Festa mortale. Astrid Plötner

Читать онлайн.
Название Festa mortale
Автор произведения Astrid Plötner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954752300



Скачать книгу

er sich zu Sabine Brandt, die lethargisch hinter ihrem Tresen saß und ins Leere starrte. Der Notarzt hatte ihr ein leichtes Beruhigungsmittel gespritzt, ihr Mann war bereits informiert und würde sie mit einem Freund hier abholen. Die Sekretärin hatte sich vehement gesträubt, ins Krankenhaus gebracht zu werden. Auch auf die Betreuung durch einen Polizeipsychologen hatte sie verzichtet.

      Teubner trat auf den Empfangstresen zu. »Fühlen Sie sich in der Lage, mir einige Fragen zu beantworten, Frau Brandt?«, fragte er leise.

      Der Blick ihrer blaugrauen Augen klärte sich etwas. Sie schob den Wust ihrer Locken hinter ihre Ohren und hob zaghaft die Schultern. Schließlich nickte sie. »Ich verstehe das nicht und frage mich die ganze Zeit, wer ihm das angetan haben kann.«

      »Das werden wir herausfinden. Die Kollegen von der Kriminaltechnik sind bereits bei der Arbeit. Der Tatort ist für uns so etwas wie das Verbindungsteil zum Täter. Wir versuchen, so viele Informationen wie möglich daraus zu lesen und alle relevanten Spuren zu sichern. Hatte Herr Sobek Feinde?«

      Sabine Brandt verschränkte die Arme vor der Brust. »Feinde …« Sie seufzte. »Was heißt das schon? Natürlich hat er sich als Rechtsanwalt nicht nur Freunde gemacht. Aber ich wüsste niemanden, der ihn deswegen abknallen würde.«

      Teubner überlegte einen Augenblick, wie er der Frau begreiflich machen konnte, wie wichtig ihre Aussage für die Ermittlungen war. »Frau Brandt«, begann er. »Die Aufklärungsquote bei Mord liegt in Deutschland bei über 90 Prozent. Sie ist so hoch, weil es meist eine Täter-Opfer-Beziehung gibt. Solche Verbrechen haben eine Vorgeschichte, die uns helfen könnte, den Täter zu ermitteln, wenn wir sie kennen. Da Herr Sobek hier in der Kanzlei erschossen wurde, deutet vieles darauf hin, dass sein Beruf mit dem Mord zu tun hat. Also überlegen Sie bitte genau: Gab es in letzter Zeit Schwierigkeiten mit Mandanten? Vielleicht ein Urteil, das als ungerecht empfunden wurde?«

      Die Sekretärin rollte mit ihrem Stuhl vor den Bildschirm, dann fuhr sie den Computer hoch und tippte kurz auf der Tastatur. »Spontan fällt mir da nur ein Mandant ein. Warten Sie, ich öffne kurz den Terminplaner …« Plötzlich zeigte sie mit dem Finger auf den Bildschirm. »Hier! Sehen Sie? Am Dienstagnachmittag hatte er um 15 Uhr einen Termin. Bernd Büchner. Ziemlich penetrante Person. Fühlt sich zu Unrecht verurteilt. Dabei hat er nur eine Bewährungsstrafe bekommen. Der Mann arbeitet in Unna als Gästeführer. Hat seit dem Termin am Dienstag bestimmt fünf Mal angerufen.«

      Teubner stützte seine Unterarme auf die helle Marmorplatte des Tresens und schaute auf den Bildschirm, den die Sekretärin zu ihm drehte. »Was hat der Mann verbrochen?«

      Sabine Brandt blickte ihn zweifelnd an. »Das fällt unter die anwaltliche Schweigepflicht. Darf ich Ihnen das sagen?«

      »Wir sind mit einer richterlichen Durchsuchungsanordnung hergekommen. Wir dürfen alle Akten konfiszieren. Schließlich bearbeiten wir einen Mordfall. Sie würden uns eine Menge Arbeit ersparen, wenn Sie mir den Grund der Verurteilung von Herrn Büchner nennen.«

      »Also gut«, seufzte die Sekretärin. »Als er erfahren hat, dass seine Ex einen neuen Freund hatte, ist er ausgerastet. Er hat zunächst sein Auto gerammt, danach auch den Gartenzaun und damit einen Sachschaden in Höhe von 25.000 Euro verursacht. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr. Zudem muss er den Schaden bezahlen und die Gerichtskosten. Eine Rechtsschutzversicherung hat er nicht.«

      Teubner pfiff leise durch die Zähne. »Da summiert sich was. Wir werden den Mann überprüfen. Kommt Ihnen sonst noch jemand in den Sinn?«

      »Auf Anhieb nicht. Aber ich kann mir die Fälle der letzten Monate ansehen. Vielleicht kann ich Ihnen dann mehr dazu sagen.«

      Während Teubner sich nun lässig mit dem Ellbogen am Tresen abstützte, beobachtete er, wie Staatsanwältin von Haunhorst sich verabschiedete und Jochen Hübner das Feld überließ. »Damit würden Sie uns sehr helfen, Frau Brandt. Ein Ausdruck mit den Namen der Beschuldigten dürfte reichen. Ihnen liegen die jeweiligen Akten doch bestimmt auch in digitaler Form vor?«

      »Natürlich«, nickte die Sekretärin und machte sich sogleich an die Arbeit. Sie wirkte nun professionell und nicht mehr so mitgenommen.

