Название | Festa mortale |
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Автор произведения | Astrid Plötner |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954752300 |
»Nein«, erklärte Hübner bestimmt. »Wir haben hier einen Tatort, auf dem schon genug Spuren zertrampelt wurden. Ihr Gatte soll sich ein paar Minuten gedulden, Sie dürfen gleich gehen. Wir brauchen lediglich noch eine DNA-Probe von Ihnen. Wie weit sind Sie mit der Liste möglicher Verdächtiger?«
Die Sekretärin seufzte. »Das fiel mir ehrlich gesagt schwer. Ich kam mir vor wie ein Scharfrichter. Deshalb habe ich Ihnen eine Liste mit allen Fällen gemacht, die Herr Sobek im letzten halben Jahr vor Gericht verloren hat. Es sind nur vier Namen. Die meisten hat er gewonnen. Die zugehörigen Akten habe ich Ihnen auf einem Stick abgespeichert.« Sie schob zwei Ausdrucke und einen USB-Stick auf den Tresen.
Teubner bedankte sich für die Mithilfe der Sekretärin, danach verwies er sie an einen Kriminaltechniker, der ihre DNA zum Abgleich sichern sollte. »Ach, zwei Fragen hätte ich doch noch«, wandte er sich erneut an sie, als der Kollege bereits den Abstrich aus ihrem Mund genommen hatte. »Wann haben Sie gestern Abend die Kanzlei verlassen und waren zu dem Zeitpunkt bereits alle Jalousien heruntergelassen?«
Sabine Brandt griff nach ihrem Strohhut und der Sonnenbrille. »Ich habe so gegen 17.30 Uhr Feierabend gemacht. Herr Borsutzky war bereits gegangen. Herr Sobek wollte noch einige Akten abarbeiten. Da er wusste, dass ich das Wochenende am Möhnesee verbringen würde, ließ er mich früher gehen. Die Jalousien waren da noch oben.«
»Aber sie werden gewöhnlich verschlossen, wenn niemand mehr im Büro ist?«, setzte Teubner nach.
»Ja. In das Gebäude wurde vor Jahren einmal eingebrochen.«
»In diese Kanzlei? Hat man die Täter gefasst?«
»Es betraf nur die Notarbüros im Erdgeschoss. Da ging es, glaube ich, um ein gestohlenes Testament. Mehr weiß ich nicht.«
»Solche Dokumente werden eigentlich beim Nachlassgericht hinterlegt«, sinnierte Teubner. »Und seitdem gibt es auch die Überwachungskamera am Eingang?«
Sabine Brandt nickte. »Genau.«
»Werden die Aufnahmen gespeichert oder nur in Echtzeit übermittelt? Eventuelle Bänder könnten uns weiterhelfen.«
Die Sekretärin hob ratlos die Schultern. »Tut mir leid. Dazu kann ich leider nichts sagen. Ich musste mich nie darum kümmern.«
Teubner bedankte sich und entließ die Frau. »Ich sehe mir jetzt zunächst den Aktenordner aus dem Safe an«, erklärte er Hübner und zog sich wieder in den Konferenzraum zurück. Bevor er sich an den etwa fünf Meter langen Tisch mit einer Baumkanten-Platte setzte, ging er zur Fensterseite und betätigte den Schalter für die elektrische Jalousie. Langsam wurde das Zimmer mit Sonnenlicht durchflutet. Sein Blick fiel auf die Massener Straße, wo zahlreiche Passanten in Richtung Innenstadt pilgerten. In dem Raum fielen Teubner mehrere Gemälde von Segelbooten an den Wänden auf. Als er sie aus der Nähe betrachtete , erkannte er die Signatur TS. Ob Sobek sie selbst gemalt hatte? Teubner schaltete das elektrische Licht aus, zog sich den Aktenordner zu einem Stuhl, der nahe am Fenster stand, und setzte sich. Ihm fiel sogleich auf, dass der Ordner nicht beschriftet war. Zudem wirkte er alt, als hätte er schon eine lange Zeit im Safe gelegen. Neugierig schlug er den Aktendeckel auf. Nach einigem Blättern erkannte er, dass die hier gesammelten Informationen nichts mit der Kanzlei oder Sobeks Beruf als Anwalt zu tun hatten.
»Der Ordner betrifft Torben«, murmelte er und blätterte weiter. Scheinbar waren hier Abmachungen in einem persönlichen, inoffiziellen Vertrag abgeheftet. Vertragspartner war ein Heiner Straube. Was es mit diesem Vertrag auf sich hatte, konnte Teubner nicht auf einen Blick ausmachen. Ganz unten im Ordner befand sich eine Klarsichthülle mit einer Urkunde. Teubner zog sie heraus.
»Eine Geburtsurkunde«, murmelte er und las. »Torbens Geburtsurkunde«, rief er überrascht und fragte sich, warum die sich nicht im Familienstammbuch der Sobeks befand. Als sein Blick den Namen der Eltern traf, schob er erregt seinen Stuhl zurück und sprang auf. »Das gibt es doch nicht.« Er stürmte aus dem Raum direkt auf Hübner zu, der gerade ein Telefonat beendete.
