Festa mortale. Astrid Plötner

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Название Festa mortale
Автор произведения Astrid Plötner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954752300



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des italienischen Festes zu besuchen. Am nahen Verkehrsring rauschten heute deutlich weniger Autos vorbei, als es an Werktagen üblich war. Ein silbergrauer Porsche-Cayenne mit Dortmunder Kennzeichen bog vom Ring ab und kam auf sie zu. Maike erkannte Staatsanwältin Lina von Haunhorst am Steuer. Sie fuhr langsam an ihr vorbei, offensichtlich konzentriert nach einem Parkplatz suchend.

      »Was macht die denn hier?«, murmelte Maike, da sie die Anwesenheit der Staatsanwaltschaft nur bei Einsätzen im Bereich der organisierten Kriminalität kannte. Und darum ging es in diesem Fall wohl nicht. Maike fühlte sich etwas unwohl, als sie sich vorstellte, gleich allein mit der Staatsanwältin auf den Rest des Teams warten zu müssen. Sie hatte in der Vergangenheit gelegentlich mit ihr zu tun gehabt und sie als arrogant und egozentrisch empfunden. Von Haunhorst parkte ihren Wagen nun neben der Kanzlei an der Hauswand, stieg aus und kam auf Maike zu.

      »Guten Morgen … oder besser guten Tag. Da ich schon in Unna bin, möchte ich mir kurz einen eigenen Eindruck verschaffen. Sind Sie die Vorhut? Wo bleiben Ihre Unnaer Kollegen? Oder heißt es Unneraner Kollegen? Ist die Sekretärin von Herrn Sobek wenigstens schon mit dem Schlüssel da?«, begann sie hektisch.

      Maike hatte keine Ahnung, wie die Bevölkerung von Unna sich korrekt bezeichnete. Im Sprachgebrauch fand man sowohl Unnaer als auch Unneraner. Deshalb ging sie nur auf die letzte Frage der Staatsanwältin ein. »Guten Tag, Frau von Haunhorst. Nein, Frau Brandt ist noch nicht eingetroffen. Aber Alessia Sobek informierte mich darüber, dass sich ihr Ex-Mann in seiner Kanzlei aufhalten soll, angeblich allein. Wir könnten also einfach klingeln.«

      Lina von Haunhorst blickte die Hausfassade des Bürogebäudes hoch, als ob sie nachschauen wollte, ob Sobek tatsächlich in seinem Büro war. »Das halte ich für keine gute Idee. Sollte Thomas Sobek seinen Sohn doch bei sich haben, wird es besser sein, wir kündigen uns nicht durch vorzeitiges Klingeln an. Er könnte sich bedrängt fühlen und zu einer Dummheit hinreißen lassen. Warten wir auf Frau Brandt.«

      Maike nickte und beobachtete die Staatsanwältin, wie sie eine Spange aus ihrem Haar löste, es neu zusammenraffte und wieder hochsteckte. Dann schob sie ihre große Sonnenbrille ins Haar und blickte auf ihre Armbanduhr.

      »Die Kollegen müssten längst hier sein!«

      Im selben Moment näherte sich mit rasantem Tempo ein cremefarbiger Opel Adam mit schwarzem Dach. Die Fahrerin bog rasant in eine Einfahrt neben der Kanzlei und kam Augenblicke später mit großen Schritten auf sie zu. Maike schätzte die korpulente Frau auf Mitte 50. Sie trug ein weit fallendes buntbedrucktes Sommerkleid mit Spaghettiträgern, dazu eine weiße Strickjacke, offene Sandalen und einen breitkrempigen Strohhut, unter dem eine rotbraune Lockenpracht hervorquoll. Man sah deutlich, dass sie ihren Campingurlaub eilig unterbrochen hatte.

      »Sabine Brandt, die Sekretärin von Herrn Sobek«, stellte sie sich vor und reichte Maike und der Staatsanwältin die Hand. »Entschuldigen Sie die Verspätung, aber ich fahre ungern auf der Autobahn. Über Land hat es deutlich länger gedauert. Kommen Sie, ich schließe Ihnen auf.« Sie eilte mit einem Schlüsselbund in der Hand auf den gläsernen Eingang zu und öffnete die Tür. Maike Graf und Lina von Haunhorst folgten ihr über weiße Marmorstufen ins Obergeschoss, wo sie nach dem richtigen Schlüssel suchte.

      »Einen Moment, bitte«, mahnte die Staatsanwältin und betätigte nun doch die Klingel. Gleichzeitig legte sie den Zeigefinger an den Mund und lauschte an der Tür. »Nichts«, sagte sie zu Maike. »Entweder hat Herr Sobek seine Frau angelogen oder er hat die Kanzlei bereits wieder verlassen. Wann hat er mit seiner Ex-Frau gesprochen?«

      »Vor über einer Stunde«, erwiderte Maike.

