Festa mortale. Astrid Plötner

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Название Festa mortale
Автор произведения Astrid Plötner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954752300



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      Kurz darauf ließ er heißes Wasser über seinen Körper rauschen und schloss einen Moment die Augen. Als er die Dusche verließ, rauschte es immer noch in seinem Kopf. Leichter Schwindel erfasste ihn. Er musste wirklich dringend etwas gegen den Bluthochdruck unternehmen.

      Mit unsicheren Schritten wankte er zum Waschbecken, hielt sich daran fest und starrte in den beschlagenen Spiegel. Nur langsam wich der Dunstschwaden und gab sein rundes, leicht gerötetes Gesicht preis. Ein Tropfen Blut rann aus seiner Nase. Verdammt! Allmählich müssten die Tabletten doch wirken. Ob er die Konturen seines Bartes noch trimmen sollte? Nein! Er war spät genug dran. Rasch trocknete er sich ab.

      Als er sich nach seiner Jeans bückte, die vom Toilettendeckel auf den Boden gerutscht war, wurde ihm einen Moment schwarz vor Augen. Schweiß brach aus all seinen Poren. Warum gab es in diesem Bad nur kein Fenster? Er öffnete die Tür zum Flur und zog sich an. Danach ging er die Treppe hinab und griff nach seiner Jacke. Als er in der Tasche den Autoschlüssel nicht fühlte, fiel ihm ein, dass er den auf dem Bett liegen gelassen hatte.

      Er musste noch einmal die Treppe hinauf. Jens keuchte, als er nach dem Schlüssel griff. Langsam ging er zur Treppe zurück. Ihm wurde speiübel. Alles drehte sich. Er hielt sich krampfhaft am Geländer fest und nahm die erste Stufe. Bei der dritten zuckte ein heftiger Schmerz durch seinen Brustkorb. Instinktiv ließ er das Geländer los und presste beide Hände auf sein Herz. Dabei übersah er die nächste Stufe und trat ins Leere. Er wollte sich noch ans Geländer klammern, doch er griff daneben. Sein massiger Körper fiel nach vorne. Er prallte mit der Schulter auf die Stufen, überschlug sich und donnerte die Treppe hinab ins Erdgeschoss, wo er reglos liegen blieb.

      Eine Woche später

      Die Zeitung in meiner Hand raschelt, als ich ein Blatt umschlage. Ich sehe die Todesanzeigen im Hellweger Anzeiger. Die Traueranzeige von ihm ist die größte. Da steht sein Name neben einem Kreuz. Gerade einmal 48 Jahre alt ist er geworden. Darunter ein Spruch, der nach Hohn und Lüge schreit.

      »Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, aber der Herr allein lenkt seinen Schritt. Sprüche Salomos 16,9.«

      Hohn und Lüge! Denn gestorben ist der Mann durch mich.

      Ich habe besorgt, womit sein Medikament manipuliert worden ist. Während er glaubte, seinen Blutdruck zu senken, hat der Inhalt der Kapseln ihn noch mehr in die Höhe gejagt, sodass er einen Herzinfarkt erlitten hat und die Treppe hinabgestürzt ist. Zum Glück hat der Notarzt keinen Verdacht geschöpft. Jens war ja ein Risikopatient.

      Was fühle ich beim Anblick seiner Todesanzeige? Mein Mund ist staubtrocken. Meine Hände zittern. Dennoch fühle ich mich nicht als Mörder. Auch nicht als Henker. Es war nicht meine Absicht. Ich konnte ja nicht wissen, dass …

      »Man wird dich dafür verantwortlich machen!« Kalte Worte. Leise gezischt und doch deutlich.

      Ich schüttele den Kopf. Das kann nicht sein. Das wird nicht sein.

      Außerdem ist niemand ohne Schuld, erst recht nicht Jens. Dennoch … wenn irgendjemand herauskriegt, dass dieses Zeug von mir ... Ich schließe verzweifelt die Augen.

      Es darf niemals jemand erfahren.

      Ich starre eine Weile auf die Todesanzeige. Irgendwann habe ich endlich die Kraft, die Zeitung zu schließen. Das Papier knistert laut.

      Dann ist es wieder ruhig um mich herum.

      Drei Monate später

      Mittwoch, Eröffnungstag der Festa Italiana

      1. Kapitel

      Ob die südländischen Klänge von den Bühnen des italienischen Festes bis zu ihr in die Lortzingstraße hallten, konnte Kriminalhauptkommissarin Maike Graf nicht hören. Aus der Nachbarwohnung drang das Kreischen der Flex, die Nick Nigge nun seit Stunden nur mit kurzen Unterbrechungen aufheulen ließ. Dabei störte es Nigge weder, dass es mittlerweile auf 22 Uhr zuging, noch, dass sein Hund ununterbrochen bellte. Nigge war Alleinunternehmer und arbeitete daher nur in seiner Freizeit an der Renovierung. Seit Monaten stand Baumaterial im Flur und Maike musste sich den Weg zu ihrer eigenen Wohnung über Fliesenkartons und Zementsäcke bahnen. Dazu kam, dass Nigge seinen Hund viel zu oft allein ließ.

