Название | Die psychoanalytische Ambulanz |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783170366268 |
Die o. g. Reaktion des Patienten zeigt außerdem, dass er mit Hilfe der Deutung seinen Widerstand bis zu einem gewissen Grad lockern konnte, wodurch eine günstigere Voraussetzung entsteht, Unbewusstes bewusst zu machen. Die geschilderte Reaktion steht beispielhaft dafür, dass der Patient die Intervention des Analytikers, die Art wie er denkt und arbeitet, mit einem Gewinn an innerer Freiheit und Erleichterung aufnehmen kann. Damit ist der wichtigste Indikationshinweis erreicht. Der Verlauf eines Erstinterviews, die Qualität der sich entwickelnden Zusammenarbeit, die höchst individuelle, störungs- und persönlichkeitsbedingte Art und Weise, wie ein Patient eine analytische Deutung aufnehmen kann, gelten, hier besteht Einigkeit unter Analytikern, als die wichtigsten indikatorischen und prognostischen Kriterien in psychoanalytischen Erstgesprächen. Kerz-Rühling, die langjährige frühere Leiterin der Ambulanz des SFI, schreibt: »Die Indikation zu einer bestimmten Form von ambulanter oder stationärer Psychotherapie erwies sich vor allem als abhängig von der initialen Arbeitsbeziehung zwischen Patient und Therapeut (…) Eine Psychoanalyse wurde u. a. empfohlen, wenn die therapeutische Arbeitsbeziehung sich im Interview gut entwickelt, d. h. wenn ein gemeinsames Krankheitsverständnis zwischen Therapeut und Patient erreicht wurde« (Kerz-Rühling 2005, S. 591). Mit Blick auf Argelanders Fallbeispiel könnte man ergänzen, dass eine ›gute Entwicklung der Arbeitsbeziehung‹ daran ablesbar wird, wie der Patient die Interventionen des Analytikers aufnimmt und ob sich situative Erkenntnis- und Entwicklungsschritte anschließen.
1.4 Abschließende Bemerkungen: zum Stellenwert der Subjektivität des Analytikers und der Gegenübertragung im Erstinterview
Die Entwicklung der probetherapeutischen Arbeitsbeziehung, der Verlauf dieser »kurzen Passage … psychotherapeutischer Widerstandsarbeit« (s. o.) stellt, wie ausgeführt, das zentrale indikatorische Kriterium in psychoanalytischen Erstgesprächen dar. Was als Voraussetzung für die Indikationsstellung gilt, gilt auch für die Bearbeitung der anderen Aufgabenstellungen des psychoanalytischen Erstinterviews. Die entscheidenden diagnostischen, indikatorischen, prognostischen Erkenntnisschritte, bis hin zur Behandlungsempfehlung basieren auf der Erfassung des sich szenisch-situativ einstellenden Beziehungsgeschehens zwischen Patienten und Analytiker. Es avanciert zum zentralen Gegenstand der analytischen Untersuchung – auch und vor allem im Erstinterview.
Erst im Rahmen des szenisch-situativen Verstehens nehmen die ›Informationen‹, die der Analytiker im Verlauf eines Erstgesprächs in unübersichtlicher Menge und auf unterschiedlichsten Ebenen empfängt (Argelander 1970) ihre spezifisch psychoanalytische, auf die Erkenntnis des Unbewussten bezogene, Bedeutung an.
Die möglichst unvoreingenommene, gleichschwebend aufmerksame Haltung des Analytikers und die Technik seiner Gesprächsführung ermöglichen, dass unbewusste Kräfte, infantile Konfigurationen und innere Objektbeziehungen an der Oberfläche des interaktiven Geschehens zwischen Analytiker und Patient zur Darstellung kommen. Die analytische Technik verhilft den unbewussten Strebungen zur Aktualisierung im situativen Beziehungsgeschehen und ermöglicht auf diese Weise ihre Erforschung. Von der Oberfläche ausgehend, »von außen nach innen, von der äußeren Beziehung … ins innerseelische« (Argelander 1967 S. 368) können die unbewussten Strukturen als bedingende »innere Gesetzmäßigkeit« (ebd., S. 440), als »Fallstruktur« erschlossen und (probehaft) bearbeitet werden (ebd., S. 445).
Bei seiner Erkundung des unmittelbar ablaufenden Beziehungsgeschehens ist der Analytiker mit all seinen Gefühlsregungen und Vorstellungsabläufen kein außenstehender Beobachter, sondern Teil dieser Interaktion.
Diese grundsätzlich subjektiven Erkenntnisprozesse der Psychoanalyse ziehen seit jeher epistemologische Kritik und szientistische Ablehnung auf sich. Ohne diese Debatte an dieser Stelle vertiefen zu können, möchte ich mit Argelander die Unabdingbarkeit und die Präzision der analytischen Erkenntnisinstrumente betonen:
»Das Instrument der (analytischen d. V.) Wahrnehmung ist einzig und allein die Persönlichkeit des Interviewers, eingesetzt und abgestimmt auf das unbewußte Beziehungsfeld mit dem Patienten« (Argelander 1970, S. 15), und weiter: »Der Interviewer benötigt zum Verständnis der unbewußten Persönlichkeit eines Patienten den Zugang zu seinen eigenen vorbewußten Wahrnehmungs- und Denkprozessen, über welche er nur verfügen kann, wenn sein Bewußtsein sie mit erfaßt« (ebd., S. 111).
Damit erklärt Argelander die sog. Gegenübertragungsanalyse zur Kernaufgabe des Analytikers im psychoanalytischen Erstinterview:
»Aus unserer Definition der Übertragung und Gegenübertragung ergeben sich zwei technische Einstellungen zur Erfassung des unbewußten situativen Geschehens. Der Untersucher kann sich einmal mit dem unbewußten Verhalten des Patienten identifizieren, mit seinen in der Projektion wirkenden Aktivitäten, zum anderen aber mit den Reaktionen in sich selbst, die von diesen unbewußten Aktivitäten hervorgerufen werden […] Diese tastenden Identifizierungsversuche im Dienste der Aufgabe, den Patienten zu verstehen, sind Antworten auf die Frage: ›Was macht er mit mir?‹ bzw. ›Was geschieht mit mir?‹« (Argelander 1967, S. 433).
Argelanders Bezugnahme auf das damals im deutschsprachigen Raum noch kaum rezipierte Konzept der Gegenübertragung war maßgeblich von der deutsch-britischen Psychoanalytikerin Paula Heimann beeinflusst, die schon 1950 die Gegenübertragung zum entscheidenden Erkenntnisinstrument des Analytikers und zum zentralen Bestandteil der analytischen Behandlungstechnik erklärte. Die inneren Vorgänge und Zustände, die im Analytiker (größtenteils unbewusst) auf höchst »persönliche«, oftmals fremd und überfordernd erlebte Weise entstehen und ablaufen, stellen demnach keine Beeinträchtigung seiner Erkenntnisprozesse dar, sondern bilden vielmehr deren unabdingbare, durch nichts zu ersetzende Grundlage (