Wiener Wohnwunder. Anatol Vitouch

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Название Wiener Wohnwunder
Автор произведения Anatol Vitouch
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783710604997



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gehen, weil kein Badezimmer vorhanden war. Heute wohnt sie sehr viel besser, „nur ein Balkon wäre schön“, antwortet sie verschmitzt auf die Frage, ob es offengebliebene Wohnwünsche gibt.

      Frau Sim wiederum, in Malaysia geboren und aufgewachsen, erzählt vom Community-Housing, das es auch in ihrer Heimat gibt. Der Sprung zum Wiener Gemeindebau, in dem sie seit 2010 mit ihrem Wiener Ehemann lebt, sei ihr deshalb nicht schwergefallen. Am gemeinsamen Kochen gefällt ihr, dass sie auch andere Gerichte ausprobieren kann: „Ich liebe Börek!“

      Frau Sims Mann kann sich noch lebhaft daran erinnern, wie es war, als Kind mit seinen Eltern auf 20 Quadratmetern wohnen zu müssen. „Man ist im Gemeindebau den Vermietern nicht ausgeliefert“, bringt er seine Lebenserfahrung in unterschiedlichen Wohnformen auf den Punkt. Wobei er Probleme, die es auch gebe, durchaus nicht verschweigen will: Der Raum im Gemeindebau sei eben eher knapp bemessen, die Vergabe erfolge nach der Personenzahl und die Generation seiner Enkel sei mehr Platz gewöhnt – deshalb ziehe es die jungen Leute heute wieder eher in Privatmietverhältnisse.

      Die fünfzigjährige Frau Jermy kann von dieser Vergabe nach Personenzahl ein Lied singen – ein fröhliches allerdings: Sie lebt schon seit ihrer Geburt im Gemeindebau, ist aber immer wieder umgezogen, weil ihre Eltern mit den fünf Kindern schrittweise in den Genuss größerer Wohnungen kamen.

      Und auch Frau Sommer ist eine alteingesessene Gemeindebau-Bewohnerin. Seit 1975 lebt sie schon hier im 2. Bezirk und langsam, so sagt sie, stürben ihr alle weg, die damals eingezogen sind. Auch deshalb kommt sie gerne zum gemeinsamen Kochen hierher: „Unter Leuten sein, des brauch ich!“ Viele würden heute nur über die Ausländer jammern und seien undankbar für das, was sie haben: „Aber Lachen funktioniert in allen Sprachen. Meine Nichte aus Vorarlberg versteh ich auch bis heute nicht, so ist das halt. Aber beim gemeinsamen Kochen lernt man was dazu.“

      Dazu kann Frau Kim, die wie Frau Sim aus Malaysia stammt, nur wissend nicken: „Kochen öffnet das Herz, nicht nur den Geist“, bringt sie ein wenig asiatische Weisheit in die kulinarische Runde, in der es heute unter anderem einen köstlichen Eintopf gibt, den die wohnpartner-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter für dieses womöglich letzte Treffen der Kochgruppe kredenzt haben.

      Und, war’s das jetzt? Zum Abschluss soll doch bitte aufzeigen, wer bestimmt wiederkommt, sollte es mit den regelmäßigen Kochtreffen doch weitergehen.

      Da schnellen auf einmal alle Hände in die Luft.

       SIEBENBÜRGERSTRASSE

       Die ewige Liebe der Hunde

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       Franziska Wachet und die anderen Hundebesitzerinnen sind sich einig: Es funktioniert nur mit gegenseitigem Respekt

      In den Einkaufsarkaden in der Siebenbürgerstraße im 22. Bezirk hat sich eine Gruppe von Hundebesitzerinnen versammelt. Es ist ein recht kühler Herbsttag, aber wer einen Hund hat, ist es gewöhnt, bei jedem Wetter den Bedürfnissen seines Haustieres den Vorrang einzuräumen. Und so scheint keine der Damen ein Problem mit der hohen Dosis kalter Frischluft zu haben.

      Womit es schon eher ein Problem gebe, das seien die Leute in der Wohnhausanlage, die keine Hunde mögen. Insbesondere Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, so erzählt eine Hundebesitzerin unter dem zustimmenden Nicken der anderen, hätten oft Angst vor Hunden, weil sie aus den Heimatdörfern ihrer Eltern nur Streuner kennen würden, die oft Tollwut hätten. Sei es, wie es sei, die Mitarbeiter des türkischen Imbisses im Ekazent zeigen jedenfalls wenig bis keine Berührungsängste mit der Hundegruppe und stellen den anwesenden Damen gerne Sessel zur Verfügung, damit bequemer über das Leben mit Hund im Gemeindebau philosophiert werden kann.

