Mord bei den Festspielen. Sibylle Luise Binder

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Название Mord bei den Festspielen
Автор произведения Sibylle Luise Binder
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839262887



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er in die Knie, fand einen flachen Stein und ließ ihn übers Wasser hüpfen. »Du weißt schon lange, dass ich als strahlender Held in schimmernder Rüstung eine Fehlbesetzung wäre. Also nehmen wir meine schräge Beziehung zu Miercoledi als weiteren Rostfleck auf meinem Harnisch, ja?«

      Ich probierte ebenfalls, einen Stein hüpfen zu lassen, aber meiner ging wie immer sofort unter. Also beglückte ich stattdessen meinen Liebsten mit einer Umarmung und mit dem Kopf an seiner Brust sagte ich: »Du hast dich doch schließlich verweigert und das Richtige getan, oder?«

      Lucas nickte. »Es hat lange gedauert, aber irgendwann hatte sogar ich den Mut!« Er klang bitter. »Mit seiner oh so großen Liebe Katia Ulanova hat er schließlich übertrieben. Als ich mich weigerte, seine Manipulation bei Operata mitzumachen, hat er mir die Freundschaft gekündigt. Wir haben uns angebrüllt, er hat mich eine undankbare Ratte genannt und laut darüber nachgedacht, dass ich doch heute noch in Stuttgart den zweiten Wächter singen würde, wenn er nicht gewesen wäre.«

      »Das ist eine Frechheit!«, regte ich mich auf. »Du bist als einer der besten Mozart-Sänger deiner Generation bekannt, du giltst in Sachen Liedgesang als Fischer-Dieskaus Nachfolger – und das sind Bereiche, in denen Miercoledi kein Bein auf den Boden bringt! Da hast du dich ganz alleine durchgesetzt! Und verflixt noch eins, wenn ich höre, was er heute zusammengrunzt – du bist ein traumhafter Posa. Er ist ein peinlicher!«

      »Ich bin zu alt für Posa.«

      »Bist du nicht!«, widersprach ich. »Wo steht denn geschrieben, dass Posa ein Jüngling ist? Aber es steht auch nirgends geschrieben, dass er so alt wie Don Carlos’ Großvater ist!«

      Er lächelte, legte den Arm um mich und ging langsam weiter. »Mario sieht das anders – wie so vieles.«

      »Aber du bist bei Operata raus und in den letzten Jahren bist du ja auch darum herumgekommen, mit ihm auftreten zu müssen«, versuchte ich zu trösten. »Es ist halt nur blöd, dass du hier wieder auf ihn gestoßen bist.«

      Er lachte auf. »Das ist so in unserer Branche. Man trifft sich nicht nur zweimal, sondern mindestens fünfmal. Aber wir sind wohl beide Profis genug, das mit Anstand hinter uns zu bringen. Außerdem: Hast du schon mal eine Produktion erlebt, in der alles eitel Sonnenschein war? Ich nicht!«

      »Na, dann bleibt uns wohl nur zu hoffen, dass sich unser Ensemble trotz Miercoledi bis zur Premiere nicht gegenseitig an die Kehle geht.«

      Kapitel 3:

      Oh mein prophetisches Gemüt

      Lindau am Bodensee,

      14. und 15. Juli 2018

      Bei aller Liebe zu meinem Lucas: Miteinander leben und arbeiten funktioniert bei uns nur, wenn wir einander Luft und Zeit zum Alleinsein lassen. Üblicherweise ist es Lucas, der sich zu langen, einsamen Spaziergängen verzieht, aber an diesem Samstag habe ich zu viel bekommen.

      Wir waren mit Mischas Assistenten Christopher, Riikka, die in unserer Produktion die Eboli sang, und ihrem jeweiligen Wochenendbesuch – Riikkas Ehemann Arne und Christophers Freundin Claire – bei einem netten, kleinen Italiener gewesen. Und weil es so ein schöner warmer Sommerabend war, haben wir uns auf dem Rückweg wieder in das Straßencafé gesetzt, in dem ich nach der Probe Mischa und Lucas getroffen hatte.

