bringen sind!“
Es folgte, fast immer, der Kanon ihrer gereizten Erklärungen, und den begleitete er mit einem Lächeln.
Was es da zu lächeln gäbe?
Der Herr Professor könne sich eben nicht vorstellen, was es heißen würde, vor dem Orchester und neben den anderen Dirigenten zu bestehen, als Frau, und wie oft sie das Gefühl habe, sie stünde da vor einer großen Wand.
„Mit fetten, schwarzen Buchstaben drauf: DU NICHT!“
Der Herr Professor lächelte dann gerne noch ein wenig breiter.
„Ach, das bildest du dir ein, sagen sie, die Herren der Schöpfung. Jedes Mal, wenn ich es doch einmal anspreche, weil ich ihre geringschätzigen Blicke und das Gerede so heftig auf mir spüre, ständig! Die haben dann immer so eine Art, sowas nobel Brüderliches, vor allem die Russen, man möchte es ihnen echt glauben, echt, ich schäme mich immer, dass ich überhaupt was gesagt habe! Und dann merkst du es kurz danach schon wieder! Und noch stärker. Weil du ehrlich warst. Sie glauben es einfach nicht. Dass ich erfolgreich weitermachen werde, nach dem Studium. Auch als Frau. Vielleicht sogar noch eher als die? Ausgeschlossen! Und wissen Sie was? Ich glaube, dass das auch was mit Österreich zu tun hat. Und vor allem mit Wien. Erst ist sie eine Frau, und dann ist sie auch noch eine von hier! Was will ich als Wienerin denn in Wien erreichen? Oder in Österreich?“
„Aber Karla –“
„Herr