Название | Die Ethologie der Hunde |
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Автор произведения | Raymond Coppinger |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954640911 |
In unserem Forschungsprogramm für Ethologie und Kognitionswissenschaften am Hampshire College in Amherst, Massachusetts, entwickelten wir einen anderen Ansatz. Wir hatten gehört, dass Hirtenvölker auf der ganzen Welt Haushunde nutzten, um zu verhindern, dass ihre Herdentiere gerissen wurden. Beinahe überall – außer in den Vereinigten Staaten – setzten die Völker schon seit Urzeiten diese „speziellen“ Wachhunde ein, deren einzige Aufgabe darin bestand, die Nutztiere vor Raubtieren zu schützen – und zwar vor allen, von Löwen und Leoparden bis hin zu Schakalen und Pavianhorden. In einigen Mittelmeerländern setzten Hirten Hunde ein, um ihre Tiere vor vertrauteren Feinden wie Wölfen oder Bären zu schützen oder sogar vor streunenden Hunden, die auch hierzulande oder in Europa eine erhebliche Bedrohung für die Herden darstellen. Mancherorts werden Hunde auch zum Schutz vor Schafsdieben eingesetzt.
Wie nun konnte dieses System funktionieren? Was hat es auf sich mit diesen Hunden, die Fressfeinde abhalten können? Welches Verhaltensmerkmal ist notwendig, damit ein Hund friedvoll mit einem Schaf zusammenleben kann? Würde dies in den Vereinigten Staaten ebenfalls funktionieren - zum Schutz von Nutztierbeständen in Gegenden, in denen Raubtiere wieder angesiedelt worden waren? Im Rahmen unserer Untersuchungen von Herdenschutzhunden kamen wir in der ganzen Welt herum. Wir fanden Länder von Portugal über Italien und die Türkei bis hin zu Tibet, in denen es eine oder mehrere „Landschläge “ von Arbeitshunden gibt (örtlich vorkommende, natürlich angepasste Hundevarietäten), die manchmal voller Stolz als „Rasse“ (absichtlich „gestaltete“ Produkte künstlicher Selektion) bezeichnet werden. Schriftlichen Aufzeichnungen zufolge setzen die Völker dieser Kulturen solche Landschläge an Herdenschutzhunden bereits seit mehreren tausend Jahren ein.
Um etwa 1930 begannen auch einige Hundeliebhaber in Amerika und Europa welche zu züchten – aber eher als Haustiere und Hausbewacher denn als arbeitende Herdenschutzhunde. Wir dagegen wollten die originalen, „natürlich“ vorkommenden Arbeitshunde studieren, ehe Züchter ihrer habhaft geworden waren, um herauszufinden, wie sie ihre Arbeit denn tatsächlich verrichteten. Waren sie tatsächlich erfolgreich bei der Abschreckung von Angreifern oder gehörte dies auch nur in den Bereich der unverwüstlichen Mythologie, wonach Hunde des Menschen beste Freunde sind, immer glücklich und eifrig unseren Befehlen gehorchend? Und wenn sie tatsächlich Erfolg hatten, wie arbeiteten sie? Besonders fasziniert waren wir angesichts der Tatsache, dass viele Haushunde Schafe und andere Herdentiere hetzen oder sogar töten, und das allem Anschein nach rein aus Spaß.
Unser drittes Studientier war der Border Collie, ein Hütehund (oder Koppelgebrauchshund) mit einer ganz anderen Aufgabe: Border Collies sollen das Ziehen großer Schafherden leiten können, indem sie die Kommandos umsetzen, die der Schäfer ihnen erteilt. Diese Aufgabe ist eine enorme Herausforderung für jedes Tier, und kein anderer Hund wird so großflächig dafür eingesetzt, um die kleinsten Bewegungen der Herden zu steuern. Ihr Können (in Kooperation mit einem pfiffigen Schäfer) ist legendär, und wer jemals einen Hütehundwettbewerb verfolgt hat, der wird das offensichtlich erforderliche Geschick und die Reaktionsfähigkeit auf menschliche Kommandos hin anerkennen. Was macht Border Collies dafür geeignet, diese Aufgabe zu erfüllen und diese Art von Arbeit zu verrichten? Ist es das Ergebnis mühevollen Trainings? Oder ist es ihrer natürlichen Intelligenz geschuldet (sie werden manchmal als einige der „klügsten“ Hunde angesehen)? Oder sind ihre Fähigkeiten ein intrinsisches Verhaltensmerkmal dieser Rasse?