      Probleme, zweiter Teil: Die aus Sicht mancher Besitzerinnen mangelnde Ausstattung der Gegend mit Hundezonen. Zwar gebe es eine nahegelegene Hundezone in der Polgarstraße, das schon, aber die Besitzer der kleinen Hunde fühlen sich dort mitunter von den großen bedroht. „Es bräuchte zwei Hundezonen: eine für die Riesen und eine für die Kleineren. Mehr kleinere Hundezonen wären ein Traum.“ Womit schon ein erster Wunsch für die Zukunft der Hundehaltung im Gemeindebau formuliert wäre.

      Schwierigkeiten, Teil drei: Ein aus Sicht der Hundebesitzerinnen skurriles Schild in ihrer Wohnhausanlage, auf dem das Folgende zu lesen sei: „Halten Sie Ihren Hund von Rasen und Gehsteig fern.“ Dass ihr Hund wohl irgendwo gehen müsse, entweder am Rasen oder aber am Gehsteig, müsse doch auch den Menschen einleuchten, die ein solches Schild produzieren, meint die Besitzerin eines recht kleinen Vierbeiners. Dass die Hunde hier im Bau nicht auf die Grünflächen gehen sollen, ist ihr bekannt, in der Praxis aber schwer umsetzbar: „In der Stadt am Beton geht’s ma ned.“ Womit natürlich nicht das Spazierengehen, sondern der Stoffwechsel gemeint ist, dessen Produkt sie im Erfolgsfall selbstverständlich umgehend per Plastiksackerl entsorge.

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       Wer einen Hund hat, ist wie Silvia Rucek daran gewöhnt, bei jedem Wetter vor die Tür zu gehen

      Es gibt also eine Reihe Probleme, für die die Anwesenden allerdings nicht nur die Hundelosen, sondern ebenso die rücksichtslosen Hundebesitzer in der Verantwortung sehen, von denen an diesem Nachmittag keiner erschienen ist (wahrscheinlich war es ihnen zu kalt). „Die, die den Kot nicht wegräumen, sorgen damit dafür, dass alle Hundehalter ein schlechtes Image haben.“

      Ebenso oft komme es vor, dass unerfahrene Hundehalter sich die falsche Rasse zulegen würden, nämlich eine, zu deren artgerechter Haltung sie gar nicht in der Lage wären: „Das liegt dann aber am Mensch und nicht an der Rasse. Deshalb sind die Listenhunde auch ein Blödsinn. Aber viele Leute haben keine Ahnung, was sie sich anschaffen und was die Rasse braucht.“

      Dass es jedenfalls nur mit gegenseitigem Respekt funktionieren könne, gerade im Gemeindebau, darin sind sich alle anwesenden Damen einig: „Von Hundehaltern zu anderen und umgekehrt.“

      Noch mehr Einigkeit gibt es nur darüber, dass die Hunde die ganzen Probleme, die man ihretwegen mit anderen Gemeindebaubewohnerinnen und -Bewohnern hat, in jedem Fall mehr als wert seien, denn: „Menschen können enttäuschend sein, aber ein Hund wird dich immer lieben.“

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       QUADENSTRASSE

       Das schöne Leben in Hirschstetten

      Es gibt Gemeindebauten mit hoher Wohnzufriedenheit – und dann gibt es die Quadenstraße 65–67 in Hirschstetten. In den 1970er-Jahren als zweiter Bauteil der Plattenbausiedlung Ziegelhofstraße projektiert, steht die Wohnhausanlage auf einer vormals von Hirschstettener Landwirten genutzten Fläche.

      Ist es die Nähe zu den Blumengärten oder dem Hirschstettener Badeteich, die diese Zufriedenheit auslöst? Was immer es sein mag, die Bewohnerinnen und Bewohner der Quadenstraße fühlen sich in ihrem Zuhause nicht einfach nur wohl, sie sind regelrecht begeistert von ihrem Gemeindebau:

      „Eine Gemeindewohnung ist erstrebenswert, sie ist ein sozialer Aufstieg!“

      „Die Wohnung war wie ein Palast.“

      „Ich habe vom Balkon aus dem siebten Stock geschaut und habe einen super Ausblick über Wien gehabt – die Lichter der Stadt warn wie Weihnachten!“

      Das ist nur eine kleine Auswahl der Sätze, die fallen, wenn es um die Erinnerungen der Bewohnerinnen und Bewohner an ihren Einzug in der Quadenstraße geht.

      Auch das Thema Hof mit Spielplatz, das in anderen Wohnhäusern wegen möglicher Lärmbelastung oft ambivalent diskutiert wird, stößt hier in Hirschstetten