Название | Die Ethologie der Hunde |
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Автор произведения | Raymond Coppinger |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954640911 |
Gene können eine tiefgreifende Auswirkung auf die Form des Tieres und sein daraus resultierendes Verhalten haben, während sie in einer variablen Umgebung interagieren. Gleichwohl kann sich zwar die sich entwickelnde Erscheinungsform eines Greyhounds im Laufe ihres Lebens auf vielfältige Weise verändern, sie wird jedoch nie zu etwas werden, das wie ein Dackel aussieht. Und kein Dackel wird je so schnell rennen wie ein Greyhound, ganz egal, wie sehr man auch seine Entwicklung und Fitness zu steigern versucht oder ihn trainiert.
Letztendlich sind es die genetisch vorherbestimmten Gesamtprofile, die einen Greyhound wie einen Greyhound oder einen Dackel wie einen Dackel ticken lassen. Was Ethologen verstehen möchten, ist, wie diese Form mit seiner sie umspannenden Biomaschine im Laufe der Evolution entstanden ist, wie sie sich über die Lebenszeit hinweg zu entwickeln vermag und wie sie die adaptiven Bewegungsmuster ermöglicht, aus denen Verhalten besteht.
Was Hunde nicht antreibt: Ein paar mahnende Worte zur Vorsicht
Für Ethologen, die wissenschaftliche Hypothesen über die Natur des Verhaltens formulieren und testen möchten, sind Hunde großartige Versuchstiere. Sie sind allgegenwärtig, leicht zu beobachten und die Arbeit mit ihnen macht meist Spaß. Wir finden aber, dass sie uns darüber hinaus auch noch eine Reihe von Beispielen dafür liefern, wie man eben nicht an das Thema herangehen sollte. Ehe wir uns eingehender damit befassen, wie man Verhalten - was ein Tier zum Ticken bringt - beschreiben und erklären kann, ist es sicherlich hilfreich, wenn wir einen Schritt zurückgehen und einige gängige Vorstellungen (man könnte sie auch Mythen nennen) über Hunde untersuchen, insbesondere solche, die uns in die Irre führen könnten.
Der beste Freund des Menschen?
Viele Menschen begnügen sich damit, den Charakter und das Verhalten von Hunden damit zusammenfassen, dass sie sich auf den alten, abgenutzten und wahrscheinlich irreführenden Aphorismus berufen, Hunde seien des Menschen bester Freund – sie hätten eine starke, spezielle Bindung zum Menschen und ihr eigentliches Wesen mache sie treu und ergeben. (Natürlich sind es nicht nur „Hundemenschen“, die den Anspruch auf des Menschen besten Freund erheben: Pferdeliebhaber glauben zweifellos, das Pferd verdiene diesen Titel).
Dieses Bild wird durch unsere Alltagskultur und in den Massenmedien ständig bestätigt. Wir alle kennen Beispiele, die das Image des Hundes als geliebter, menschenähnlicher Freund bedienen. Die meisten von uns schrecken entsetzt bei der Vorstellung zurück, unsere Hundefreunde als Nahrungsquelle zu nutzen (obwohl einige Kulturen Hundefleisch essen, und andere auch Pferdefleisch toll finden). Vielmehr wenden wir jedes Jahr Milliarden an Dollar auf, um diese in Hundefutter anzulegen. Eine Menge Hunde scheint mit den Menschen so komfortabel und glücklich zu leben, dass es nicht verwundert, wenn wir sie als beste Freunde betrachten.
Wir geben allerdings zu bedenken, dass diese sentimentale Betrachtungsweise der hündischen Verhaltensnatur ziemliche Schwachstellen aufweist und uns im Verständnis, warum Hunde sich tatsächlich so verhalten, wie sie es tun, nicht weiterhilft. Tatsächlich ist das Verhältnis von Mensch zu Hund nicht immer nur ein Zuckerschlecken. Es gibt zahllose Problem-hunde, die alles andere als gute Freunde des Menschen sind. Es hat sich ein immenser, aus Hundetrainern und -psychologen bestehender Wirtschaftszweig entwickelt: Diese versuchen, unerwünschtes Verhalten und Wesensmerkmale zu beheben, indem sie eine Fülle an modernen Techniken und Arzneimitteln zur Verhaltensänderung einsetzen. Zu dieser „Neuen Revolution“ in der Hundeerziehung sind eine Menge Bücher erschienen. Was aber den fünf Millionen Hunden nicht geholfen hat, die jedes Jahr in Tierheimen enden oder eingeschläfert werden, weil sie nicht erzogen werden können oder als gefährlich eingestuft werden. Es lässt auch nichts von den 17 Prozent der Hunde ahnen, die von Tierärzten wegen mitunter schwerwiegender Verhaltensprobleme behandelt werden. Tatsächlich sind Hundebisse quasi zu einer Epidemie geworden – wir sind versucht, sie als eine weltweite Pandemie zu bezeichnen. Alleine in den Vereinigten Staaten ist die Bissrate auf 536 Bisse pro Stunde gestiegen – etwa 4,7 Millionen Hundebisse im Jahr. Etwa achthunderttausend der gebissenen Menschen benötigen medizinische Versorgung und sechstausend müssen stationär aufgenommen werden: Mitunter heißt es, Hundebisse seien die Volkskrankheit Nummer zwei in diesem Land (den USA).