      »Na, dann schließen Sie mal auf, Frau Brandt!«

      Sobeks Sekretärin steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete. »Komisch«, murmelte sie dabei. »Sonst schließt er immer zweimal ab. Jetzt war die Tür nur zugezogen.«

      Sie traten in ein mit schwarzem Marmor gefliestes Foyer, das dominiert wurde von einem halbovalen Tresen, verkleidet mit Aluminium, obenauf eine helle Marmorplatte. Dahinter waren ein Computerbildschirm und eine Telefonanlage zu sehen. Sabine Brandt betätigte einen Schalter, der die Jalousien in die Höhe beförderte und das Tageslicht durch eine große Fensterfront einließ. Vom Foyer gingen drei Türen ab. Laut der Sekretärin führte eine zur Toilette, eine in den Konferenzraum und eine in Thomas Sobeks Büro.

      »Wofür benötigt Herr Sobek einen Konferenzraum?«, fragte Lina von Haunhorst, als sie einen Blick in das Zimmer warf, in dem ein großer Tisch mit zehn schweren Lederstühlen rundherum stand. »Sind hier noch weitere Mitarbeiter beschäftigt? Andere Anwälte, eine weitere Sekretärin?«

      »Nein. Ich bin die einzige Angestellte. Mein Chef arbeitet aber manchmal mit anderen Anwälten zusammen. Dann nutzt er den Raum. Oder wenn er es mit einer größeren Mandantschaft zu tun hat, zum Beispiel Firmenvertreter von großen Wirtschaftsunternehmen. Früher hat er nur Fälle im Strafrecht angenommen. Damit war er sehr erfolgreich. Dann hat er sich auf internationales Wirtschaftsrecht spezialisiert und bei der Rechtsanwaltskammer eine Prüfung abgelegt. Er darf sich nun Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht nennen, nimmt aber ab und zu auch andere Fälle an«, erklärte Sabine Brandt und Stolz klang aus ihrer Stimme.

      Maike betrat den Konferenzraum und sah sich um. Auch hier waren die Fenster verdunkelt, so betätigte sie den Lichtschalter. Außer dem großen Tisch gab es noch ein Sideboard, in dem sich eine kleine Bar mit alkoholfreien Getränken befand. Nichts deutete auf die Anwesenheit eines Jungen. Maike löschte das Licht und kehrte ins Foyer zurück. »Dann müssten Sie uns bitte die Tür zu Herrn Sobeks Büro öffnen«, sagte sie. Sie hatte den Raum bereits betreten wollen, als Lina von Haunhorst sich für den Konferenzraum interessierte, hatte die Tür aber verschlossen vorgefunden.

      Sabine Brandt drehte am Türknauf und stutzte. »Nanu«, sagte sie erstaunt und klopfte laut an die Tür. »Herr Sobek?«, rief sie und wandte sich, als keine Antwort kam, an die Staatsanwältin. »Er schließt sich manchmal ein, wenn er absolut ungestört sein will.«

      Lina von Haunhorst trat vor und klopfte fest gegen das Holz. »Herr Sobek? Öffnen Sie bitte die Tür!«

      Die drei Frauen lauschten, doch es folgte keine Reaktion. Die Staatsanwältin klopfte erneut, diesmal noch etwas lauter. »Nun machen Sie schon die Tür auf! Das bringt doch nichts.« Sie rüttelte am Knauf, als würde sich die verschlossene Tür dadurch öffnen.

      Im selben Moment erklang ein Gong. Sabine Brandt lief hinter den Tresen und schaute auf einen kleinen Bildschirm. »Ihre Kollegen sind da«, erklärte sie und betätigte den elektrischen Türöffner.

      Maike hörte durch die weit offen stehende Etagentür der Kanzlei Stimmengemurmel und schwere Schritte, die sich näherten. Kurz darauf traten die Kollegen Teubner, Reinders und Schmidtke ein.

      »Haben Sie einen Schlüssel für die Bürotür?«, fragte Lina von Haunhorst die Sekretärin, nachdem sie einen schnellen Gruß an die Polizisten gerichtet hatte.

      Sabine Brandt hob die Schultern. »Das weiß ich gar nicht genau. Ich werde es ausprobieren müssen.« Sie hob fragend den Blick, als wolle sie nichts falsch machen.

      »Tun Sie das. Aber bitte beeilen Sie sich. Gibt es vom Büro her eine Fluchtmöglichkeit? Eine weitere Tür? Oder Fenster?«

      Sabine Brandt klimperte mit dem Schlüsselbund und startete bereits den ersten Versuch. Ihre Finger zitterten leicht. »Ja, eine Tür führt auf einen rückwärtigen Balkon.« Beim fünften Versuch hatte sie endlich Glück. Der Schlüssel drehte sich im Schloss. Sie wollte die Tür aufschieben, wurde von der Staatsanwältin zurückgehalten.

      »Das überlassen Sie mal den Kollegen. Treten Sie bitte beiseite.« Lina von Haunhorst nickte Teubner zu, während die Sekretärin sich hinter ihrem Tresen verschanzte und damit begann, nervös an ihren Fingernägeln zu kauen.

      Teubner zog seine Dienstwaffe aus dem Holster, dann klopfte er laut an die Tür. »Ich komme jetzt zu Ihnen ins Büro, Herr Sobek. Seien Sie vernünftig und nehmen Sie die Hände hoch. Haben Sie verstanden?«

      Aus dem Büro war kein Laut zu hören. Teubner öffnete die