Festa mortale. Astrid Plötner

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Название Festa mortale
Автор произведения Astrid Plötner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954752300



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gegen 22 Uhr?«

      Winkler seufzte. »In meine Wohnung vor der Flimmerkiste. Allein. Trotzdem die Wahrheit. Ehrlich.«

      Teubner schob den Mann durch die Haustür, die weit aufgesperrt war. Dann trat er zur Seite, um einem uniformierten Kollegen Platz zu machen, der eine Kiste mit Ordnern aus dem Haus schaffte. Aus dem oberen Stockwerk hörte er die Stimme von Staatsanwältin von Haunhorst, die inzwischen eingetroffen sein musste, um sich einen eigenen Überblick zu verschaffen. Er übergab Matthias Winkler in die Obhut eines Streifenpolizisten, der ihn mit zur Dienststelle nehmen würde, damit seine Aussage dort aufgenommen werden konnte. Im selben Moment kam die Staatsanwältin die Treppe herunter. Die blonden Haare hatte sie hochgesteckt, allerdings trug sie heute, am Feiertag, keinen Anzug und Pumps, sondern Jeans, T-Shirt und Blazer. Sie nickte Teubner zu, ließ sich von ihm die Sachlage erklären und nickte.

      »Herr Winkler hat also kein Alibi«, resümierte sie. »Einen Grund, Herrn Sobek eins auszuwischen, hätte er offensichtlich. Wir sollten vielleicht klären, ob er so weit gehen würde, dafür ein Kind zu entführen. Dringlicher ist jedoch, Herrn Sobek zu finden. Die Kollegen haben in seinem Büro hier im Haus Eintrittskarten fürs Disneyland Paris gefunden, die auf das kommende Wochenende ausgestellt sind. Es wäre also möglich, dass er mit seinem Sohn bereits dorthin unterwegs ist.«

      »Ohne die Karten? Das kann ich mir nicht vorstellen. Und mit welchem Verkehrsmittel? Sein Auto steht ja hier in Unna«, erklärte Teubner. »Frau Winkler hat außerdem einen besorgten Eindruck gemacht, als ich sie befragt habe. Ich glaube nicht, dass Herr Sobek sich ohne ihr Wissen auf die Reise machen würde. Und er müsste doch Kleidung und Waschzeug mitgenommen haben. Ist Frau Winkler aufgefallen, dass etwas fehlt?«

      Die Staatsanwältin schüttelte den Kopf. »Nein. Sie behauptet, Reisetaschen und Koffer seien komplett. Außerdem hätte Torben hier im Haus nur für den Notfall eine Hose zum Wechseln. Die sei noch vorhanden. Wenn er zum Übernachten herkomme, bringe er immer Sachen mit.«

      »Haben Sie eigentlich zwei oder drei Karten für das Disneyland gefunden?«

      »Drei Eintrittskarten und eine Buchung für zwei Übernachtungen im Familienzimmer eines der angegliederten Hotels.«

      »Da dürfte doch klar sein, dass Birte Winkler mitfahren sollte«, befand Teubner.

      Lina von Haunhorst strich eine Haarsträhne aus der Stirn, die sich aus der Hochsteckfrisur gelöst hatte. »Sie behauptet, sie wisse nichts von den Karten. Möglicherweise habe ihr Lebensgefährte eine Überraschung geplant.«

      »Aber wo ist er dann jetzt mit dem Jungen?«, rätselte Teubner. »Wir sollten in jedem Fall seine Kanzlei durchsuchen. Vielleicht finden sich dort Anhaltspunkte, wo er sich aufhalten könnte.«

      Die Staatsanwältin nickte. »Die richterliche Anordnung gilt für Sobeks Privat- und Geschäftsräume. Seine Sekretärin hat einen Schlüssel und weiß bereits Bescheid. Sie befindet sich mit ihrer Familie zu einem Kurztrip am Möhnesee, wird sich aber gleich auf den Weg machen. Wir treffen sie in einer Stunde direkt vor der Kanzlei.«

      4. Kapitel

      Es war stockdunkel, als er die Augen aufschlug. Was ihn geweckt hatte, wusste er nicht. Thomas Sobek richtete den Oberkörper auf, dann schwang er die Beine von der Chaiselongue und stand mühsam auf. Hinter seiner Stirn hämmerte leichter Kopfschmerz. Er tastete sich durch den Raum zur Wand, fühlte endlich den Lichtschalter und betätigte ihn. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an das grelle Licht. Ein Blick auf seine Armbanduhr ließ ihn zusammenzucken. Es war fast elf Uhr! Sofort eilte Sobek zu seinem Schreibtisch und griff nach seinem Smartphone. Es schaltete es ein und wartete geduldig, bis das System hochgefahren war, dann blickte er aufs Display. Birte hatte versucht, ihn zu erreichen. Zum letzten Mal vor etwa fünf Minuten und da bereits zum 10. Mal. Torben zweimal und seine Ex Alessia gleich 15 Mal. Ein schlechtes Gewissen breitete sich in ihm aus. Wenigstens Birte hätte er Bescheid geben müssen, dass er in der Kanzlei übernachtet hatte. Aber nachdem er sich in der Nacht endlich von den Akten losgerissen hatte, war es weit nach Mitternacht gewesen. Er hatte sich am Abend eine Pizza geholt, dazu eine Flasche Rotwein, die er während der intensiven Arbeit komplett geleert hatte. So konnte er natürlich nicht mehr Auto fahren. Er war so schrecklich müde gewesen, hatte nur kurz auf der Chaiselongue die Augen zumachen wollen.

