Wiener Wohnwunder. Anatol Vitouch

Читать онлайн.
Название Wiener Wohnwunder
Автор произведения Anatol Vitouch
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783710604997



Скачать книгу

Dinge klären – manche auch nicht. Aber im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden.“

      Ebenso wie man in der Buchengasse ein Herz für die Natur und für Tiere hat, scheinen die Bewohnerinnen und Bewohner auch zu ihrem schon seit 1938 bestehenden Wohnhaus ein inniges Verhältnis zu pflegen. Es ist fast ein wenig, als wäre der Bau auch ein Lebewesen mit Stärken und Schwächen, auf das man allein schon wegen seines Alters ein wenig Rücksicht nehmen muss: „Die Renovierung war um das Jahr 2000 und seither hat sich die Anlage positiv entwickelt, überhaupt, wenn man das Alter von dem Bau bedenkt: Er ist dafür eigentlich sehr gut beinand.“ Deshalb stellt man nicht nur Beete zur Verschönerung des Hofes auf, man hält der Buchengasse auch einfach die Treue. Ein Mieter, der schon seit 1997 hier lebt, bringt das mit einem Satz zum Ausdruck: „Ich fühle mich sehr wohl hier und möchte, solange ich lebe, hier wohnen bleiben.“

image image image

       BUCHENGASSE

       Buchengasse 25–37

       1100 Wien

       Errichtet 1936–1938

       173 Wohnungen

       Geplant von Konstantin Peller

image

      Ein schöneres Kompliment kann man einem Gemeindebau wahrscheinlich nicht machen.

image

       SONNWENDVIERTEL

       „Man kann hier lachen, Spiele spielen, Freunde treffen“

      Im Jugendzentrum im Sonnwendviertel in Favoriten ist viel los. Von Tischtennis über Wuzzeln bis hin zu Computerspielen und gemeinsamem Abhängen gibt es hier viele Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben und zu entspannen.

      Vier Mädchen, alle um die 14 Jahre, haben sich ein bisschen Zeit genommen, um aus ihrem Leben zwischen Schule, Gemeindebau, Park und Jugendzentrum zu erzählen. Warum kommen sie gerne hierher?

      „Man kann hier lachen, Spiele spielen, Freunde treffen.“

      „Und draußen gibt’s immer wieder Erwachsene, die sich aufregen, wenn wir laut sind.“

      Die Mädchen wohnen in Gemeindebauten in der Nähe des Jugendzentrums Sonnwendviertel. Sind sie nicht hier oder in der Schule, dann treffen sie sich meist im Park. „Im Zehnten gibt’s nicht so viel Infrastruktur“, sagt eine der jungen Frauen fast entschuldigend. Dabei ist das Jugendzentrum ohnehin so modern eingerichtet und wirkt so lebendig, dass weitere Rechtfertigungen für einen Besuch hier gar nicht notwendig wären.

      Und was verbinden die Mädchen mit dem Konzept Gemeindebau?

      „Der Gemeindebau ist bodenständig, das ist gut. Aber in den Zimmern ist wenig Platz.“

      „Hier gibt’s immer wieder Feste, wir sind einmal die Woche da.“

      „Wenn wir nicht hier oder im Park sind, dann treffen wir uns in einem Hof in der Quellenstraße zum Abhängen.“

      Dürften sich die Mädchen für ihre Wohnhäuser etwas wünschen, dann wäre es erstens mehr Platz und zweitens eine Renovierung. Unvermeidlich ist natürlich auch die Frage nach dem Traumberuf zum Abschluss des Gesprächs:

      „Autoverkäuferin.“

      „Volksschullehrerin.“

      „Kosmetikerin.“

      „Ich würd gern beim Zoll arbeiten.“

      Und das gibt einen Extrapunkt für Originalität.

