Die Nann. Anna Croissant-Rust

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Название Die Nann
Автор произведения Anna Croissant-Rust
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711460832



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die Moidl nit?“

      „I nit.“

      Die Malseinerin hatte auch ihren Trotz, und jäh, wie sie war, fuhr’s ihr heraus: „Na nimm ich sie.“

      Der Kuchler lachte. „G’halt sie nur, i wünsch’ dir Glück dazua!“

      Nun musste sie eben sehen, wie sie den Malseiner herumbrachte, auf der Alm war Arbeit genug oben und immer eins zu wenig, da konnte man sie fürs erste schon aus dem Weg räumen.

      Die Juli ging noch ein gutes Stück Weges mit und kam dann mit all ihren Sorgen und bat um Rat.

      „Sei du nur brav, Juli, es wird schon gehn, i will gern nachschaug’n“, war der Malseinerin letztes Wort. „Du musst es dem armen Hascherl seiner Muatter zulieb tun, wenn der Vater nix von ihm wissen will.“

      3

      Für die Juli begann nun ein hartes Leben; sie hatte gehofft, dass der Vater, wie immer, auf das Zimmern ausgehen und sie mit Anderl und der Kleinen allein lassen würde. Sie hatte sich das recht schön gedacht, so allein im Häusl wirtschaften zu dürfen, wo doch der Anderl gut folgte und die grossen Schwestern fort waren, die immerfort Zank und Unfrieden stifteten. Aber da wurde nichts daraus. Der Vater bestand darauf – was er nie getan hatte – das Heu selber zu machen und mit Anderl und mit ihr herunterzubringen. Obwohl er in der Nähe Geschäfte hatte, merkte sie sehr wohl, dass er nicht gehen wollte, sondern sich einrichtete, ein paar Wochen zu Hause zu bleiben, wahrscheinlich, damit die beiden Schwestern nicht wieder hereinkamen. Sie arbeitete ja gern und hätte mit Anderl so nach und nach alles in Ordnung gebracht. Aber wie der Vater arbeitete! Von früh bis nachts wurde sie gehetzt. Hatte sie die Frühsuppe gekocht und das Vieh versorgt, so blieb ihr kaum Zeit, die Nann zu richten und ihr Nahrung zu geben, gleich musste sie Nachkommen zum Mähen, zum Wenden, zum Einführen. Wenn’s zu lange dauerte, rief sie ein Pfiff des Vaters zur Arbeit; kam sie dann nicht gleich, schlug er sie. Es war, als übertrage er den Groll, den er gegen die Nann hegte, auf ihre Wärterin. Dabei sollte gekocht sein, wenn der Vater Hunger hatte, und draussen sollte sie auch mithelfen, besonders zur Zeit des Heuens. Der Vater liess ihr keine Stunde, wo sie hätte aufräumen und säubern können; kam er aber des Abends heim mit Anderl, der keuchend und schwitzend hinterdreintrabte, so begehrte er auf, wenn nicht alles in Ordnung war. Dabei musste die Juli alles für die Nann heimlich tun; des Nachts, wenn ihr beinahe die Augen zufielen, musste sie noch für die Kleine waschen oder ihr noch etwas kochen – –. Den ganzen Tag blieb die arme Nann oft in der Kammer allein, und viele Male hörte die Juli das Kind weinen und durfte nicht von der Arbeit weg.

      Es zuckte ihr in den Fingern, sie hätte alles hinwerfen und zu ihr laufen mögen, wenn sie sich nur vor dem Vater getraut hätte. Nie fragte er nach dem Kinde, die kleine Nann hätte ebensogut tot sein können. Wenn er sie schreien hörte, sah man ihm den Groll über das Dasein dieses kleinen Wesens an, das ihm nur Schande und Spott gebracht hatte und das in seinem Hause vor ihm verräumt und versteckt werden musste. Die Juli durfte sich nicht einmal getrauen, die kleine Wäsche aufzuhängen, denn er warf sie zu Boden, schalt und fluchte und trat mit den Füssen darauf herum. Sie konnte sich oft nicht mehr helfen, beständig gehetzt, beständig in Aufregung, immer in Angst vor dem Vater, immer gescholten – sie setzte sich untertags hin, vollständig stumpf und gleichgültig, und selbst wenn der Vater gekommen wäre, würde sie sitzengeblieben sein. Mochte er sie hauen, mochte er sie totschlagen, dann war’s doch wenigstens aus! Da hatte es ja der Anderl noch besser, der machte halt seinen Trab fort, wenn er auch einmal seinen Fusstritt oder seine Maulschellen bekam, er machte es deshalb nicht schneller, er weinte nicht, er widersetzte sich nicht, er ‚stellte seinen Buckel auf‘, wie der Vater sagte, wie wenn ihm das von allem helfen könnte. Manchmal brachte das verstockte und scheue Wesen Anderls den Vater freilich so in Wut, dass er ihn schlug, bis ihm der Arm wehtat. Allerdings weinte der Bub auch da nicht, er kroch nur hinauf in die Kammer zur Nann, setzte sich neben die Wiege, und indem er diese sanft in Bewegung setzte, erzählte er dem kleinen Diandl alles, was ihn drückte, wie’s ihnen ging, ja er redete sich oft in eine ganz blutrünstige Stimmung hinein und sprach vom Erschlagen und Erschiessen.

