MUSIK-KONZEPTE Sonderband - György Kurtág. Группа авторов

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Название MUSIK-KONZEPTE Sonderband - György Kurtág
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783869168807



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der Raumerschließung, der nicht machtvoll, sondern vom Gestus des Suchens und Erkundens sowie von kleinsten expressiven Übergängen geprägt ist. Zudem ist er eingebunden in ein Werkkonzept, das auch Resonanzen von Beethovens und Schumanns Musik entfaltet.35

      Betrachtet man die längst als Kurtágs Markenzeichen geltenden enorm vielfältigen Referenzen zum Schaffen anderer Komponisten, sollte man die oft mehr als graduellen Unterschiede der Bezugnahmen nicht übersehen. Manche Pointierungen tauchen eher kurz auf, etwa durch punktuelle Allusionen. Assoziativ oder mit flüchtigen Anspielungen oder Pseudo-Zitaten verfährt Kurtág besonders dort, wo sich beim Komponieren gleichsam zufällig Erinnerungen an Musik anderer ergeben. Dass er zuweilen, anspielend auf Strategien der bildenden Künste, von der Idee des »objet trouvé« spricht, signalisiert den Verzicht darauf, allen intertextuellen Bezügen eine Verarbeitung oder umfassende Reflexion zuteilwerden zu lassen (von einem Werk, bei dem dies anders ist, wird gleich noch die Rede sein).

      Wenn Kurtágs Musik bestimmten Bezügen gleichsam nachhorcht, die manchmal ähnlich überraschend ins Spiel geraten wie die berühmten Blechbläser-Passagen aus Stockhausens Gruppen, scheint mittels Resonanzen unterschiedlichster Deutlichkeit und Prägnanz die Eingebundenheit seines musikalischen Bewusstseins in mehrere Jahrhunderte Kunstmusik auf. Insofern enthalten die vielfältigen Referenzen einen Habitus der Selbstvergewisserung und sind als emphatische Konfigurierung eines Horizonts lesbar. Solche Emphase ist aber zugleich als bewusster Kontrast zu jenen politisch düsteren Zeiten zu deuten, die Kurtág vor allem vor 1989 erlebte und die zumindest zeitweilig mit einer staatlich verordneten Abschottung einhergingen. An diesem Punkt zeichnet sich eine Parallele zum Komponieren von Sofia Gubaidulina ab, die in ihrem Violinkonzert Offertorium (1980/86) gleichermaßen auf Johann Sebastian Bach und auf Anton Webern rekurriert (ausgehend von Weberns Bearbeitung des Ricercars aus dem Musikalischen Opfer). Gerade Gubaidulina hat damit ein denkbar nachdrückliches Bekenntnis zu einer Tradition formuliert, die durch die politischen Umstände in ihrem Land zeitweilig ignoriert wurde. In beiden Fällen sollte man jedoch – ähnlich wie bei den bekenntnishaften Rekursen auf Künstler im Schaffen Nonos – vorsichtig sein, das Biografische überzubetonen, um nicht Gefahr zu laufen, das Überzeitliche zu marginalisieren. Mit Schillers Idee einer »ästhetischen Freiheit« hat dieses Überzeitliche, das in seiner emphatischen Tönung auch weit mehr ist als die oft viel zu schlicht konstatierte Verwurzelung in der Tradition, gewiss viel zu tun.

      III Schumann-Rezeption