»Torben ist nicht das leibliche Kind der Sobeks!«, begann er und hatte sofort die Aufmerksamkeit seines Vorgesetzten. »Seine leibliche Mutter heißt Jessika Waas. Als Vater ist ein Jens Müller eingetragen.«
Hübner nahm ihm das Dokument aus der Hand und überflog es. »Seltsam, dass Alessia Sobek hiervon nichts erwähnt hat. Geht aus den Akten hervor, ob eine legale Adoption stattgefunden hat?«
Teubner schüttelte den Kopf. »Nein. Das sieht eher nach einer internen Kungelei aus. So wie ich die Aufzeichnungen deute, hat ein Heiner Straube das Baby der Jessika Waas an die Sobeks vermittelt.«
Hübner nickte und rieb sich nachdenklich den konturierten Bart. »Dann sollten wir schnellstens herausfinden, wer dieser Straube ist und was er macht. Immerhin ist es möglich, dass er oder die leibliche Mutter hinter dem Mord an Sobek stecken. Vielleicht wollten sie den Jungen zurückhaben. Andersherum stellt sich natürlich die Frage, warum sie Torben dann hier zurückgelassen haben. Kollegin Graf soll darüber mit Alessia Sobek reden. Wenn wir Glück haben, ist sie noch in der Kinderklinik Dortmund und wir wissen gleich mehr. Ich werde sie sofort instruieren.« Er griff nach seinem Smartphone, und Teubner staunte, wie schnell er die Nummer von Maike parat hatte. So ganz gleichgültig schien dem Ermittlungsleiter seine Ex-Freundin wohl nicht zu sein.
8. Kapitel
Maike hatte während der gesamten Fahrt von Unna im Notarztwagen nach Dortmund die Hand von Torben gehalten und ihm dabei sanft mit dem Daumen über den Handrücken gestreichelt. Sein blasses Gesicht wirkte zerbrechlich wie hauchdünnes Porzellan. Seine Atmung verlief gleichmäßig, allerdings sei die Sauerstoffsättigung im Blut unzureichend, erklärte der Notarzt. Man wollte ihn zur Vorsicht auf die Intensivstation bringen. Dort lag Torben nun an mehrere Schläuche und Kabel angeschlossen und im Beisein seiner Mutter, die nicht lange nach ihm eingetroffen war. Über die anhaltende Bewusstlosigkeit machten sich die Ärzte Sorgen, ansonsten sei sein Gesundheitszustand stabil.
Als der Anruf von Jochen Hübner einging, drückte Maike das Gespräch schnell weg und verabschiedete sich leise. Dann eilte sie durch die verwinkelten Gänge des Gebäudes, bis sie endlich den Ausgang bei der Kinderchirurgie fand und befreit aufatmend ins Freie trat. Krankenhäuser waren ihr immer ein Gräuel gewesen. Die Kinderklinik südlich der Innenstadt war Teil der Klinikum-Dortmund-GmbH, das als das größte Krankenhaus Nordrhein-Westfalens galt.
Maike wählte die Rückruffunktion und blickte auf die rötliche Backsteinfassade der mehrstöckigen Kinderklinik, während sie wartete, dass Jochen das Gespräch annahm. An der Beurhausstraße näherte sich mit eingeschaltetem Martinshorn ein Rettungswagen, der das Klinikum auf der gegenüberliegenden Straßenseite ansteuerte. Er bog ein Stück weiter von der Straße ab, erst da konnte die Hauptkommissarin ihren Gesprächspartner verstehen.
»Hallo, Maike«, grüßte Hübner kurz. »Es haben sich Hinweise ergeben, dass die Sobeks nicht Torbens leibliche Eltern sind. Wenn es möglich ist, sprich Alessia Sobek darauf an.« Hübner brachte Maike mit knappen Worten auf den aktuellen Ermittlungsstand. »Die Staatsanwältin hat eine erste Dienstbesprechung heute um 18 Uhr im KK 11 anberaumt. Kommst du von der Kinderklinik ins Präsidium oder soll ich dich abholen lassen?«
Maike blickte auf die U-Bahnstation direkt vor ihrer Nase. »Macht euch keine Mühe, ich werde pünktlich sein.« Sie verabschiedete sich von Jochen, dabei fiel ihr Blick auf die mehrgeschossigen Gründerzeithäuser in einer Seitenstraße, wo sich im Erdgeschoss neben einem Getränkeshop auch eine Grillstube befand. Seit dem Frühstück um 9 Uhr hatte sie nichts mehr gegessen und nun zeigte ihr Smartphone bereits 16.15 Uhr an. Eine Viertelstunde später betrat Maike die Kinderklinik mit zwei Pizzakartons sowie zwei Bechern Coffee to go und steuerte erneut die Intensivstation an, wo sie eine Schwester bat, Alessia Sobek hinauszubitten. Kurz darauf gesellte sich die brünette Italienerin zu ihr und sie betraten gemeinsam den Aufenthaltsraum, wo sie sich an einen Zweiertisch setzten.
»Gibt es schon Neuigkeiten über den Gesundheitszustand Ihres Sohnes?«, begann Maike.
»Nein.