Die Ethologie der Hunde. Raymond Coppinger

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Название Die Ethologie der Hunde
Автор произведения Raymond Coppinger
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783954640911



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werden als durch jede andere Verhaltenswissenschaft.

       Gordon M. Burghardt

      Quellen:

      Burghardt, G.M. (1966). Stimulus control of the prey attack response in naive garter snakes. Psychonomic Science 4:37-38.

      Coppinger, R.P. und Smith, C.K. (1989). A Model for understanding the Evolution of Mammalian Behavior. In Current Mammalogy, ed. H. Genoways, 2:335-74. New York, Plenum.

      Darwin, C. (1859): On the Origin of Species by Means of Natural Selection. London, Murray.

      Darwin, C. (1871): The Descent of Man and Selection in Relation to Sex. London, Murray.

      Darwin, C. (1872): The Expression of the Emotions in Man and Animals. London, Murray.

      Lorenz, K. (1954): Man Meets Dog. London, Methuen. (Dt.: So kam der Mensch auf den Hund).

      Romanes, G. J. (1883): Mental Life of Animals. London, Kegan, Paul, Trench, Trübner & Co.

       KAPITEL 1

       WAS MACHT HUNDE AUS?

      In diesem Buch geht es um das Verhalten von Tieren, insbesondere darum, was Hunde und andere Caniden (wie Wölfe oder Kojoten) in ihren Bewegungen und Handlungen „antreibt“, was ein Lebewesen wie der Hund eigentlich tut und wie und warum er das tut, was er tut. Wir wollen die Kräfte und Mechanismen verstehen, die einen Hund zu seinen Bewegungen und Handlungen in der Welt antreiben, die ihn „ticken“ lassen: Warum Border Collies hinter Schafen herjagen, Herdenschutzhunde dies jedoch nicht tun; warum Greyhounds gute Rennhunde werden, Dackel aber nicht; warum sich ein neugeborener Welpe anders benimmt als ein erwachsener Hund.

      Für uns als Ethologen – Wissenschaftler, die die biologischen Grundlagen des Verhaltens systematisch untersuchen – ist die Vorstellung eines „angetriebenen“ oder ähnlich einem Uhrwerk „tickenden“ Lebewesens mehr als nur eine clevere Metapher. Eine Maschine funktioniert, indem sie Energie in Bewegung umsetzt. Auch das Verhalten eines Hundes resultiert, wie bei jeder Maschine, aus der Umwandlung von Energie in Bewegungsmuster (und im Falle von Lebewesen letztendlich in Nachkommen). Die Bauart einer Maschine, die Form und Anordnung ihrer Einzelteile und wie sie zu der Energie kommt, die sie zum Funktionieren benötigt - all das bestimmt, was sie tun wird und setzt ihren Fähigkeiten Grenzen. In diesem Buch möchten wir Sie auffordern, einmal aus einem ähnlichen Blickwinkel über Hunde und andere Tiere nachzudenken.

      Vielleicht entgegnen Sie nun sofort und wildentschlossen, dass ein Hund nun wirklich kein Aufziehspielzeug sei. Sicherlich sind viele von uns davon überzeugt, dass Hunde Persönlichkeiten und Wünsche besitzen, die man niemals einer Maschine zuschreiben würde. Es stimmt wahrscheinlich sogar tatsächlich, dass Hunde und andere Tiere einen „Verstand“ haben, der dem unseren zumindest ähnelt. Dies ist eine spannende Perspektive - beliebt bei den Medien und das Kernthema eines als „Kognitive Ethologie“ bekannt gewordenen neuen Forschungsgebiets. Wir werden uns einige dieser Arbeiten in einem späteren Kapitel näher anschauen, werden aber in diesem Buch nicht oft auf kognitive Erklärungsansätze zurückgreifen. Unser Ziel ist vielmehr, zu schauen, wie viel wir vom Standpunkt der „traditionellen“ Ethologie aus vom Warum und Wie des tierischen Verhaltens verstehen können: Indem wir überlegen, wie die Körper von Lebewesen aufgebaut sind und wie die Form dieser lebendigen Maschinerie die in ihrem Leben so wichtigen Bewegungs- und Aktivitätsmuster bestimmt.

      Seit der Darwinschen Revolution haben praktisch alle Biologen – und die meisten nachdenkenden Menschen – verstanden, dass alles Leben auf der Erde über ein evolutionäres Netz miteinander verbunden ist, das sich über Millionen von Jahren erstreckt. Die unzähligen Eigenschaften der „biologischen Maschinen“ – die Zellen, Gewebe und Körperteile und die Prozesse, die sie zusammenhalten – sind das Ergebnis evolutionärer Kräfte, die diejenigen genetischen Funktionsweisen gestaltet und umgestaltet haben, die letztendlich dafür verantwortlich sind, Energie in gezielte Aktivität umzuwandeln. Darwins großartiger Gedanke war es, dass die Evolution durch natürliche Auslese, die vorteilhafte Spielarten begünstigt, zu Anpassungen führt, die ein Tier befähigen, mittels Fressen Energie zu gewinnen, Katastrophen (wie gefressen zu werden) zu vermeiden und sich fortzupflanzen. Die zentrale Erkenntnis der Ethologie ist, dass das Verhalten eines Tieres genau wie die organischen Bestandteile, welche die körperliche Form einer biologischen „Maschine“ ausmachen, selbst ein Produkt der Anpassung an diese evolutionären Kräfte ist.