      Sobek seufzte und betätigte die Fernbedienung für die elektrischen Jalousien. Die großen Fenster, die hinten zum alten Westfriedhof zeigten, ließen wegen der hohen Bäume nur gedämpftes Tageslicht ein. Dann trat er an den Sicherungskasten und schaltete den Strom für Klingel- als auch für die Telefonanlage wieder ein. Schon traurig, dass er sich nur so vor Leuten wie dem Mandanten Büchner abschirmen konnte, die immer wieder an seiner Tür schellten oder ihn mit Anrufen belästigten. Sofort meldete sich der Anrufbeantworter. Er löschte das Lampenlicht und setzte sich an den Schreibtisch. Die eingegangenen Nachrichten würde er später abhören.

      Sein Blick fiel auf den Fall Büchner, den er gestern zuletzt bearbeitet hatte. Der Mann nervte ihn. Sobek sah ihn vor sich, den Glatzkopf mit dem verkniffenen Gesichtsausdruck. Wie er stets seine schwarzgeränderte Brille mit dem Zeigefinger bis zur Nasenwurzel hochschob und immer an seiner bescheuerten Cap herumzupfte. Wie er lässig die Beine übereinanderschlug und mit den abgewetzten Sneakers lautlos auf den Boden tippte. Büchner wollte unbedingt in Berufung gehen. Dabei konnte der Kerl froh sein, dass er mit einer Bewährungsstrafe davongekommen war. Stattdessen beschimpfte er ihn, ließ keine Ruhe. Dieser Choleriker!

      Thomas Sobek klappte den Ordner zu und griff nach seinem Smartphone. Er wählte aus den Kontakten Birtes Nummer, konnte sie jedoch nicht erreichen, so sprach er ihr auf die Mailbox und entschuldigte sich, dass er sich am Abend nicht mehr gemeldet hatte. »Ich komme so schnell wie möglich nach Hause. Es tut mir leid, Birte. Aber ich mache es wieder gut«, schloss er. »Am Wochenende wartet eine Überraschung auf dich.«

      Er lächelte und blickte einen Moment auf ihr Foto, das auf seinem Schreibtisch stand. Sie hatte ein so offenes Lächeln. Ihre dunkelbraunen Augen strahlten Wärme und Liebe aus. Er empfand für sie weit mehr, als er je für seine Ex-Frau Alessia empfunden hatte. Eigentlich hatte er die Italienerin damals nur geheiratet, weil sie von ihm schwanger war. Da war sie 25 und er knapp über 30 Jahre alt gewesen. Dann verlor Alessia das Baby im achten Monat, das hatte den ersten Knacks in ihrer Beziehung ausgelöst. Sie setzte sich damals total unter Druck, wollte unbedingt erneut schwanger werden. Das hatte ihn abgestoßen. Egal, wie aufreizend sie sich anzog. Einmal war sie noch schwanger geworden, aber auch da …

      Sein Handy bimmelte. Vermutlich rief Birte zurück. Er griff nach seinem Smartphone, das jedoch eine ihm unbekannte Nummer anzeigte. »Ja, bitte?«

      »Sind Sie in Ihrer Kanzlei?«, fragte eine männliche Stimme.

      »Wer spricht denn da?«, erwiderte Sobek. Einen Termin hatte er für heute nicht eingeplant, obwohl er lukrative Mandanten schon mal an Sonn- und Feiertagen empfing.

      »Befinden Sie sich in Ihrer Kanzlei?«

      »Jetzt sagen Sie, was Sie von mir wollen!«, mahnte Sobek.

      Keine Reaktion. Thomas Sobek beendete das Gespräch und stand auf. Er würde sich kurz frischmachen und dann nach Hause fahren. Er freute sich auf ein ausgiebiges Frühstück mit Birte. Mit Rührei, Speck und Schnittlauch, selbst aufgebackenen Brötchen und Kaffee aufgebrüht mit frisch gemahlenen Bohnen. Er wollte den Feiertag heute genießen, am Abend vielleicht übers italienische Fest schlendern, dabei das Ambiente genießen und morgen gegen Mittag würde er sich mit Birte und Torben auf den Weg nach Paris machen. Diese Unternehmung hatte seine Ex-Frau allerdings noch nicht abgesegnet.

      Sobek krempelte die Ärmel seines weißen Oberhemdes hoch und betrat den kleinen Waschraum vor der Toilette für Mitarbeiter und Mandanten. Mit kaltem Wasser wusch er das Gesicht und tupfte es mit Papiertüchern trocken. Mit einem Blick in den Spiegel sah er seine vom Schlaf geröteten Augen. Die leichten Tränensäcke darunter fielen ihm heute zum ersten Mal auf, dabei fühlte er sich mit 45 Jahren noch jung wie ein Endzwanziger. Sobek zupfte den Windsor-Knoten seiner fliederfarbenen Krawatte zurecht, rollte die Hemdsärmel hinunter und verschloss die goldenen Manschettenknöpfe. Dann verließ er den Waschraum. Im selben Moment hörte