Zu Beginn unserer Untersuchungen über Herdenschutzhunde wurden wir regelmäßig gefragt, ob man diese Hunde auch zum Hüten und Arbeiten wie Border Collies ausbilden könnte. Damals kannten wir die Antwort noch nicht – aber es war eine spannende Frage für Ethologen und ihre Schüler. Wie entstehen diese beiden unterschiedlichen Arbeits-Verhalten? Gibt es Grenzen dafür, was ein bestimmter Hundetypus kann? Das war Wissenschaft vom Feinsten: Neben der Beobachtung des Arbeitsverhaltens in der Praxis konnten wir auch sorgfältig überwachte Experimente anstellen, um diesen Fragen nachzugehen. Wir konnten zum Beispiel Welpen jeder der Typen, die für eine bestimmte Aufgabe herangezüchtet worden war, „quer-aufziehen“: Jede Art konnte in der Umgebung der jeweils anderen aufgezogen werden, und im Hüten und Beschützen gleichermaßen ausgebildet werden.
Das war ein Traumunterfangen. Wir (eine Gruppe von Hampshire College Studenten und ihre Professoren) reisten zu den großen Schafweidegründen am Mittelmeer und in Asien, mit dem Ziel, einen Grundstock für die Zucht von Hunden mitzubringen, mit denen man eine zur systematischen Beobachtung auf Farmen in den Vereinigten Staaten sowie in unseren Laboren ausreichend große Population hervorbringen konnte. Wir holten Herdenschutzhundewelpen aus der Türkei, Jugoslawien und Italien, wobei wir besonders darauf achteten, dass die Welpen aus diesen Ländern möglichst am selben Tag geboren waren, damit wir nicht nur die Kontrolle über ihre Lebensbedingungen, sondern auch bei deren Aufzucht und Ausbildung hatten.
Auf dem Heimweg machten wir Halt in Schottland, besuchten Hütehunde-Wettbewerbe, sprachen mit Verkäufern und Farmern und kauften letztendlich sechs Hunde aus deren Bestand, von denen vier am selben Tag wie die bereits von uns erstandenen Welpen von Herdenschutzhunden geboren worden waren.
Abb. 5: Diese sechs Wochen alten Welpen wurden alle am selben Tag geboren. In diesem Alter sind sie alle gleich groß. Wie viele Herdenschutzhunde erreichen auch Maremmanos (weiß) um die achtzig bis einhundert Pfund, während Border Collies (schwarz) nur bis zu fünfunddreißig Pfund schwer werden. Foto: Lorna Coppinger
Im Laufe der Jahre konnten wir aus den Datensammlungen aus unserem Labor und von den Farmern, mit denen wir zusammenarbeiteten, eine ganze Menge darüber lernen, wie sich „Natur“ und „Erziehung“ auf das Verhalten dieser Hunde auswirkten. Im weiteren Verlauf dieses Buches werden wir auch noch darüber sprechen, was genau wir aus vielen verschiedenen Blickwinkeln her betrachtet über all diese Hundespielarten herausgefunden haben. Nun aber möchten wir kurz einen näheren Blick auf eine kleine Beobachtung zum Verhalten eines Herdenschutzhundes „in der Praxis“ werfen und dann schauen, wie Ethologen darangehen, dies zu beschreiben und zu erklären.
Herdenschutzhunde in den Abruzzen
Unsere erste Aufgabe bestand darin, Herdenschutzhunde in Aktion zu finden und ihr Verhalten in natürlicher Umgebung zu beschreiben. Wir mussten eine brauchbare Definition von „die Herde schützen“ entwickeln, damit wir dazu Beobachtungen anstellen und diese vergleichen konnten. Wir wollten verstehen, wie die Hunde überhaupt mit einer Schafherde interagieren und wissen, ob ihre Fähigkeit zur friedvollen Koexistenz mit der Herde eine genetisch bedingte, intrinsische Eigenschaft ihrer Rasse oder aber das Ergebnis ihrer Ausbildung war. Und für die anstehende Aufgabe war auch wichtig zu wissen, ob es wahrscheinlich war, dass Herdenschutzhunde einen die Herde bedrohenden Angreifer töten würden. Schließlich neigen Menschen dazu, „Schutzhunde“ (wie knurrende Deutsche Schäferhunde an den Zäunen eines Gefängnisgeländes) für so große und wilde Tiere zu halten, dass sie in der Lage sind, Wölfe oder Bären zu töten. Wenn an der ganzen Sache etwas dran sein sollte, dann würden diejenigen von uns, die auf der Suche nach einer friedlichen Methode der Raubtierkontrolle waren, diese Hunde ganz sicher nicht dafür einsetzen wollen – der Sinn der Übung lag ja darin, eine Methode zur Abwehr von Angriffen zu finden, die den Angreifer zwar abschreckte, aber unversehrt ließ.
Die Abruzzen im östlichen Mittelitalien sind ein großartiger Ort, um dieses interessante biologische System vor Ort genau unter die Lupe zu nehmen (außerdem war es ein Traum von Forschungsgebiet, weil man in Italien fantastisches Essen bekommt – etwas, das jeder Ethologe bei der Auswahl des Gebietes für sein Forschungsprojekt vor Ort berücksichtigen sollte). Wie in beinahe jeder traditionsgeprägten ländlichen Umgebung findet man auch in den