Festa mortale. Astrid Plötner

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Название Festa mortale
Автор произведения Astrid Plötner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954752300



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er mit einem Fremden mitgegangen sein? Wurde er bedroht? Wo steckte der Junge?

      Die Tür des Mannschaftswagens wurde aufgezogen. Max Teubner blickte herein. Er machte einen verschwitzten und müden Eindruck. »Hast du einen Moment?«, fragte er.

      »Gibt es etwas Neues von Torben?«, platzte Alessia Sobek heraus.

      Teubner schüttelte den Kopf. »Leider nein. Wenn Sie hier fertig sind, sollten Sie mit Ihren Eltern nach Hause fahren. Wir informieren Sie, sobald es Neuigkeiten gibt.«

      Alessia Sobek blickte Maike fragend an. »Darf ich?«

      Maike nickte sofort. »Natürlich. Wenn ich noch Fragen habe, melde ich mich.« Sie klappte den Laptop zu und stieg hinter der Italienerin aus dem Auto. Von der Bühne am Rathaus hörte sie die Musik nun wieder lauter. Eine Band coverte gerade den Song Amada mia amore mio.

      Teubner wartete, bis Alessia Sobek außer Hörweite war. »Es gibt doch Neuigkeiten«, sagte er ernst. »Reinders und ich haben die obere Innenstadt durchsucht und dort die Leute befragt.«

      »Und?«, fragte Maike gespannt.

      »Wir waren gerade in der Nähe des Kastanienbrunnens, da kam von der Leitstelle eine Durchsage, dass ein Ehepaar im Parkhaus an der Flügelstraße ein Handy gefunden hat«, erklärte Teubner. »Ein Smartphone der Marke Samsung. Die beiden hatten eine Durchsage von Antenne Unna über Torbens Verschwinden gehört, einen Zusammenhang befürchtet und deshalb die Polizei informiert. Das Handy ist das gleiche Modell, wie Torben eines besitzt.«

      Maike stöhnte leise. Sollte es sich um Torbens Smartphone handeln, war das sicher kein gutes Zeichen. »Bringt Reinders das Smartphone in die Kriminaltechnik?«

      Teubner schüttelte den Kopf. »Nein. Wir haben in der Parkbucht noch eine Injektionsspritze gefunden. Ist möglich, dass der Junge damit betäubt und dann in einem Auto verschleppt wurde. Die Kollegen aus Dortmund haben im Parkhaus übernommen. Sie werden jetzt das ganze Parkhaus auf den Kopf stellen, Überwachungskameras checken und auch das Handy auslesen. Beten wir, dass es nicht Torbens Smartphone war und dass die Spritze von einem Junkie stammt, der sich in Ruhe seinen Schuss setzen wollte.«

      Donnerstag, 2. Festtag

      3. Kapitel

      Max Teubner lag im Bett und wartete auf das Klingeln des Weckers um 7 Uhr. Seine Gedanken drehten sich um das Verschwinden des Jungen und seines Vaters. Trotz des heutigen Feiertages war für 8:30 Uhr eine Durchsuchung des Hauses von Thomas Sobek angesetzt. Man erhoffte sich Hinweise auf seinen Verbleib und den aktuellen Aufenthaltsort von Torben.

      Plötzlich wurde das morgendliche Vogelkonzert übertönt von einem Rumpeln, das ihn hochschrecken ließ. Mit einem Satz war er am Fenster und blickte in den Vorgarten des alten Landhauses seiner Tante, bei der er seit einigen Jahren das Obergeschoss bewohnte. Er erkannte seinen Sohn Raffael, der sich bemühte, eine umgefallene Mülltonne wieder aufzustellen. Er schien Mühe zu haben, sein Gleichgewicht zu halten. Teubner runzelte die Stirn. So kannte er Raffael nicht. Er hatte zwar erst vor etwa zwei Jahren von der Existenz seines Sohnes erfahren, aber nach anfänglichen Diskrepanzen war Raffael nach dem Krebstod seiner Mutter zu ihm gezogen. Teubner würde ihr Verhältnis nun als freundschaftlich bezeichnen.

      Endlich stand die Mülltonne. Raffael hielt sich daran fest, dann beugte er sich zur Seite und übergab sich auf den Rasen. Teubner wandte sich vom Fenster ab, schlüpfte in Jeans, T-Shirt und Turnschuh, dann lief er die Treppe hinab und öffnete die Haustür. Die Sonne warf ihre ersten Strahlen über die angrenzenden Hausdächer und traf Raffael wie ein Scheinwerfer.

      »Seltsame Bühnenshow«, murmelte Teubner und trat auf seinen Sohn zu, der keuchend über der Tonne hing. »Guten Morgen, Junior. Hast wohl zu tief ins Glas geschaut, wie?«

      Raffael drehte den Kopf zur Seite. Im grellen Sonnenlicht wirkte er wie ein Gespenst. Kalkweiß im Gesicht, die Pupillen geweitet. Was von seinen Locken noch übrig geblieben war, nachdem er sich vor zwei Wochen beim Friseur seine Haare seitlich hatte abrasieren lassen, stank nach Bier. Das schwarze T-Shirt mit dem weiß gedruckten Label von Calvin Klein hing halb aus der Jeans, deren Reißverschluss offen stand. »Hab gar nicht viel getrunken«, lallte er und versuchte, sich aufzurichten.

