Zimmer mit Mord. Группа авторов

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Название Zimmer mit Mord
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783870623432



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weil Wasser allein den bitteren Geschmack des Giftes nicht verdeckt hätte. Jedoch …« Er unterbrach sich, ging zu dem am Boden liegenden Glas, hob es hoch und schnupperte daran. »Gin. Damit könnte es gelingen.«

      »Sie erstaunen mich, Monsieur Gisbert. Sie erstaunen mich wirklich. Sie scheinen auch ein solides Wissen über dieses Gift zu haben.«

      »Man tut, was man kann, gnädige Frau.« Monsieur Gisbert deutete eine Verbeugung an, ging dann auf die Knie und griff unter das Bett. Es dauerte einige Sekunden, bis er ein kleines Medizinfläschchen zutage förderte.

      Mrs. Christie nahm das Glas und roch ebenfalls daran. »Beefeater. Ohne Frage«, murmelte sie, roch erneut und nickte, wie um sich selbst zu bestätigen. »Doch darin ist kein Strychnin.« Sie reichte ihm das Glas zurück. »Was ist mit der Medizin?«

      »Die Flasche ist leer. Ein Stärkungsmittel.«

      »Ich frage mich, welchen Grund jemand haben könnte, eine alte Dame zu ermorden.«

      Mrs. Christie schlang die Arme um sich und ließ sie dann auf ihren Bauch gleiten. Sie fröstelte und blickte an sich herunter. Erst jetzt schien ihr aufzufallen, dass sie sich, mit nichts als einem Nachthemd bekleidet, alleine mit einem Herren im Zimmer befand.

      »Morgen früh sehen wir sicher klarer«, half ihr Monsieur Gisbert aus der Verlegenheit. Er zog den Schlüssel aus der Tasche, verschloss die Zwischentür und ging zur Tür. »Gehen Sie zu Bett, Madame Christie. In Ihrem Zustand brauchen Sie viel Schlaf.«

      »Woher wissen Sie von meinem Zustand, Monsieur Gisbert?« Mrs. Christie sprach leise, sah ihn aber sehr interessiert an. Der Concierge hob den Kopf und lächelte. Selbst die wenigen Stunden Schlaf hatten der jungen Frau gut getan. Sie sah erholter aus als noch am Vortag. Oder war es die Aufregung um den rätselhaften Todesfall, die etwas Rot auf ihre Wangen gebracht hatte? Er selbst war schon seit fünf Uhr früh wieder auf den Beinen, hatte sich um alles gekümmert. Der Bestatter und die Herren von der Polizei waren bereits wieder fort und hatten zur großen Zufriedenheit Monsieur Gisberts Frau Idelsbergers sterbliche Überreste diskret mit sich genommen, bevor die ersten Hotelgäste erwacht waren. Denn auch wenn einige Gäste Zeugen des nächtlichen Geschehens geworden waren, so hatten die meisten doch die Aufregung selig verschlafen, und das sollte auch so bleiben. Immerhin waren die Gäste zur Erholung hier und nicht, um Schauergeschichten zu erleben.

      »Durch Beobachtung, Madame Christie. Ich schaue mir die Menschen in meiner Umgebung genauestens an, füge einzelne Details zu einem Ganzen und komme dann zur Erkenntnis.«

      »Welche Beobachtungen haben in meinem Fall denn zur Erkenntnis geführt?«

      »Sie sind recht jung verheiratet. Beim Eintragen in das Hotelbuch haben Sie zunächst Ihre Unterschrift mit den Buchstaben »Mil« begonnen, dann aber durchgestrichen und mit Ihrem Ehenamen unterschrieben. Dann haben Sie sich sofort nach dem Essen niedergelegt und sehr viel geschlafen. Ihr geschärfter Geruchssinn. Die letzte Bestätigung gab mir Ihre Geste gestern Nacht, mit der Sie Ihren Leib geschützt haben. Eine typische Handbewegung, wenn Sie mir die Bemerkung verzeihen.«

      »Sehr gut, Monsieur Gisbert. Eine erstaunliche Beobachtungsgabe, nein: Lebenserfahrung für jemanden, der ähnlich alt wie ich ist.«

      Der Concierge lächelte bescheiden.

      »Auch wenn das sicherlich kein Thema zwischen einer englischen Dame und ihrem Gastgeber sein sollte, so haben Sie nicht nur recht, sondern geben mir auch Anlass zu Bewunderung und Hoffnung.«

      »Hoffnung? Worauf?«

      »Dass wir beide hinter das Rätsel von Frau Idelsbergers Tod kommen.«

      »Wir beide?« Monsieur Gisbert war für einen Augenblick sprachlos, was nicht sehr häufig vorkam.