       „Der Gemeindebau ist bodenständig, das ist gut.“

       JUSTGASSE

       Nie lockerlassen

image

      In der Justgasse in Floridsdorf wird begeistert gebastelt, die beteiligten Damen führen dabei auch ordentlich Schmäh, wie es sich gehört, und wirken überhaupt ziemlich unerschütterlich. Und während man gemeinschaftlich einer handwerklichen Tätigkeit nachgeht, lassen sich natürlich auch gut Geschichten erzählen. Über das Thema Tod im Gemeindebau wird sonst nicht so viel gesprochen, aber natürlich kommt es regelmäßig vor, dass alte, alleinstehende Menschen in ihren Wohnungen versterben. Wie rasch das entdeckt wird, hängt auch von der Qualität der Hausgemeinschaft und der Achtsamkeit anderer Mieterinnen und Mieter ab.

      Das erhellt die folgende Geschichte einer Dame, die nicht lockerließ, bevor nicht in der Wohnung ihrer Nachbarin Nachschau gehalten wurde:

      „Uns is wichtig, dass wir voneinander wissen, wie’s uns geht. Das hab ich von meiner Mutter gelernt, die bei uns im Haus auf die ganzen alten Leut aufgepasst hat. Ich weiß ja nicht, ob ich das erzählt hab, aber: Die bei uns da auf der Stiege gestorben ist, da ham’s mi ja scho hoibert zum Psychiater führn woin, wie i gsogt hob: ‚I sich die Frau ned, I sich die Frau ned, da is wos passiert.‘ Olle ham gsogt, in bin spinnert, owa Tatsache is, dass die Frau wirklich tot in der Wohnung glegn is. Es hot niemanden interessiert, ned amoi die Polizei. Wei wie i dort angruafn hob, hot mir der Polizist gsogt: ‚Wann wir die Tür aufmochen und es is nix, dann miassn Sie des Schloss zoin.‘ Und i hob gsogt: ‚Kommt ma billiger ois Schloftabletten.‘ Wie i hob ned schlofen kennan wegen der Gschicht. Dann ham’s einebohrt, die Tür is aufgangen, is aber ned aufgsprungen, wei’s von innen zuagsperrt wor. Und wie i des gsehn hob, hab i mi umdraht und hob mi recht freindlich von dene verobschiedet. Und der Polizist hat gsagt: ‚Sie miassn do bleiben und die Frau identifizieren.‘ Hob i gsogt: ‚Gor nix muass i. I hob eich aufmerksam gmocht, i bin ned verwandt mit ihr, i bin ka Amtsperson, meins is gmacht, i geh.‘ Da war die Polizei sehr böse auf mich. Aber i hab die Nachbarin vier Wochen davor das letzte Moi no gsehn, da hat’s Geburtstag ghobt und a Piccolo-Flascherl Sekt getrunken. Do hob i owa scho zwa Wochen danoch an Mann mit ana Leiter organisiert, dass der durchs Fenster eineschaut – nur hot’s der ned gseng, weiß hinterm Bett glegn is. Aber i hab nicht schlafen können, weil i gewusst hab, do stimmt wos ned. Und des Komische is: Do wor a Hund in der Wohnung: Der hat nicht gebellt …“

       BOSSIGASSE

       In der Mitte der Gemeinschaft

      Es gibt in Wien viele engagierte Mietervertreterinnen und Mietervertreter – und dann gibt es Frau Lenikus und Herrn Zaufal.

      In ihrem Wohnhaus in der Bossigasse 18–22 in Hietzing heben sie Engagement auf ein neues Level, indem sie nicht nur das von wohnpartner ins Leben gerufene Programm „Willkommen Nachbar“ fleißig umsetzen, bei dem Neuzugänge im Haus begrüßt werden. Nein, die beiden Mietervertreter haben darüber hinaus ihr eigenes, noch einen Schritt weiter gehendes Konzept kreiert: „Wir haben das ‚Hallo Du‘ getauft, und der Sinn davon ist, dass sich zumindest die Leute auf der Stiege kennenlernen, wo der Neuzugang einzieht“, erklärt Mieterbeirat Hans Zaufal. Seine Stellvertreterin Regina Lenikus ergänzt: „Wir versuchen dann zu einem Austausch bei Kaffee und Kuchen einzuladen und so