Von der mutmaßlich fast einer Milliarde an Hunden auf der Welt ist zudem nicht einmal ein Viertel tatsächlich das, was die Weltgesundheitsorganisation als „vom Menschen abhängig und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt“ bezeichnen würde. Mehr als 750 Millionen weitere Hunde leben auf Straßen und Müllhalden und ernähren sich von menschlichen Exkrementen - und gelegentlich auch einem Leichnam. Diese freilaufenden Hunde, die unabhängig von einem Besitzer (oder „besten Freund“) auf den Straßen der Großstädte und am Rande ländlicher Ortschaften leben und sich fortpflanzen, sind der Hauptgrund der weltweit um die fünfundsiebzigtausend tollwutbedingten Todesfälle im Jahr. Noch während wir dies schreiben, ist eine neue Tollwutepidemie in der Republik Kongo ausgebrochen. Des Menschen bester Freund – in der Tat!
Anthropomorphismus (Vermenschlichung)
Warum hält sich diese sentimentale Vorstellung bloß so hartnäckig? Zum Teil wohl deshalb, weil wir Menschen einen unglaublich starken Hang dazu haben, uns die Welt zu erklären (oder zu glauben, dass wir sie uns erklären können), indem wir unsere menschliche Sichtweise auf so gut wie alles anwenden. Wir neigen stark dazu, Tieren und deren Verhalten, Naturereignissen wie Stürmen oder gar unbelebten Objekten wie Autos menschenähnliche Eigenschaften zu unterstellen. Das ist purer Anthropomorphismus, der Drang, allen Dingen (worauf der griechische Wortursprung hindeutet) eine menschliche Gestalt zu geben. Es ist eine beharrliche und mächtige Weltanschauung, die zutiefst in unserer Psyche verwurzelt zu sein scheint. Für ein kleines Kind kann eine Stoffpuppe oder eine Action-figur aus Kunststoff genauso real und menschenähnlich erscheinen wie seine echten menschlichen Freunde. Sie zu bewegen und sprechen zu lassen erscheint Kindern absolut einleuchtend. Auch Erwachsene sind dagegen nicht gefeit. Sind wir nach einer langen und anstrengenden Autofahrt durch einen Schneesturm sicher zu Hause angekommen, klopfen wir dem Auto auf die Motorhaube und sagen zu ihm: „Gut gemacht!“ Wenn Computer oder Küchengeräte ihren Dienst versagen, verfluchen wir sie, treten nach ihnen und beschwören sie, sich anständig zu verhalten. Im weitesten Sinne ist das auch der Grund, weshalb wir Uhrwerksautomaten als für so lebensecht befinden können.
Wenn man uns auf den Zahn fühlt, werden wir natürlich zugeben, dass diese Art von Maschinen nicht wirklich auf unser Tun reagiert. Wir wissen, dass sie uns nicht wirklich verstehen (oder lieben), auch nicht, wenn wir sie weiterhin so behandeln, als ob dem so wäre. Da ist natürlich wenig an einem Auto oder einem Computer, das wirklich „wie wir“ wäre, aber es fällt uns sehr schwer, nicht zu glauben, sie könnten vielleicht doch so sein. Manche glauben, dieser Impuls stamme aus einem tiefen psychischen Bedürfnis in uns, das Wertschätzung und Vertrautheit auf Dinge projiziert, die wichtig für uns sind. Was auch immer die Erklärung sein mag: Anthropomorphismus ist vorwissenschaftliches, mythologisches Denken – etwa von der Art, das Frühmenschen dazu brachte, sich einen Vulkanausbruch zu erklären, indem sie seinen Ausbruch als Zorn eines personifizierten Gottes deuteten.
Besonders leicht fällt es, Tiere zu vermenschlichen, die uns in gewisser Hinsicht tatsächlich ähneln. Es geht wohl etwas zu weit, ein Spiegelbild unser selbst in einer Tarantel oder einer Meeresschnecke sehen zu wollen. Aber gar nicht so weit hergeholt scheint es, einen Säuger wie einen Hund mit Körperteilen (Haaren, vier Gliedern und Brustwarzen) und Prozessen (Geburt, die Aufzucht von Nachkommen), welche unseren eigenen ziemlich ähneln, mit „Menschengestalt“ zu belegen. Besonders leicht scheint es, Tiere zu vermenschlichen, die in einer besonders engen Beziehung zu uns leben. Daher geben wir unseren Hunden (und Katzen und Sittichen und Pferden – jenen anderen Anwärtern für „bester Freund des Menschen“) menschenähnliche Namen, reden mit ihnen, als würden wir echte Unterhaltungen mit ihnen führen und stricken ihnen Pullover. Wir wollen glauben, Tiere hätten so etwas wie menschliche Gedanken und Gefühle. Wir lieben den Gedanken, dass ein Hund tatsächlich, wie Darwin selbst es einmal ausgedrückt hat, so etwas wie „starke Freundschaft“ empfinden möge, sei es für uns oder