      Damit saßen wir aber auf dem Präsentierteller. Zuerst war’s nicht unangenehm. Mischa kam vorbei, seine neue Eroberung an der Hand. Sie war – wie bei Mischa nicht anders zu erwarten – eine Hübsche, obendrauf hatte sie sogar etwas im Kopf und war so etwas wie eine Kollegin von mir. Isabell arbeitete als Kulturredakteurin beim »Bodensee Boten«. Mischa setzte sich mit ihr zu uns, wir waren schnell in einer fröhlichen Unterhaltung, zu der dann auch noch Rocco, Bass und unser König Philipp, stießen.

      Ein paar Minuten danach tauchte die Familie Miercoledi auf: Vater, Mutter, beide Töchter. Und die setzten sich natürlich auch dazu und damit wurde es laut und anstrengend. Ich hatte schon nach einer halben Stunde genug und sehnte mich nach Ruhe. Stattdessen bliesen mir von links Giulia und von rechts Rocco ins Ohr, dabei hatte ich Riikka im Blick, die Miercoledi mit finsterer Miene beobachtete.

      Nach einer halben Stunde hatte Lucas Erbarmen mit mir. Er stand abrupt auf. »Kinder, seid mir nicht bös’, aber ich bin hundemüde. Ich muss ins Bett.« Er streckte mir die Hand hin. »Kommst du mit, Vic?«

      Als wir im Hotel ankamen, hatte ich Kopfweh – und leider war’s in unserem Zimmer nicht so still, wie ich mir gewünscht hätte. Lucas telefonierte, wie meist am Wochenende, mit seiner Tochter. Ich schnappte mir meine Fleecejacke und verzog mich nach unten. Zu unserem Hotel gehörte nämlich ein sehr gepflegter Park mit altem Baumbestand und lauschigen Bänkchen.

      Ich wanderte an einem prachtvoll blühenden Rosenbeet vorbei ein Stück nach unten und an den See. Eine Entenflottille – Mama und sieben Küken – paddelte an mir vorbei und ich ertappte mich bei der Überlegung, wie man als Entenmutter wohl seine Kinderchen ins Bett brachte. Hatte die Familie irgendwo ein Nest, in dem die Siebenlinge aneinander gekuschelt schlafen konnten?

      Leise Musik drang zu mir herüber – draußen war ein bunt erleuchteter Partydampfer unterwegs, ungefähr 25 Meter entfernt lag eine große Jacht, bei der ein Segel schlampig am Hauptmast gammelte. Ich setzte mich auf das Bänkchen unter eine Trauerweide, schnupperte dem süßen Duft der Rosen nach, die der leichte Wind zu mir trug, und genoss die Ruhe, die der See ausstrahlte. Mein Kopfweh verflüchtigte sich langsam wieder, dafür wurde ich müde, hatte aber dennoch keine Lust, nach oben zu gehen.

      Immerhin konnte ich mich aber dazu überreden, aufzustehen und noch ein Stück zu gehen – dieses Mal Richtung Parkmauer, denn mittlerweile war der Wind kühl geworden und ich fröstelte. An der Parkmauer war es besser. Die Sonne hatte sie aufgewärmt, außerdem schützte sie ein wenig vor dem seewärts gerichteten Wind. Und da war eine Nische in der hohen, alten Hecke und darin stand ein Bänkchen. Ich setzte mich, legte die Arme auf die Lehne und streckte die Beine.

      Ich weiß gar nicht, wie lange ich dasaß, bis ich Schritte auf dem gekiesten Weg hörte. Ich hob den Kopf, schaute mich um und sah im Mondlicht eine schmale Gestalt, die aus der hinteren Ecke des Parks kam und nun Richtung Hotel einbog.

      Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Der andere Parkbesucher – er war ganz in Schwarz und trug eine weite Jacke, sodass ich nicht erkennen konnte, ob es sich dabei um ein Männchen oder Weibchen handelte – hatte einen Strauß in der Hand, blieb aber dennoch vor dem Rosenbeet stehen und guckte nach links und rechts. Mich in meiner Nische sah er dabei nicht und so glaubte »er-sie-es« sich wohl allein. Jedenfalls brach er eine Rose