Zimmer mit Mord. Группа авторов

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Название Zimmer mit Mord
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783870623432



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Er zuckte zusammen. Er konnte sich nicht erinnern, wann Elvira zum letzten Mal das Wort direkt an ihn gerichtet, seinen Namen ausgesprochen hatte. Er sprang auf, eilte zu ihr. »Was, meine Liebe, was kann ich für dich tun?«

      »Ach, Adam, du guter, guter Mann«, hauchte sie. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich dir sehr dankbar bin. Du tust so viel für mich, all das hier! Und ich kann fühlen, dass etwas Großes bevorsteht.« Sie griff nach seiner Hand und presste sie kurz auf ihr milchweißes Dekolleté. »Spürst du, wie aufgeregt mein Herz pocht?«

      Adam spürte es. Ihr Herz. Und auch seines, außerdem eine andere körperliche Regung, nicht unangenehm. Es war ewig her, dass sie ihm eine derart intime Geste gewährt hatte.

      »Ich würde nun gern ein wenig ruhen, mein lieber Adam«, flüsterte sie. »Wenn du mich für eine Weile allein lassen könntest?«

      »Natürlich, meine Liebste.« Adam führte zärtlich ihre feingliedrige Hand an die Lippen, küsste sie sanft und verließ dann den Raum.

      Zu seiner Freude fand er Monsieur Gisbert an der Rezeption vor. »Adam, mein lieber Freund! Haben Sie sich gut eingerichtet? Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«

      »Ganz wunderbar«, erwiderte Adam. »Es gibt tatsächlich nur eins, das mir zum Glück noch fehlt …« Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn Anna, das Mädchen, stand plötzlich da, in der Hand ein Tablett, auf dem sich eine Karaffe nebst zwei Cognacschwenkern befand. »Ich dachte, die Herren möchten vielleicht eine Erfrischung zu sich nehmen.«

      Adam sah sie verwundert an. Ein Cognac war genau das, was er sich gerade hatte wünschen wollen. Der Concierge nickte Anna wohlwollend zu und lächelte. Dann schenkte er großzügig ein. Sie stießen an. Der Cognac brannte angenehm in Adams Kehle. Als Gisbert ihm die Schachtel mit den Zigaretten hinhielt, griff er dankbar zu. Er gab sich einen Moment dem Wohlbehagen hin. »Es tut gut, hier zu sein«, sagte er dann, um das Schweigen zu brechen. »Aber sagen Sie, lieber Gisbert, was hat es denn nun auf sich mit der geheimnisvollen Kiste?« Nicht, dass es ihn sonderlich interessierte, er hatte andere Dinge im Kopf. Aber es schien ihm ratsam, das Gespräch zunächst in unverbindliche Bahnen zu lenken.

      Gisbert winkte ab. »Ach, Plunder. Ägyptischer Plunder, nichts von Interesse wahrscheinlich.« Er zögerte. »Sie wissen ja, wie verrückt die Europäer nach diesem Zeug sind. Ich persönlich halte es offen gestanden für eine Schande, dass man eine so außerordentliche Kultur entwürdigt, indem man fragwürdige Artefakte an sammelwütige Möchtegern-Wissenschaftler verramscht.« Er schüttelte missbilligend den Kopf. »Bleibt zu hoffen, dass ein solches Schicksal anderen Hochkulturen erspart bleibt. Nicht auszudenken, dass der Schatz von Karthago …«

      Adam konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Geschichte war immer Gisberts Steckenpferd gewesen. Schon in seiner Jugend hatte er so lebhaft über Hannibal und Alexander den Großen referieren können, dass Adam ihm einst sogar vorgeschlagen hatte, doch einmal einen Roman über historische Begebenheiten zu verfassen. Natürlich hatte Gisbert lachend abgewinkt. Ein zu windiges Geschäft sei diese Schreiberei doch, zudem furchtbar brotlos. Heute schien ihm der Sinn aber nicht nach historischen Exkursen zu stehen, denn er schwieg, zündete sich eine weitere Zigarette an und musterte Adam nachdenklich. »Ich möchte nicht indiskret sein, mein lieber Freund …«, murmelte er. »Aber gestatten Sie mir bitte die Frage – was ist es, das Sie so bekümmert?«

      Adam spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. »Ist es … so offensichtlich?« Er trank einen großen Schluck Cognac.

      Gisbert schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Nun, ein guter Concierge muss ein feines Gespür für die Befindlichkeiten seiner Gäste haben. Und es ist nicht zu übersehen, dass die Comtesse sich nicht in der allerbesten Verfassung befindet. Sie hat es auf der Brust, nicht wahr?«

      Adam seufzte. »Ja, ja. Das auch. Aber unser guter Hausarzt hat mir versichert, dass diesbezüglich kein Anlass zur Sorge besteht.« Er fing Gisberts zweifelnden Blick auf. »Nun, Frauen ihrer Wesensart sind nun einmal anfällig für derlei Leiden. Aber wir waren erst kürzlich in Davos. Die dortige Liegekur ist Elvira ganz ausgezeichnet bekommen; ihre Lunge hat sich vortrefflich erholt.«

      »Gut«, murmelte Gisbert zweifelnd. »Das ist gut.«

      Adam nickte beflissen. Dabei war der Aufenthalt in Davos möglicherweise der schlimmste Fehler gewesen, den er je begangen hatte. Denn dort hatte das Unheil ja seinen Lauf genommen. Dort war Elvira erst in Kontakt gekommen mit dem ganzen Hokuspokus.