      Auch wenn Tiere in gewisser Hinsicht tatsächlich wie Maschinen sein mögen, so versteht es sich doch von selbst, dass sie keine einfachen mechanischen Geräte sind. Sicherlich ist zum Beispiel das Gehirn ein entscheidender Bestandteil der Biomaschine, das bei höheren Lebewesen wie Hunden (und uns) Verhaltensweisen bewirkt und vermutlich gehört das Gehirn von Wirbeltieren zu den wohl komplexesten Dingen auf Erden, wenn nicht gar im ganzen Universum. Es gibt vierhundert Milliarden Sterne in der Milchstraße – und sechzig Billionen Nervenverbindungen in einem menschlichen Gehirn. Das Gehirn eines Hundes ist nicht ganz so galaktisch groß, aber es ist trotzdem ein beeindruckend komplexes Organ – und es ist bloß ein Teil einer kompliziert aufgebauten Biomaschine. Ohne Knochen und Eingeweide, Haut und Muskeln, Augen und Ohren und andere Organsysteme – alles Produkte der tierischen Gene, geformt durch die Evolution – kann ein Tier wie ein Hund Energie nicht gezielt in effiziente Bewegung umwandeln. Somit muss das Verhalten eine Konsequenz aus der gesamten tierischen Erscheinungsform sein, der komplexen Gesamtheit im Zusammenspiel genbestimmter Mechanismen.

      Trotzdem hat die Ansicht, Tiere seien nur so etwas wie einfache Maschinen, eine lange Tradition in der Geistesgeschichte. Vor einigen Jahrhunderten stellte der Philosoph René Descartes seine berühmte These des Dualismus auf: Er argumentierte, dass „Körper“ und „Geist“ zwei voneinander verschiedene Dinge seien, von denen keines auf das andere reduzierbar sei. In seinen Augen besaß der Mensch beide Eigenschaften. Nichtmenschliche Lebewesen dagegen, beharrte Descartes, seien im Prinzip wie geschickt konstruierte Uhrwerke, die nur einen mechanischen Aufbau besäßen und keinerlei „Seelenmaterie“. Wir werden diese seit Jahrhunderten geführte und bis heute andauernde philosophische Debatte über das Verhältnis zwischen Körper und Geist hier nicht weiter verfolgen. Aber es ist lehrreich, sich darüber Gedanken zu machen, wie Descartes dazu kam, Tiere durch die metaphorische Brille eines tickenden Uhrwerks zu betrachten und wie diese Sichtweise uns vielleicht dabei helfen kann, Verhalten besser zu verstehen.

      Uhren sind Maschinen, die Zeit anzeigen, wozu erfinderische Menschen eine unglaubliche Menge von Wegen gefunden haben. Sonnenuhren zeigen den Verlauf der Zeit mittels eines Schattens an, der im Verhältnis zum Stande der Sonne am Himmel steht. Kerzenuhren, Wasseruhren oder Sanduhren tun dies über den Verbrauch verschiedener Materialien in vorhersehbarer Rate. Diejenigen mechanischen Uhren, die im Mittelalter aufgekommen und zu Descartes Zeit deutlich verfeinert worden waren, arbeiteten nach einem anderen Prinzip: Diese Geräte übertrugen mechanische Bewegung (das Schwingen eines Pendels oder die Verformung einer Feder, die ein Schwungrad antrieb) in Fortbewegung. Darüber hinaus entdeckten frühe Uhrmacher und andere Tüftler bald, dass deren komplizierter Mechanismus noch zu viel mehr in der Lage war, als nur die Zeit anzuzeigen – er konnte weitere komplexe Bewegungen auf vielfältige Weise auslösen. Erfinder des achtzehnten Jahrhunderts stellten demzufolge mit Vergnügen erstaunliche Automaten her, maschinelle Uhrwerke, die wie realistische Modelle von Menschen oder Tieren anmuteten und welche nachahmen konnten, wie Liebende sich küssten, wie Soldaten Waffen abfeuerten, oder wie Hunde ihren eigenen Schwanz jagten. Ihre Maschinen konnten scheinbar auf unheimliche Weise, jedoch in wundersam wiederkennbarer Art agieren – und bestanden doch nur aus Zahnrädern, die andere Zahnräder bewegten, aus Drähten, die Teile an ihren Platz zogen und schwingenden Pendeln, die sie wieder fortbewegten. Die Tradition – nun verbessert durch hochentwickelte digitale Rechengeräte – setzt sich heute in den animatronischen Robotern fort, wie man sie in Vergnügungsparks auf der ganzen Welt findet. Über die Jahrhunderte hinweg haben zahllose Zuschauer über diese verblüffenden, sich selbst bewegenden Maschinen gestaunt: „Wie lebensecht sie sind!“