Mühlviertler Grab. Eva Reichl

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Название Mühlviertler Grab
Автор произведения Eva Reichl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839266069



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ragte, »kann man sich leicht stoßen, wenn einem der Kopf unter Wasser gedrückt wird.«

      »Das würde die Verletzung am Hinterkopf des Opfers erklären. Demnach müssten wir Spuren an dem Hahn finden«, resümierte Grünbrecht.

      »Wenn inzwischen nicht zu viel Wasser durch Heilsuchende heruntergelaufen ist«, warf Stern ein.

      »Die Spurensicherung soll trotzdem herkommen und alles absuchen«, erwiderte Grünbrecht, während sie das Handy entsperrte und nach der gewünschten Nummer scrollte.

      »Wenn es Kampfspuren gegeben hat, sind die vernichtet«, sagte Stern zu Grünbrecht, was er sich vorhin bereits gedacht hatte, und deutete auf den Boden. »In den letzten Stunden sind hier bestimmt Dutzende Füße darüber getrampelt.«

      »An der Entnahmestelle werden wir wahrscheinlich unzählige Spuren von genauso vielen Leuten finden«, zeigte Grünbrecht sich ebenfalls nicht gerade hoffnungsvoll, einen Treffer zu landen und somit zu einem schnellen Ergebnis im Mordfall Oliver Koch zu kommen. Anschließend wählte sie die Nummer der Spurensicherung.

      Währenddessen begutachtete Stern das Granitbecken der Entnahmestelle und fragte sich, ob es tatsächlich möglich war, dass dieses Wasser, das irgendwo nahe der Kapelle aus der Erde kam, Heilkräfte besaß. Wenn ja, konnte es nicht schaden, sich damit das Gesicht zu waschen und die Augen zu reiben, entschied er kurzerhand, bevor Grünbrecht ihr Telefonat beendete. Dann musste er ihr auch nichts erklären. Er warf rasch einen Blick zu ihr hinüber, und als er sie mit dem Rücken zu sich stehend der Spurensicherung Anweisungen geben sah, bückte er sich und benetzte das Gesicht mit dem kühlen Nass. Mehrmals wusch er sich die Augen und hoffte, dass dadurch eine Brille nicht mehr nötig wäre.

      »Chef, was machen Sie da?«, fragte Grünbrecht plötzlich hinter ihm.

      »Äh …« Stern fiel es schwer, auf die Schnelle eine passende Antwort zu finden. Sein Gesicht war nass, das Wasser tropfte von seinem Kinn auf Brust und Bauch und hinterließ auf dem blauen Hemd dunkle Flecken. Es war zwecklos, ihm fiel keine Ausrede ein, also blieb er bei der Wahrheit. Oder der Beinahe-Wahrheit. »Mir war heiß, und da habe ich mich ein wenig abgekühlt.« Mit der Hand wischte er das überschüssige Wasser ab, um zu verhindern, dass es weiter seine Kleidung durchnässte.

      »Sie könnten einen Tatort verunreinigt haben«, wies Grünbrecht ihn auf diese Möglichkeit hin.

      »Ich bin mir sicher, dass der Mord nicht hier stattgefunden hat. Außerdem habe ich aufgepasst, dass ich nichts berührt habe bis auf den Hahn. Und den haben Unzählige vor mir angefasst.«

      »Ihnen war gar nicht heiß. Sie haben das Wasser ausprobiert, weil Sie wissen wollen, ob es tatsächlich Heilkräfte besitzt. Wegen Ihrer Augen. Und ich dachte, Sie halten nichts von diesem Hokuspokus. Sie sollten sich eine Brille zulegen, Chef.« Grünbrecht sah ihren Vorgesetzten herausfordernd an. Stets wetterte er gegen Gefühle und Glauben. Immer verlangte er Fakten. Doch wo waren die Beweise für die Heilkraft dieses Wassers?

      »Ich halte auch nichts davon. Aber wenn wir schon mal da sind, kann es nicht schaden, es zu testen«, rechtfertigte Stern sein Handeln.

      Grünbrecht schüttelte den Kopf. »Wenn ich das Mirscher und Kolanski erzähle …«

      »Nichts werden Sie, Grünbrecht! Das bleibt unser kleines Geheimnis!« Stern hob drohend den Zeigefinger.

      »Sie können mich nicht zum Schweigen zwingen, Chef. Wenn ich es für mich behalte, dann mache ich das aus freien Stücken«, stellte die Gruppeninspektorin klar.

      Stern seufzte. Natürlich hatte Grünbrecht recht, auch was sein ansonsten so penibel auf Fakten getrimmtes Bewusstsein anbelangte. Für einen Augenblick hatte er sich hinreißen lassen und an die Kraft des Wassers glauben wollen. Nun, schaden würde es ihm bestimmt nicht, hoffte er, auch wenn darin in einer höheren Konzentration als üblich Radon zu sein schien. Er würde dadurch schon nicht erblinden. Obwohl sich jetzt ein ungutes Gefühl bei ihm einstellte.