      Die Kammer, in der die kleine Nann mit der Juli schlief, war überhaupt eine Zufluchtsstätte für die beiden Kinder. Wollten sie dem Vater aus dem Weg gehen, weil er seinen Zorn hatte, so liefen sie über die Stiege in die Kammer, denn da waren sie sicher vor ihm, dahin kam er niemals. Manchmal versuchte die Juli, die kleine Nann ins Freie zu bringen, aber dann musste sie wie gejagt vorauslaufen, wenn der Vater in Sicht war, und nicht nur das Kind, sondern auch die Wiege mit fortnehmen, denn gerade der Anblick der Wiege versetzte ihn in die fürchterlichste Wut. Er stiess sie um, dass die Bettstücke nur so flogen, im Haus krachten dann die Türen, und die Kinder verkrochen sich.

      Die kleine Nann aber gedieh in der Atmosphäre von Zorn und Zank und Zittern und Angst. Wie eine Blume blühte sie in der Kammer auf. Weiss und rot, die feinen Härchen in lauter Ringeln über der Stirn. Die Malseinerin konnte sich nicht genug wundern, wie das Kind gedieh, wenn sie manchmal auf ein Viertelstündchen heraufkam. Gewöhnlich brachte sie Hansi mit, der immer sehen wollte, ob denn die Nann noch nicht laufen könne.

      Wenn die Malseinerin hereinkam, ging der alte Anderl gewiss zur Türe hinaus. Was hatte denn jemand von Malsein da heroben zu tun? Nur des Mahnens zur Arbeit halber kam die Malseinerin nicht. Ihre Reden schmeckten ihm schon gar nicht, die konnte es noch besser wie der Pfarrer. Jedesmal wusste sie etwas andres. Einmal, dass er Moidl wieder nehmen müsse.

      „Aha, sie wird dir z’viel,“ lachte er höhnisch.

      „Na, nit weil sie mir z’viel ischt, aber weil sie da zu wenig ischt. Siehscht es du nit, dass die Juli si’ zu Tod schindet, kannst du das anschaug’n?“

      Ein andermal sagte sie ihm, er hätte die Pflicht, nachzusehen, man höre nichts Gutes von Kathl, die in Patsch einen Dienst gefunden.

      „Geaht mi niacht an und geaht di niacht an,“ fertigte er die Bäuerin ab. Aber als sie ihm gar damit kam, sie wollte heute die Nann mitnehmen und ganz bei sich behalten, da fuhr er sie wütend an: „Unterschteah di! Überhaupt, du bleischt draussen aus mei’m Haus; i will di nimmer sehg’n!“

      Die sonst so resolute Bäuerin ging, ganz erschrocken über sein wüstes Aussehen.

      Von nun an traf sie Juli nur heimlich, tröstete sie: „Schau, wenn er wieder auf Arbet geht, werd’s besser,“ oder sie steckte ihr heimlich etwas zu.

      Das Heu war eingebracht, sie hatten viel in diesem Jahre bekommen, im Feld war das Nötigste getan, aber der Alte ging noch immer nicht aus dem Hause. Die Arbeit drängte, die Leute schickten um ihn, er sass noch immer herum, suchte da und dort etwas auszubessern und zu flicken, es war, wie wenn ihn dies traurige Haus, in dem man keinen Morgen- und Abendgruss kannte und eines dem andern kein gutes Wort gönnte, gehalten hätte.

      Stundenlang konnte er vor dem Ofen sitzen und auf den Boden stieren, oder er begann ein Wandern vom Keller zum Speicher, vom Speicher zum Keller, durch alle Stuben, wie wenn er jemand suche. Juli hörte ihn oft laut reden dabei: ‚Narr, Narr, alter Narr!‘, oder sie sah, wie er mit den Armen um sich schlug, als wehre er jemanden ab. Der Vater, den sie bis jetzt nur gefürchtet hatte, wurde ihr jetzt unheimlich, und als sie ihn einst leise wie einen Dieb in die Kammer schleichen sah, in der die Nann lag, stürzte sie voller Schrecken nach:

      „Voda, was tust?“

      Der Vater stiess sie aber nur zur Seite und ging wieder zur Türe hinaus, ohne ihr zu antworten.

      Als sie ihn nun auch in der Nacht treppauf und treppab wandern hörte, sagte sie bei der Frühsuppe – freilich wurde sie blutrot dabei und wollten ihr die Worte nicht aus dem Halse –: „Wenn der Voda du’ auf die Arbet gang, i han koan Kreuzer mehr, und ’s Brot ischt aa gar.“

      Anderl duckte sich vor Schrecken zusammen, dass die Juli so etwas wagte, und meinte, jetzt würde der Vater aber zuschlagen. Doch der sass ganz still, starrte nur vor sich hin, wie wenn er nichts gehört hätte; nach kurzer Zeit sahen aber die Kinder, wie er sein Handwerkszeug zusammensuchte und in den Wochensack packte, wie er die Breithacke auf die Schulter nahm und talabwärts ging.

      Nun sollte es aber