      »Natürlich wir beide. Wir waren uns doch gestern Abend bereits einig, dass Gift im Spiel sein muss. Da stellt sich doch die Frage nach dem Warum und Wer ganz automatisch.« Mrs. Christies Wangen glühten nun vor Aufregung. Sie trat einen Schritt näher an den Empfangstresen und legte beide Hände flach darauf. »Wissen Sie, Monsieur Gisbert, ich habe mit meiner Schwester gewettet, dass ich es schaffe, einen Kriminalroman zu schreiben. Ich habe auch schon damit begonnen, aber der Funke springt noch nicht über. Mir fehlt die praktische Erfahrung zur Inspiration.«

      »Nun ja. Man muss nicht in der Pfanne gelegen haben, um über gebratenes Wild zu schreiben, denke ich.«

      »Nein.« Mrs. Christie lachte leise auf. »Aber es schadet sicher nicht, dem Koch beim Zubereiten über die Schulter zu schauen.« Sie schob die Schultern zurück und straffte sich. »Mein Mann wird erst heute Abend hier erscheinen. Ich habe also den ganzen Tag Zeit. Wie gehen wir vor?«

      Beinahe hätte Monsieur Gisbert erwartet, dass die englische Dame wie ein kleines Mädchen vor Aufregung auf und ab gehüpft wäre. Er lächelte.

      »Nun. Als Erstes sortieren wir die Tatsachen und bringen sie in eine ordentliche Reihenfolge. Dann prüfen wir, was wichtig und was unwichtig ist. Das Wichtige behalten wir, das Unwichtige verwerfen wir. Et voilà – wird die Lösung vor uns liegen.«

      »Wunderbar, mein lieber Monsieur Gisbert.« Sie öffnete ihre Handtasche und entnahm ihr ein kleines Notizbuch samt Bleistift. »Was wird die Polizei dazu sagen?«

      »Ich fürchte, Madame Christie, wir setzen uns dem schweren Verdacht aus, neugierig zu sein.« Wieder schmunzelte er.

      »Wir werden erst zur Polizei gehen, wenn wir schlüssige Beweise haben, Monsieur Gisbert. Die haben ihre Methoden, und wir haben die unseren.« Sie schaute sich in der Lobby des Hotels um. »Beginnen wir mit der Familie.« Sie drehte den Bleistift in den Händen und schaute Monsieur Gisbert erwartungsvoll an. Als dieser ihren Blick nur stumm erwiderte, ergänzte sie: »Herr Idelsberger, der Ehemann der Verstorbenen, und die Tochter.«

      »Herr Idelsberger ist bereits der zweite Gatte. Sie haben vor zwei Jahren geheiratet. Er ist ein paar Jahre jünger als seine Frau. Die Tochter entstammt ihrer ersten Ehe. Er ist gestern abgereist und war also über Nacht nicht mehr im Haus.«

      »War?«

      »Richtig.« Monsieur Gisbert nickte. »Heute Morgen stand er sehr aufgeregt vor mir und sagte, die Polizei habe ihn informiert.«

      »Kennen Sie den Grund für seine Abreise? Vielleicht ist etwas geschehen?«

      »Peut-être«, murmelte Monsieur Gisbert. Er strich über seinen Leib, der allmählich einen stattlichen Umfang anzunehmen begann, rückte die Weste zurecht und trat hinter dem Empfangstresen hervor. »Vielleicht hatte es auch etwas mit der jungen Dame zu tun, die die Idelbergers gestern zum Essen hier empfangen haben. Folgen Sie mir bitte, Madame Christie.«

      »Es ist nicht meine Art, die Gespräche der Gäste zu belauschen, aber in diesem Fall kam ich leider nicht umhin, so sehr ich mich auch um Diskretion bemühte.« Monsieur Mathis, der Oberkellner, rückte die weiße Serviette, die über seinem linken Unterarm hing, gerade und entfernte mit spitzen Fingern einen winzigen Fussel. »Die Herrschaften hatten sich auf meine Empfehlung hin für Escargots au beurre persillé und Cuisses de grenouille als Vorspeise entschieden. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass die junge Dame, der Gast der Familie am gestrigen Mittag, noch nicht viel Erfahrung mit dieser Art der feinen französischen Küche hatte. Sie erwies sich als …«, er räusperte sich verlegen, »… als etwas ungeschickt im Umgang.«

      »Gehörte sie zur Familie?«, wollte Mrs. Christie wissen.

      »Eine entfernte Cousine Herrn Idelsbergers, wenn ich es richtig verstanden habe.«

      »War sie zuvor schon einmal hier im Haus?« Mrs. Christie wandte sich an Monsieur Gisbert, der nur stumm den Kopf schüttelte.

      »Ist Ihnen noch mehr aufgefallen? War etwas ungewöhnlich an dem Essen?« Die junge Frau schaute kurz von ihrem Notizbuch auf.

      »In der Tat. Es kam zu einem heftigen Streit.«

      »In unserem Restaurant?« Auf Monsieur Gisberts Stirn erschien eine steile Falte. Essen war für ihn ein andächtiger Vorgang, der Ruhe, Muße und Harmonie erforderte, damit sich