      Gisbert schenkte Cognac nach.

      »Elviras Problem ist eher nervlicher Natur.« Adam zögerte. »Sie ist derzeit ein wenig überspannt.« Er trank einen großen Schluck. Verfluchte innerlich diese russische Hexe, dieses Medium, das Elvira in der Schweiz kennengelernt hatte.

      »Sie braucht viel Ruhe«, plapperte er weiter, während er nach Worten suchte, um Gisbert die Dinge zu erklären, für die er selbst kaum eine Erklärung hatte. Er hatte Elviras erwachendes Interesse für Spiritismus anfangs für eine typisch weibliche Grille gehalten. Darum hatte er ihr nach der Rückkehr aus Davos auch leichtfertig gestattet, mit einem weiteren Medium zu korrespondieren, es dann sogar zu sich einzuladen. Fräulein Matzbach war eine ältliche Dame von mindestens fünfzig, recht belesen, ein wenig verfressen, zuweilen sarkastisch. Aber ihre Gesellschaft schien Elvira wohlzutun. Darum hatte Adam sich weder an ihrer Anwesenheit im Hause noch an den täglich stattfindenden Séancen gestört. Bis Elvira sich zu verändern begann. Sie war stiller geworden, immer bleicher, hatte kaum noch einen Blick oder ein Wort für ihn gehabt. Wie eine Schlafwandlerin war sie durch die Villa geirrt, wenn sie nicht gerade sehnsüchtig seufzend am Fenster saß und mit leerem Blick ins Nichts starrte. Mit jeder Séance war es schlimmer geworden. Mit jedem Tag war Adams Sorge gewachsen. Und darum hatte er irgendwann beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.

      Wie aber hätte er Gisbert, seinem geschätzten Freund, von diesem Moment berichten können, an dem er vor der Tür des Salons gekauert und das Ohr ans Schlüsselloch gepresst hatte? Allein die Erinnerung führte dazu, dass eben dieses so heiß wurde, dass er unwillkürlich das Cognacglas dagegen drückte. Wie konnte er Worte finden für das, was er gehört hatte? Elviras Stimme und diese andere. Eine fremde Stimme, tief und sehr männlich, dazu absolut unerklärlich, befanden sich doch nur Fräulein Matzbach und Elvira im Salon. Allein der Gedanke, das wiederzugeben, was diese Stimmen geäußert hatten, trieb dem armen Adam die Schamesröte ins Gesicht. Elviras Seufzen, ihr verzücktes Säuseln. Ihren unsterblichen Geliebten hatte sie das geheimnisvolle Gegenüber genannt. Von verzehrender Sehnsucht gesprochen, den brennenden Wunsch nach körperlicher Vereinigung in unerhörten Details geschildert. Nein, es gab keine Worte für dieses Entsetzen und den Zorn, der ihn alsbald ergriffen hatte, als die Stimme die Liebesbeteuerungen seiner Gattin leidenschaftlich erwidert hatte. Dinge gesagt hatte, die jede verheiratete Frau empört hätte von sich weisen müssen.

      Nicht einmal dem guten Gisbert gegenüber brachte Adam es über sich, das auszusprechen, woran es doch keinen Zweifel geben konnte: Seine wunderbare, unschuldige Elvira war vom rechten Wege abgekommen. Und dass sie sich nicht nach einem anderen Mann verzehrte, sondern nach einem Geist, machte die Sache nicht wirklich besser.

      Adam griff nach dem Glas, das Gisbert erneut gefüllt hatte.

      Natürlich hatte er Elvira zur Rede gestellt. Sie war zusammengebrochen. Hatte schrecklich geweint. Sie wisse, dass er, Adam, sie liebe. Sie sei seine Frau, nehme ihr Eheversprechen ernst, hatte sie beteuert. Aber das, was sie da heimsuche, sei so stark, so mächtig, dass sie sich nicht wehren könne. Ein Wesen, das nicht von dieser Welt war. Eine Liebe, die sich den Zeiten enthob. Sie hatte von früheren Leben gefaselt, von Inkarnationen und diesem Gefährten, der sich in einer anderen Welt nach ihr verzehrte. Sie sei machtlos gegen sein Werben, zumal der Geist sie mittlerweile nicht nur in den Séancen berühre.

      An dieser Stelle hatte Adam das Gespräch abgebrochen. Er war aus dem Raum gestürmt, direkt ins Zimmer von Fräulein Matzbach, um sie zur Rede zu stellen. Das ältliche Fräulein hatte sich bestürzt gezeigt, aber lebhaft seine Unschuld beteuert. Sie sei ja nur, was sie eben sei – ein Medium, von daher nicht wirklich anwesend bei den Séancen, wenn sie in Trance falle, ihr Körper nurmehr ein Gefäß und eine Stimme für den