      »Wir sollten für Weber eine Probe mitnehmen. Die kann er mit den Rückständen in der Kleidung des Opfers abgleichen. Wegen dem hohen Radongehalt müsste leicht herauszufinden sein, ob das Opfer hier getötet wurde«, wechselte er rasch das Thema.

      »Haben Sie etwas dabei, in das wir das Wasser füllen können? Oder wollen Sie Ihr Hemd zur Verfügung stellen?«, stichelte Grünbrecht und deutete auf die dunklen feuchten Flecken auf Sterns Brust.

      Stern ignorierte seine Kollegin und bat eine der Frauen, die eben mit mehreren leeren Flaschen in den Wald gepilgert kamen, um ein Behältnis. Und weil er es gar so charmant anstellte, füllte ihm die dralle Endvierzigerin auch noch selbiges, was Stern ein überhebliches Grinsen ins Gesicht zauberte. Dann aber musste er die Damen enttäuschen und ihnen mitteilen, dass sie heute kein Heilwasser mehr würden zapfen können, da die Spurensicherung alles untersuchen musste. Nur für die falsche Blondine, die ihm eines ihrer Gefäße überlassen hatte, machte er eine Ausnahme. Sekunden später war die Spurensicherung bereits im Anmarsch und sperrte das Gebiet rund um die Heilquelle ab. Stern übergab ihnen die Flasche mit dem Quellwasser, welches später im Labor analysiert und mit den Proben von der Kleidung des Opfers abgeglichen werden würde. Sollte sich ebenso Wasser in der Lunge des Toten befinden, würde das natürlich ebenfalls auf eine eventuelle Übereinstimmung überprüft werden.

      »Kommen Sie! Wir fahren nach St. Oswald zurück. Ich bin gespannt, was Kolanski und Mirscher indessen über das Opfer herausgefunden haben«, sagte Stern, als sie wieder oben am Parkplatz standen. Anschließend ließ er sich auf den Beifahrersitz von Grünbrechts BMW fallen.

      *

      Zurück auf dem St. Oswalder Friedhof sahen Stern und Grünbrecht, dass die Autos der Kollegen immer noch am Eingang des Friedhofs parkten. Grünbrecht stellte ihren Wagen auf der Straßenseite gegenüber ab. Da fiel Sterns Blick auf eine ihm bekannte Gestalt. Eleonore Winkler, Reporterin bei den OÖ. News, kam den Friedhofsweg herunter und geradewegs auf ihn zugestöckelt.

      »Chefinspektor Stern!«, rief sie und wedelte mit einem Aufnahmegerät in der Hand, um auf sich aufmerksam zu machen.

      Stern fragte sich, warum die Journalistin bereits Kenntnis von dem Mordfall hatte, gab sich aber sofort selbst die Antwort. Die junge ehrgeizige Frau hatte bestimmt mal wieder den Polizeifunk abgehört.

      »Frau Winkler«, grüßte Stern zurückhaltend und wollte sich an der zarten Reporterin vorbeidrücken, doch die stellte sich ihm selbstbewusst mit ihren Stöckelschuhen in den Weg. Sie trug ein hellblaues Kostüm, um den Hals hatte sie einen azurblauen Seidenschal gewickelt. In diesem Outfit hätte die Journalistin über einen Catwalk flanieren können, hier vor dem Friedhof wirkte sie eindeutig overdressed.

      »Stern, darf ich Sie zu dem Mord interviewen?«, fragte sie mit einem Augenaufschlag wie einst Marilyn Monroe.

      »Sie wissen, dass ich Ihnen über laufende Ermittlungen keine Auskunft geben darf. Dafür ist die Pressestelle in der Nietzschestraße am Landeskriminalamt zuständig«, erwiderte Stern gelassen.

      »Sie bestätigen also, dass es sich um Mord handelt?«, redete Winkler in ihr Aufnahmegerät hinein und hielt es anschließend Stern hin.

      »Das hab ich nicht gesagt«, brummte Stern grimmig. Die Journalistin verstand es jedes Mal, ihn aus der Reserve zu locken.

      »Ausgeschlossen haben Sie es allerdings auch nicht.«

      Stern blieb stehen. Seine Gelassenheit war wie weggepustet. Eindringlich betrachtete er die Frau. »Wir wissen doch noch gar nicht, ob es Mord war. Wir haben eben erst mit den Ermittlungen angefangen.«

      »Können Sie mir zumindest sagen, wer der Tote ist?«, fragte Winkler.

      »Solange seine Identität nicht bestätigt ist, kann ich das nicht«, sagte Stern und ging weiter.

      »Stern?«, rief Winkler ihm hinterher.

      Der Chefinspektor blieb nicht stehen und drehte sich auch nicht um. Er hatte mittlerweile das Friedhofstor erreicht und zog es hinter sich zu. Erleichtert, wie er feststellte, denn dieses Tor bot ihm vor der neugierigen und gleichzeitig scharfsinnigen