      Teubner bedankte sich und wandte sich an Ermittlungsleiter Hübner. »Soll ich mich in der Nachbarschaft umhören?«

      Hübner schüttelte den Kopf. »Nein. Das erledigen schon die Kollegen Reinders und Schmidtke mit zwei weiteren Beamten von Ihrer Dienststelle. Ein Spezialist der Kriminaltechnik öffnet gerade den Tresor in Sobeks Büro. Um den Inhalt können Sie sich kümmern.«

      Im selben Moment kam der Techniker bereits ins Foyer. In seinen Händen hielt er einen Aktenordner, eine kleine Pappschachtel und eine Geldtasche. »Zur Beweissicherung?«

      Hübner schüttelte den Kopf. »Nein. Wir werden erst einen Blick darauf werfen.« Er nickte Teubner zu.

      Der streifte sich erneut Handschuhe über und zog sich mit den Unterlagen in den Konferenzraum zurück. Er setzte sich auf einen der schweren Lederstühle und öffnete zunächst die Pappschachtel. Sofort pfiff er leise durch die Zähne.

      Hübner, der hinter ihn getreten war, staunte. »Sieh einer an. Eine Glock 17, neun Millimeter, würde ich sagen. Der Besitz einer Waffe könnte darauf hindeuten, dass Herr Sobek sich nicht unbedingt sicher gefühlt hat. Ich werde mal checken, ob er eine Waffenbesitzerlaubnis hat. Vielleicht ist die Sekretärin informiert.« Er verließ mit der Pistole den Konferenzraum und schloss die Tür hinter sich.

      Teubner öffnete die Geldtasche. Er fand zwei mit Banderolen gebündelte Packen von 50-Euroscheinen. Bargeld in Höhe von 10.000 Euro. Ob der Anwalt das Geld als Notgroschen deponiert hatte? Woher kam es? Hatte Thomas Sobek vielleicht illegale Geschäfte getätigt? Teubner stand auf und folgte Hübner zum Tresen der Sekretärin. So hörte er ihre Erläuterung zur Waffe.

      »Nein. Herr Sobek hatte keine Angst vor einem Überfall oder dergleichen. Er war Sportschütze. Die Glock nahm er nur zu seinem Training aus dem Safe und legte sie danach sofort wieder zurück.«

      »Er hatte also einen Waffenbesitzschein?«, fragte Hübner.

      »Selbstverständlich«, erklärte Sabine Brandt und nickte so kräftig, dass ihre rotbraunen Locken tanzten. »Er war Mitglied im Sportschützenverein Heeren-Werve e.V. und ging jeden Dienstagabend zum Training.«

      Teubner trat neben Hübner und legte die Geldtasche mit den 50-Euro-Bündeln auf den Tresen. »Das sind 10.000 Euro. Hatte Ihr Chef immer so viel Geld im Safe? Was wissen Sie davon? Können Sie die Herkunft des Geldes belegen?«

      Sabine Brandt wirkte nicht die Spur überrascht oder nervös. Sie lächelte lediglich nachsichtig und erklärte: »Es gibt immer noch Mandanten, die ihre Rechnungen bei uns bar bezahlen möchten. Die 10.000 Euro stammen von einem Gebrauchtwagenhändler, der immer mal wieder unsere Dienste in Anspruch nehmen muss. Gerade beim Handel mit gebrauchten Autos gibt es oft Kunden, die sich übervorteilt fühlen und ihr Recht vor Gericht durchsetzen möchten.«

      »Da müssen Sie aber einen saftigen Satz berechnen, wenn solche Summen dabei zustande kommen«, mischte sich Hübner ein.

      Erneut lächelte Sabine Brandt und zeigte sich dabei überhaupt nicht verlegen. »Besagter Mandant hatte durch die ewigen Diskussionen um das Dieselfahrverbot und zudem der Forderung einiger Politiker, sämtliche Autos mit Verbrenner-Motoren zu verbieten, einen derartigen Verkaufseinbruch, dass wir ihm die fälligen Rechnungen gestundet haben. Seit dem zweiten Quartal dieses Jahres lief sein Betrieb wieder besser, so konnte er die ausstehenden Rechnungen gestern bezahlen.«

      »Der Name des Händlers?«, fragte Hübner.

      Sabine Brandt legte die Stirn in Falten. »Einen Moment.« Sie tippte auf der Tastatur. »Herr Martin Borsutzky. Er hatte gestern Abend um 17 Uhr einen Termin bei Herrn Sobek. Als der Mandant gegangen ist, hatte die Bank bereits geschlossen, deshalb lag das Geld noch im Safe. Der genaue Endbetrag ist mit 9927,35 Euro beziffert. Vom Rest sollte Herr Sobek mit seiner Freundin hübsch essen gehen.«

      Hübner nickte. »Drucken Sie uns die Aufstellung bitte aus.« Er wandte sich an Teubner. »Und