      Teubner hielt ihn an den Oberarmen. Dabei nahm er den süßlichen Geruch von Marihuana wahr. Er runzelte die Stirn, sah Raffaels stumpfen Blick aus seinen sonst so aufgeweckten grünen Augen und seufzte. Ihn jetzt über mögliche Konsequenzen von Drogenkonsum zu ermahnen, erschien ihm sinnlos. Sein benebelter Zustand war damit allerdings erklärt. Er würde am Abend ein ernstes Wort mit Raffael reden müssen. »Sieh zu, dass du deinen Rausch ausschläfst«, sagte er daher nur eindringlich, half ihm die Treppe hinauf und schaffte ihn in sein Zimmer, wo sein Sohn ins Bett fiel und sofort einschlief.

      Als Teubner kurz danach in seinem schwarzen Scirocco den Weg von Fröndenberg-Langschede nach Unna zur Dienststelle fuhr, beschäftigten sich seine Gedanken mit dem Verhalten seines Sohnes. Warum kiffte der Junge? Machte er das schon länger oder hatte er es nur einmal ausprobieren wollen? Teubner hatte schon seit einiger Zeit Veränderungen im Verhalten Raffaels bemerkt. Bislang hatte er an eine Mädchenbekanntschaft gedacht, die Raffael noch geheim halten wollte. Vielleicht brachte ihn aber auch der Umgang mit den falschen Freunden vom rechten Weg ab.

      Er fuhr aus dem Ringtunnel in Unnas Stadtmitte. Wegen der Baustelle für das geplante Einkaufscenter auf dem Gelände der alten Mühle Bremme war hier nur Tempo 30 erlaubt. Reinders stand bereits an der Straße und zog an einer Zigarette, in der anderen Hand hielt er ein Papier. Teubner sammelte den Kollegen ein.

      »Hat die Haunhorst gefaxt.« Er wedelte mit der Durchsuchungsanordnung für das Haus von Thomas Sobek. »Die Staatsanwältin schafft es nicht pünktlich.«

      »Wie? Sie kommt persönlich? Warum das?«, wunderte sich Teubner, da er wusste, dass Staatsanwälte aus Zeitmangel sehr selten bei einer Hausdurchsuchung dabei waren. In deren Büros stapelten sich die Akten bis zur Decke.

      Reinders hob vage die Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht geht ihr der Fall einer Kindesentführung besonders nah.«

      Gut zehn Minuten später erreichten sie Sobeks Haus in der Wohnsiedlung Kastanienhof. Das Gebäude lag etwas abseits, nur begrenzt von einer dichten Baumbepflanzung, die als Lärmschutz hin zu der alten B1 diente. Ein buntes Verblendmauerwerk unter schwarzem Krüppelwalmdach, aus dem mehrere Gauben wuchsen, weiße Sprossenfenster, die bis zum Boden reichten und eine Eingangstür mit kunstvoll eingearbeiteten Intarsien machten das Haus zum Schmuckstück der Straße. Reinders betätigte die Klingel. Sekunden später öffnete eine langhaarige Blondine mit breitem dunklem Haaransatz. Teubner schätzte die Frau auf Anfang 30. Sie stellte sich als Birte Winkler und Sobeks Lebensgefährtin vor. Ihr hübsches Gesicht, war leider aufwendig geschminkt, mit Betonung auf ihre rehbraunen Augen und die vollen Lippen.

      »Haben Sie Torben gefunden? Thomas hat sich noch nicht bei mir gemeldet, wissen Sie ja. Ich habe die ganze Nacht versucht, ihn zu erreichen. Manchmal vergräbt er sich in seine Arbeit, will nicht gestört werden, wenn er einen verzwickten Fall übernimmt. Aber in Kombination mit dem Verschwinden von Torben … So langsam mache ich mir Sorgen!« Ihre Stimme wirkte hektisch. Sie strich fahrig ihre rechte Hand an ihrer Jeans ab, hielt sie den Beamten jedoch nicht zum Gruß entgegen, sondern schob sie in die Hosentasche.

      Reinders hielt ihr die Anordnung entgegen. »Wir müssten uns bei Ihnen umschauen. Möglicherweise ergibt sich ein Hinweis, wo sich Ihr Lebensgefährte mit seinem Sohn aufhält.«

      Birte Winkler griff nach dem Papier, überflog es und trat einen Schritt zur Seite. »Ich verstehe das nicht. Was erwarten Sie hier zu finden? Thomas ist gestern in die Kanzlei gefahren, rief mir noch zu, es könne später werden. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Wenn Torben bei ihm ist, dann steckt da irgendjemand dahinter, keine Ahnung, wer, aber ganz sicher hat er ihn nicht einfach mitgenommen. Das war nicht mit Alessia abgesprochen, Thomas hält sich immer an Absprachen.« Ihre Stimme klang gestresst.

      Teubner betrat hinter Reinders das Haus. »Das ist reine Routine, Frau Winkler. Der Sohn Ihres Lebensgefährten ist seit über elf Stunden verschwunden, vielleicht