      »Armer Bolt«, murmelte Maike und meinte damit den Labrador ihres Nachbarn. Sie trank das Glas Mineralwasser leer und griff nach ihrer Lederjacke. Den heutigen Abend würde sie sich nicht verderben lassen. Sollte der Typ ruhig weiterlärmen! Irgendwann würde die alte Döring aus dem Erdgeschoss für Ruhe sorgen.

      Bevor Maike die Wohnung verließ, warf sie einen letzten Blick in den Spiegel. Ihr welliges braunes Haar, das sie während der Arbeitszeit meist hochsteckte oder zu einem Pferdeschwanz zusammenband, umspielte sanft ihre Schultern. Zur Jeans trug sie eine weiße Leinenbluse und ebenfalls weiße Sneakers. Als Maike den Hausflur betrat und die Treppe hinabstieg, vermied sie es, den Handlauf zu berühren, über den sich eine weiße Schicht Zementstaub gelegt hatte. Als endlich die Haustür hinter ihr zufiel, atmete sie auf.

      Maike schlug den Fußweg Richtung Innenstadt ein. Sie war um zehn mit den Kollegen Teubner und Reinders am Rathausplatz verabredet. Überall sah sie Menschenmassen in die Innenstadt strömen. Heute am Eröffnungstag des italienischen Festes schien ganz Unna auf den Beinen zu sein. Allmählich sah sie die ersten Lichter leuchten und hörte laute Musik, die von der Bühne am Rathaus herüberschallte. Sie erkannte den Song Lasciatemi cantare von Toto Cotugno. Eine Gruppe Frauen mittleren Alters grölte den Text mit. Sie hatten sich eingehakt, hüpften wie kleine Schulmädchen und lachten albern.

      Endlich erreichte Maike die Fußgängerzone und blieb überwältigt stehen. Dicht gedrängt schob sich eine Lawine aus Menschen über die Bahnhofstraße, unter den hohen Lichterbögen aus filigranem, weiß lackiertem Holz hindurch, an denen Tausende bunter Glühlampen leuchteten. Laut eines Berichts im Hellweger Anzeiger waren an die 500.000 installiert worden. Links von Maike erhob sich zwischen Post und Rathaus eine prachtvolle Bühne, die wie ein bunt illuminierter Tempel wirkte. Davor eine Menschentraube, die gerade nach Zugabe schrie und applaudierte, als der Sänger der italienischen Band nach seiner Gitarre griff. Als der Italiener die ersten Klänge des Songs Se bastasse una canzone von seinem berühmten Kollegen Eros Ramazzotti anschlug, jubelten die Fans.

      Rechts neben der Bühne, auf dem Rathausplatz, erhob sich ein Riesenrad, das die dahinter gelegene Kirche Sankt Katharina an Größe übertraf. Darunter duckten sich Buden, die italienische Spezialitäten anboten. Die davorstehenden Bierzeltgarnituren waren allesamt besetzt. Maike bahnte sich einen Weg durch die Menschenmassen und hielt Ausschau nach ihren Kollegen. Endlich erkannte sie auf einer der Sitzbänke Sören Reinders. Erleichtert ging sie auf ihn zu.

      »Hey, Sören, ist Max noch nicht da?«

      »Setz dich«, erwiderte Reinders und zog seine Jacke beiseite, um ihr Platz zu machen. »Teubner sorgt für Getränke.«

      Maike rutschte neben ihn auf die Bank. Ihr Blick fiel auf die Bühne, wo sich der Italiener gerade unter Applaus verabschiedete.

      »Hallo, Maike. Zum Wohl!«, grüßte Teubner. Er balancierte drei Gläser Rotwein auf einem Tablett und schob sich neben ein Ehepaar gegenüber von Maike auf die Bank. Er hatte sich für den Abend in Schale geschmissen. Zur Jeans trug er ein kurzärmeliges weißes Oberhemd. Seine sonst so wirr stehenden braunen Haare, durch die sich blonde Strähnen zogen, hatte er mit Gel in Form gebracht.

      »Prost!«, sagte Maike, hob ihr Glas und stieß mit den Kollegen an.

      »Hast du es doch noch geschafft, dich aus dem Büro loszueisen?«, fragte Teubner. Für den Moment konnte man sich in normaler Lautstärke unterhalten.

      Maike nickte nachdenklich. Max Teubner hatte ihr gemeinsames Büro in der Polizeidienststelle Unna verlassen, als sie eine ältere Dame befragt hatte, die einen Kupferdiebstahl anzeigen wollte. Unbekannte Täter hatten von ihrem Haus die Dachabflussrinne abmontiert. Maike kannte solche Fälle zuhauf. Meist waren reisende Banden dafür verantwortlich, die nur selten gefasst werden konnten.

      »Ja«, sagte sie. »Leider konnte die Bürgerin, die den Diebstahl